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Cookson Verborgenes Glück

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-18100-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

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ISBN: 978-3-641-18100-0
Verlag: Heyne
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Prudence ist eine hübsche, intelligente und beruflich sehr erfolgreiche Frau. Um Ruhe und Kraft zu finden, zieht sie in ein kleines Haus auf dem Land, das dem unfreundlichen, verbitterten Davie McVeigh gehört. Durch tragische Ereignisse wird Prudence in die Geheimnisse um ihn und seine Familie hineingezogen.


Catherine Cookson wurde 1906 in der englischen Kleinstadt Tyne Dock geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Bereits als Sechzehnjährige verfasste sie Kurzgeschichten. Mit vierzig Jahren begann sie über das Leben der Arbeiterklasse im Nord-Osten Englands zu schreiben und ihr teilweise autobiographischer Roman "Our Kate" wurde 1950 ein großer Erfolg. Ihre Romane wurden in mehr als 12 Sprachen übersetzt, einige sind verfilmt worden. 1993 wurde sie von Königin Elizabeth II. in den Stand einer "Dame of the British Empire" erhoben. Insgesamt hat sie fast 90 Romane veröffentlicht. Catherine Cookson starb im Juni 1998.
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1


»Mir wird schon wieder schlecht.«

»Ach, Tante Maggie!«

»Ich … ich kann ja nichts dafür. Mir … ist das genauso unangenehm wie dir … Halt bitte an!«

»So hab ich es doch nicht gemeint. Aber ich muss warten, bis eine Stelle kommt, wo ich halten kann.«

Als ich sah, wie ihre Hand zum Mund schnellte, trat ich sofort auf die Bremse, stieg aus und hastete um den Wagen herum auf ihre Seite. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um sie zu stützen, während sie sich würgend über den Straßengraben krümmte.

Im Aufrichten wischte sie sich mit der Hand über den Mund. »Es tut mir so Leid«, murmelte sie.

»Aber Tante Maggie, du musst dich doch nicht entschuldigen. Komm.« Ich drehte sie an den Schultern und führte sie zurück zum Auto.

»Das sehe ich aber anders. Ich soll doch auf dich aufpassen, nicht umgekehrt.«

»Es tut mir ganz gut, auch einmal an etwas anderes zu denken.«

»Das mag sein, aber müssen das ausgerechnet ich und mein empfindlicher Magen sein?« Sie war so schwach, dass sie nicht frei stehen konnte, doch aus ihrem Blick sprach längst wieder ihre gewohnte schelmische Wärme. »Ein Glas Wasser, und ich bin wieder wie neu. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, liegt hier ganz in der Nähe ein Dorf. Wir haben den Eden überquert und sind an Appleby, Colby und Strickland vorbeigefahren. Als Nächstes müsste Brampton kommen, und wenn ich mich recht entsinne, gibt es hier ein kleines Nest namens Borne Coote.«

»Wir hätten doch in Appleby halten und etwas essen sollen, wie ich vorgeschlagen habe.«

Meine Tante warf mir einen beredten Blick zu, ließ dann den Kopf hängen und lehnte sich schwer gegen das Auto. Ich ging ein paar Schritte am Grünstreifen entlang. Vor meinen Augen erstreckte sich eine grüne Hügellandschaft; in einem Tal glitzerte schwach die spiegelglatte Wasseroberfläche eines Sees. Dahinter erhoben sich abermals Hügel, auf deren abgewandten Flanken sich, wie ich wusste, kleine Flüsse und reißende Wildbäche zu Tal schlängelten. Cumberland … Ich war zum ersten Mal in dieser Gegend, die ebenso lieblich und schön wie von wild-rauer Einsamkeit war. Und genau das war es, was ich hier suchte: die Einsamkeit.

Kurz nach fünf Uhr früh waren wir an diesem Morgen in Eastbourne aufgebrochen. Nachdem Tante Maggie im ganzen Haus überprüft hatte, ob Fenster und Türen geschlossen waren, hatte sie im Flur einen Augenblick lang innegehalten, um mir sanft über die Wange zu streicheln. »Du wirst heute gut einschlafen, Pru, und zwar ganz ohne Pillen, das verspreche ich dir.« Mit einem schelmischen Lächeln hatte sie hinzugefügt: »Prudence, Pein und Pillen … Zwei von den drei P-Wörtern lässt du aber lieber hier, wenn wir jetzt fahren, nicht wahr?« Wäre mir der Humor nicht längst vergangen gewesen, hätte mich die liebevolle Spöttelei zum Lachen gebracht. So gelang mir nur ein müdes Lächeln.

