Cornel | Resozialisierung durch Soziale Arbeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 221 Seiten

Cornel Resozialisierung durch Soziale Arbeit

Ein Lehrbuch für Studium und Praxis

E-Book, Deutsch, 221 Seiten

ISBN: 978-3-17-036046-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Resozialisierung ist Ziel und Auftrag der Sozialen Arbeit z.B. im Strafvollzug, in der Bewährungshilfe und in der Freien Straffälligenhilfe. Um dieses Ziel - die Reintegration in die Gesellschaft - zu erreichen, sind spezifische Kenntnisse und Kompetenzen sowie ethische Grundsätze und kriminalpolitische Orientierung notwendig. Das Buch zeigt, wie Fachkräfte der Sozialen Arbeit in enger Zusammenarbeit mit ihren Klientinnen und Klienten erfolgreich resozialisieren können. Neben der Auseinandersetzung mit dem Begriff, den Problemlagen und Handlungsmethoden werden institutionsbezogene Hilfearten vorgestellt. Das Lehr- und Lernbuch bietet dazu ein facettenreiches Fallbeispiel und ermöglicht so den Transfer des Wissens in die Praxis.
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Lektion 2:   Mit welcher Zielsetzung und zu wessen Nutzen sollte Resozialisierung betrieben werden?
        In der ersten Lektion ging es um die Bedeutung des Begriffs und den Inhalt der Resozialisierung ( Lekt. 1), wobei schon darauf hingewiesen wurde, dass diese Inhalte und auch die Arbeitsweisen von den kriminalpolitischen Kontexten abhängen. Dieser Bezug zu Delinquenz, Kriminalpolitik und verschiedenen Institutionen der Strafjustiz macht deutlich, dass Resozialisierung nicht ausschließlich mit dem Ziel eines besseren Lebens der Klienten und Klientinnen betrieben wird, also zur Lebenslagenverbesserung und zum Erwerb weiterer sozialer Kompetenzen, sondern auch der Kriminalprävention dienen soll. Es wird ein zentrales Anliegen dieses Buches sein, einerseits diese doppelte hochkomplexe Zielsetzung zu thematisieren und es als einen professionellen Standard anzusehen, dies nicht aus dem Auge zu verlieren und für den Klienten oder die Klientin transparent zu machen, und andererseits darauf zu bestehen, dass Resozialisierung durch Soziale Arbeit auch wirklich deren Professionsverständnis entsprechend handelt. Darauf wird insbesondere in Lektion 4 eingegangen werden ( Lekt. 4). Im Prozess der Resozialisierung spielen sehr unterschiedliche Interessen eine Rolle. Der Staat, dessen Verbote und Gebote u. a. durch die Strafgesetze normiert werden, fordert vor allem die Einhaltung dieser Gesetze und bezüglich straffällig gewordener Personen die zukünftige Legalbewährung bzw. die Vermeidung der so genannten Rückfälligkeit. Rückfallvermeidung im Sinne von Spezialprävention gilt heute als wesentlicher Strafzweck, woraus allerdings nicht der Umkehrschluss gezogen werden darf, dass die Vermeidung zukünftiger Straftaten durch einen bereits verurteilten Täter oder eine Täterin vornehmlich durch Strafvollstreckung erfolgen muss oder dass diese Zielsetzung die Strafe selbst legitimiert. Dies wird später in dieser Lektion noch erörtert werden. Nicht nur der Staat und sein Strafrechtssystem haben ein Interesse daran, dass sich Straftaten nicht wiederholen. Der Rechtsfriede in einer Gesellschaft selbst ist ein hohes Gut in dem Sinne, dass die Gesellschaftsmitglieder nicht ständig in der Angst leben, dass ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und ihr Eigentum bedroht werden. Und selbstverständlich ist es im Interesse aller potenziellen Opfer von Straftaten, dass diese möglichst nicht geschehen und sich nicht wiederholen. Das Ziel der erfolgreichen Kriminalprävention ist also ein breit geteiltes, wenn man auch differenzieren muss hinsichtlich der verschiedenen Rechtsgüter und konkreten Fallgestaltungen. Daneben gibt es Deliktsbereiche, in denen das bedrohte Rechtsgut und betroffene Opfer kaum zu definieren sind wie z. B. das Betäubungsmittelrecht bzw. Drogenstrafrecht. Immerhin 6551 Strafgefangene und Sicherungsverwahrte (12,9 % von 50.957) waren am 31. März 2018 wegen Betäubungsmittelkriminalität inhaftiert, oft im Kontext eigenen Konsums und eigener Suchtprobleme.18 Auch das Interesse der Täter und Täterinnen selbst an einer Resozialisierung ist komplex. Einerseits hatte sich der Delinquent oder die Delinquentin ja für die Ausführung der Straftat entschieden (wie bewusst das auch immer gewesen sein mag und wie auch immer die Ausgangssituation und Begleitumstände waren), und jegliche Art von Kriminalprävention möchte dazu führen, dass dies nicht erneut geschieht. Manche Delikte bringen Vorteile für den Täter oder die Täterin, auf die in Zukunft verzichtet werden soll. Der gesellschaftliche Konsens über die gewünschte Gültigkeit und Anwendung strafrechtlicher Normen mag je nach Delikt unterschiedlich hoch sein und der Täter oder die Täterin mag diesen Konsens teilen oder nicht – von ihm oder ihr verlangt das Strafgesetz, sich künftig an die Normen zu halten und insoweit sein oder ihr Verhalten zu ändern. Bei der Tötung eines Menschen und dem Kindesmissbrauch ist der gesellschaftliche Konsens hoch,19 die Möglichkeiten der Neutralisierung des Unrechts20 