»Die Aussicht ist überwältigend, nicht?«

Ich hatte nicht bemerkt, dass sie neben mich getreten war. »Hast du dich etwas erholt?«

»Ja, ja«, erwiderte sie mit einem Nicken. »Bis zum nächsten Anfall. So viel zur Wirksamkeit von Tabletten gegen Reisekrankheit.«

»Es ist die Hitze«, sagte ich. »Es ist unglaublich heiß.«

Tante Maggie hatte ihren Blusenkragen im Nacken gelupft und fächelte sich damit Luft zu. »Weit über dreißig Grad, und wir haben schon Ende August. Das einzig Gute daran ist, dass es nicht mehr lange dauern kann. Ich vertrage diese Temperaturen einfach nicht … Aber sieh doch mal, ist es nicht wunderschön hier?«

Sie beschrieb mit der Hand einen Halbkreis, dem ich mit den Augen folgte. Tatsächlich, es war ein herrliches Panorama. Früher hatten mich Landschaften wie diese in Erregung versetzt, mich innerlich aufgewühlt. Ja, der Atem hätte mir stocken müssen angesichts dieser wogenden Weite, mein Herz hätte jubilieren müssen bei der Aussicht, dass ich nun ganze drei Monate in diesem ländlichen Idyll verbringen würde. Stattdessen regte sich nichts. In meinem Inneren herrschte ein eisiges Vakuum. Das einzige Gefühl, das ich noch kannte, war die Angst. Eine Angst, die mich so beherrschte, dass ich beim Gehen den Kopf gesenkt hielt und starr zu Boden blickte.

»Weißt du noch«, hatte mich Tante Maggie geneckt, »wie du immer Angst hattest, ein Doppelkinn zu bekommen? Also, Kopf hoch.«

War ich immer noch dieselbe Frau, deren schlimmster Albtraum es gewesen war, ein Doppelkinn zu haben und die im Sitzen stets den Rücken gerade hielt und nie die Beine überschlug, damit ihre Hüften nicht breiter wirkten? Es war noch gar nicht so lange her, da hatte man über Prudence Dudley gesagt, sie sei nicht nur klug, sondern habe auch eine hübsche Figur und ein anziehendes Gesicht – nicht schön, wohlgemerkt, anziehend. Nur einer hatte sich anders ausgedrückt, hatte gesagt, ihr Gesicht sei mehr als nur schön. Es gebe attraktive, hübsche – und bezaubernde Gesichter. Das habe nicht nur etwas mit dem Aussehen zu tun, sondern sei eben viel mehr als das … Ja, solche Dinge waren über sie gesagt worden, früher, in einem anderen Leben.

»Nun komm schon, du bist müde. Hör auf damit.«

Tante Maggie hatte ihre Hände auf meine gelegt und löste sie mit sanftem Druck vom Revers meiner Kostümjacke. »Du bist müde, Pru«, wiederholte sie in strengerem Ton. »Das ist alles. Hör auf zu grübeln. Du hattest schon öfter Pechsträhnen im Leben – du weißt, dass sie auch wieder zu Ende gehen. Alles geht vorüber, das darfst du nie vergessen.«

Ich saß wieder im Wagen hinter dem Steuer. Das Zittern hatte aufgehört, doch der Schweiß rann mir noch immer übers Gesicht, und meine eigene Stimme drang dumpf, wie aus weiter Ferne, an mein Ohr. »Ich sollte ein paar Tabletten nehmen.«

»Aber wir haben nichts zu trinken dabei.«

»Dann schlucke ich sie eben trocken hinunter.«

»Nein, oh, nein, das wirst du mitnichten tun, Liebes. Mir kommt diese Straße irgendwie bekannt vor … Fahr noch ein Stück und bieg dann links ab. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir gleich in Borne Coote sind. Dort wird es bestimmt ein Café oder etwas Ähnliches geben. Wir müssen unbedingt etwas trinken, Wasser oder vielleicht lieber eine Tasse Tee.«

Als ich den Wagen anließ, begannen meine Hände erneut zu zittern, aber ich wiederholte wie eine Beschwörungsformel im Stillen immer wieder Tante Maggies Satz: Alles geht vorüber.