durch den Täter oder die Täterin sind gering und entsprechend vehement und deutlich wird die Forderung nach Verhaltensänderung vorgebracht. Trotz dieser klaren rechtlichen und moralischen Bewertung der Taten, muss festgehalten werden, dass die Vermeidung der Rückfälligkeit vom Täter oder der Täterin etwas verlangt, zu dem er bzw. sie möglicherweise aufgrund eigener Entscheidungen nicht willens oder in der Lage war. Das gilt beispielsweise auch für Straftaten, die zu einem Vermögenszuwachs bei der straffällig gewordenen Person führten. Es mag trivial klingen, aber das Unterlassen solcher Delinquenz führt zu Nachteilen – freilich solchen, die Staat und Gesellschaft fordern, die dem Rechtsfrieden und Zusammenleben der Menschen dienen und durch die Vorteile des Rechteinhabers oder der Rechteinhaberin mehr als aufgewogen werden, wenn dieser nun nicht mehr bestohlen, beraubt oder betrogen wird. Andererseits bringt eine erfolgreiche Resozialisierung im Sinne einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft für die straffällig gewordene Person auch viele Vorteile mit sich. Das beginnt beim Ausbleiben von Stigmatisierungen und Sanktionierungen als ihren nachteiligen Folgen, geht über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Wohlstand bis zur verbesserten Gesundheit mit weniger Lebensrisiken und Scham, wie sie häufig bei Straftätern und Straftäterinnen festzustellen sind. Neben diesen beiden Aspekten sollte auch beachtet werden, dass Verhaltensänderungen, die oft mit Einstellungsänderungen einhergehen müssen, selbst mit Mühen und Aufwand, manchmal auch mit Kränkungen verbunden sind. Aus all diesen Gründen kann die Einstellung von straffällig gewordenen Menschen bezüglich ihrer eigenen Resozialisierung ambivalent sein. Niemand darf zur Resozialisierung gezwungen werden – sie ist grundsätzlich freiwillig und eine erzwungene Wiedereingliederung wäre auch nicht Erfolg versprechend.21 »In vielen Veröffentlichungen der letzten Jahre ist statt von Resozialisierung nur noch von Resozialisierungshilfen oder Resozialisierungsangeboten die Rede – Ergebnis einer Sensibilisierung für die Rechte der Kriminalisierten und eines Bemühens um Präzisierung eines Begriffs, die sich auch in der Praxis durchsetzen muss.«22 Dies heißt aber erstens nicht, dass der Staat auf die Einhaltung seiner Normen verzichten wird, wobei es ihm egal sein muss, aus welchen Gründen die Normen befolgt werden. Dies kann eine moralische Überzeugung sein, der Respekt vor den Rechtsnormen oder auch nur die Angst vor Konsequenzen und Sanktionen. Zweitens bedeutet das auch nicht, dass die notwendige Freiwilligkeit der Mitwirkung an Prozessen der Resozialisierung nicht gleichwohl institutionell durch Zwangskontexte gerahmt wird. Darauf wird in Lektion 5 ausführlich eingegangen ( Lekt. 5). Ein_e Gefangene_r muss beispielsweise niemandem im Strafvollzug und auch keinem Mitglied der Strafvollstreckungskammer sagen, wie er_sie nach seiner_ihrer Haftentlassung seine_ihre Schulden bezahlen will, wo er_sie wohnen und was er_sie arbeiten wird. Die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Strafrestaussetzung zur Bewährung sinkt dadurch aber beträchtlich. Personen, die unter Bewährungsaufsicht stehen, müssen sich entsprechend den Weisungen regelmäßig bei ihrem Bewährungshelfer oder ihrer Bewährungshelferin melden, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird. Inwieweit sie darüber hinaus im Gespräch an ihrer Resozialisierung mitwirken und ob sie Hilfen annehmen, kann und darf nicht erzwungen werden. Drittens ist schon hier festzustellen, dass aufgrund der Ambivalenz einerseits und der notwendigen Freiwilligkeit der Annahme von Hilfe und Unterstützung zur Resozialisierung andererseits die Motivierung der Klienten und Klientinnen eine große Rolle spielt. Sie ist Teil des methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit zur Resozialisierung. Darauf wird in den späteren Lektionen noch mehrfach eingegangen werden. Dass der Auftrag der Sozialen Arbeit selbst in ihrem Selbstverständnis, nämlich zur sozialen Gerechtigkeit beizutragen, menschenrechtsorientiert und Lebenslagen verbessernd zu sein, zur Motivation beitragen kann, muss sicher nicht weiter ausgeführt werden, ist aber in späteren Lektionen immer wieder konkret ein Thema. Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass zur Bearbeitung einer Straftat und zur Herstellung des Rechtsfriedens gegebenenfalls auch Schadenswiedergutmachung und eine Professionelle Opferhilfe gehören, die nach den Bedürfnissen der Opfer deren Sicherheit und Sicherheitsgefühl wiederherstellen und sie bei der Bewältigung der Straftat unterstützen, um weitere Belastungen und insbesondere sekundäre Viktimisierungen zu...


Dr. Heinz Cornel ist Sozialpädagoge, Jurist sowie Kriminologe und war von 1988 bis 2019 Professor für Jugendrecht, Strafrecht und Kriminologie an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Er war über viele Jahre Präsident des DBH-Fachverbandes für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen in Berlin.


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