Wenige Minuten später kam die Straße aus ihrer Erinnerung in Sicht und kaum einen Kilometer weiter erreichten wir bereits das Dorf. Überrascht stellten wir fest, dass hier irgendetwas im Gange war. Die meisten Ortschaften, die wir passiert hatten, waren so menschenleer und verschlafen gewesen, dass sie geradezu verlassen wirkten – ob das immer so war oder nur an der außergewöhnlichen Hitze lag, war nicht zu sagen. Hier jedenfalls herrschten, obwohl es Viertel vor zwei am Nachmittag und somit der heißeste Teil des Tages war, Trubel und Leben. Mindestens ein Dutzend Autos, alles nicht gerade Edelkarossen, parkten entlang einer niederen Granitsteinmauer. Der dahinter liegende Kirchhof glich mit seiner üppigen Blumenpracht einem Park. Zwischen Beeten und Gräbern standen auf dem Rasen Menschen in kleinen Gruppen zusammen. Menschen mit strahlenden Gesichtern. Entlang der Hauptstraße setzten sich das Lachen und die frohsinnigen Grüppchen fort.

Keine von uns sagte ein Wort. Tante Maggie enthielt sich des einzig logischen Kommentars zu dieser Szenerie. Es war nicht zu übersehen, dass hier eine Hochzeit stattfand. Erst als wir das Ende der Straße erreicht hatten und auf einem kleinen Platz mit einem steinernen Kruzifix in der Mitte ankamen, brach sie das Schweigen. »Sieh mal, dort drüben steht ›Eis‹, da bekommen wir bestimmt etwas zu trinken.«

In dem Laden bekam man schlichtweg alles, sogar Paraffin, wie ich feststellte – leider war er verwaist. Tante Maggie klopfte mehrmals auf die Theke. »Hallo, ist da jemand?«, fügte sie beim dritten Mal in energischem Ton hinzu. Selbst als noch immer keine Antwort kam, verzichtete sie auf die offensichtliche Erklärung – ›Sind bestimmt alle auf der Hochzeit‹ –, sondern hob stattdessen stumm einen Korb voller Lebensmittel von einem umgedrehten Limonadenkasten und ließ sich darauf nieder, auf eine Art Butterfass deutend. »Setz dich doch da drauf. Dann warten wir eben. Immerhin ist es kühl hier drinnen.«

Ich wollte mich nicht setzen. Ich wollte weglaufen. Weg von allem, aus diesem Dorf und weg von seinen fröhlichen Bewohnern. Ich kannte dieses Gefühl, diese Symptome, und ich wusste genau, was sich in meinem Innern gleich abspielen würde. Mein Herz würde sich wie eine Faust ballen, dann zu rasen beginnen. Meine Glieder würden zittern, und mein Hirn wäre erfüllt von einer lähmenden Vorahnung: Gleich falle ich tot um. Aber wollte ich nicht ohnehin am liebsten sterben? Sicher. Aber nicht vor Angst. Dabei hatten die Ärzte gesagt, ich sei nun in der Lage, meine Emotionen zu beherrschen. Sie meinten, es liege von nun an allein in meiner Hand.

»Ist das die Möglichkeit! Ich wusste ja nicht, dass Kundschaft im Laden ist. Die Hochzeit, wissen Sie … Ich war hinten und hab über die Mauer gelinst. Man kann von dort auf den Seitenpfad zur Kirche sehen. Jetzt aber …«

Ein verhutzeltes Weiblein mit schmerzhaft streng zurückgehaltenem Haar und leuchtenden, wachen Augen blickte uns abwechselnd an. »Sie brauchen was zu trinken«, stellte sie mitfühlend fest, den Blick auf mich gerichtet. »Das ist nicht zu übersehen. Sie sind ja weiß wie ein Laken. Die Hitze … Haben Sie so was schon mal erlebt?...


Cookson, Catherine
Catherine Cookson wurde 1906 in der englischen Kleinstadt Tyne Dock geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Bereits als Sechzehnjährige verfasste sie Kurzgeschichten. Mit vierzig Jahren begann sie über das Leben der Arbeiterklasse im Nord-Osten Englands zu schreiben und ihr teilweise autobiographischer Roman "Our Kate" wurde 1950 ein großer Erfolg. Ihre Romane wurden in mehr als 12 Sprachen übersetzt, einige sind verfilmt worden. 1993 wurde sie von Königin Elizabeth II. in den Stand einer "Dame of the British Empire" erhoben. Insgesamt hat sie fast 90 Romane veröffentlicht. Catherine Cookson starb im Juni 1998.



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