E-Book, Deutsch, Band 3, 496 Seiten
Czerny Die wilden Pferde von Rydal Hill - Flammendes Tal, Bd. 3
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7348-0422-9
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der finale Band der atmosphärischen Pferdebuchreihe ab 13 Jahren
E-Book, Deutsch, Band 3, 496 Seiten
Reihe: Die wilden Pferde von Rydal Hill
ISBN: 978-3-7348-0422-9
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein tief verborgenes Familiengeheimnis, ein Fluch und wilde Pferde Valerie ist zutiefst erschüttert. Wie konnte Ben sie einfach so verlassen? Seit er ohne ein Wort aufs Internat gegangen ist, kümmert sie sich allein um die Ponys - und gerät dabei oft genug an ihre Grenzen. Bedrohliche Dinge geschehen in den Bergen rund um Rydal Hill, so als würde der Fluch der Aldringhams immer stärker werden. Trotz ihres Liebeskummers weigert sich Val, die Herde ihrem Schicksal zu überlassen. Nach und nach setzen sich die Puzzlestücke der Vergangenheit zusammen, bis Val eine schier unglaubliche Entdeckung macht. Ging es bei dem Fluch von Anfang an um viel mehr als das Schicksal der Aldringhams? Und wie konnten sie übersehen, dass die Ponys der Schlüssel zu allem sind? In einem Wettlauf gegen die Zeit versucht Val, das Geheimnis zu lösen. Doch dafür braucht sie Bens Hilfe. Schaffen sie es gemeinsam, die Katastrophe zu verhindern, die ganz Rosley zu erfassen droht?
Mit Wörtern Welten bauen - das Geschichtenerzählen hat Theresa Czerny immer schon fasziniert: zuerst als Zuhörerin, dann als Leserin, jetzt als Autorin. Den Zauber, den sie beim ersten Satz auf der ersten Seite einer neuen Geschichte empfindet, möchte sie auch in ihren eigenen Büchern für Kinder und Jugendliche erlebbar machen.
Autoren/Hrsg.
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1
Der Boden unter meinem rechten Fuß gab nach. Gerade noch rechtzeitig lehnte ich mich nach vorn, bevor mir die Beine wegrutschten und ich der Länge nach im Matsch landete. Es schmatzte, als ich meinen Schuh aus dem Morast zog. Ganz großartig. Mit einem dürren Zweig versuchte ich, den graubraunen Schlamm von meinem Wanderstiefel zu kratzen, aber wozu? Darunter befanden sich drei weitere Schichten Schmutz in deprimierenden Farbabstufungen. Es war unwahrscheinlich, dass das ursprüngliche Lila je wieder ans Tageslicht kam. Schnaufend richtete ich mich auf und pfefferte den Zweig in die Hecke neben mir. Mit dem Handrücken wischte ich mir den Nieselregen aus dem Gesicht und ließ den Blick schweifen. Weit kam er nicht. Hinter und vor mir, rechts und links rollten tief hängende Wolken die Hänge herunter und vermischten sich mit dem Dunst, der aus den Tälern aufstieg. Bei dieser Witterung konnte ich es vergessen, die Ponys zu finden. Da mussten sie mir schon direkt über den Weg laufen. Ich schloss die Augen und atmete tief aus. Dieser triste Februartag schloss sich nahtlos an die vergangenen an. Und an die dunklen, kalten Januartage zuvor. Es war, als hätte ein riesiger Staubsauger alles Licht aus der Welt gezogen. Im Sommer und Herbst war es nie so mühsam gewesen. Jetzt stolperte ich auf den Fells herum, als wäre ich zum ersten Mal hier. Vielleicht war das das Problem. Vielleicht hatte ich zuvor nie richtig hingesehen. Diese Überlegungen führten natürlich direkt zu den Erinnerungen, die ich um jeden Preis vermeiden wollte und die sich mir trotzdem jedes Mal aufdrängten, wenn ich in den Bergen war. Also so gut wie jeden zweiten Tag. Mit ihm war das alles leicht gewesen. Die Ponys hatten ihn wie magisch angezogen und er die Ponys. Es war kaum einmal vorgekommen, dass wir die Herde in den Weiten der Fells nicht gefunden hatten. Damals hatte ich mich blind darauf verlassen, aber jetzt versuchte ich, mich an jede Einzelheit zu erinnern und zu verstehen, was mir zu der Zeit entgangen war. Denn Magie hatte mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun. Ben kannte die Herde einfach in- und auswendig. Ben. Da war der Name, der meinen Körper wie immer unter Strom setzte. Die Emotionen waren so widersprüchlich, dass ich buchstäblich bebte. Aber auch jetzt, nach vier Wochen, gewann ein Gefühl die Oberhand. Nicht die Wut, nicht der Schmerz, nicht die Ratlosigkeit. Nein, wie immer griff die Sehnsucht nach meinem Herzen und quetschte es zusammen, sodass es mir vorkam, als hätte ich ein schwarzes Loch in der Brust, das an mir zerrte und zog, bis ich mich selbst ans Atmen erinnern musste. Ich schnappte nach Luft und öffnete die Augen. Wie so oft hatte ich mir eine Hand auf den Bauch gelegt, ohne dass ich es gemerkt hatte. Als könne ich damit die Gefühle im Zaum halten, die mich nur schwächten. Sie lenkten mich ab, obwohl ich meine Kraft für die Ponys brauchte. Bens Herde. Meine Herde. Nur dass sich die undankbaren Viecher nicht im Geringsten so benahmen. Ich straffte die Schultern und ging weiter. Das Schlammloch, in dem ich beinahe stecken geblieben war, reihte sich mit vielen weiteren zu einem matschigen Wirtschaftsweg aneinander, dem ich mit Mühe folgte. Ich konnte fühlen, wie tief meine Stirn gerunzelt war, und atmete langsam durch den Mund aus. Wenn die Ponys nicht aus einem halben Kilometer Entfernung Reißaus nehmen sollten, musste ich meine Laune in den Griff bekommen. Aber mir war kalt, meine Socken waren feucht, und der Regen hatte zugenommen, sodass er mir jetzt von der Nasenspitze tropfte. Meine schlechte Stimmung war so hartnäckig wie der Nebel über Whinfell Water. Eine Stunde später gab ich auf. Ich hatte drei Bäche und vier Hochebenen gequert, war ein Geröllfeld hinuntergeschlittert und hatte an mehreren Stellen, wo die Ponys gern grasten, frische Dunghaufen gefunden, aber sosehr ich auch in den Dunst lauschte, nie hatte ich ein Schnauben oder Prusten gehört. Im Winter schien Gracie die Herde auf anderen, mir unbekannten Pfaden durch die Berge zu führen. Und obwohl die Unruhe, die mich jedes Mal auf die Fells begleitete, bis ich mich davon überzeugt hatte, dass es den Ponys gut ging, immer noch in meinen Fingerspitzen kribbelte, machte ich mich auf den Heimweg. Es dämmerte schon, wie immer viel zu früh in diesem grässlichen englischen Winter, und ich wollte nicht, dass sich Silas und Laini wieder Sorgen machten. * Als ich auf den Wirtschaftsweg nach Ellondale abbog, klingelte mein Handy. »Hallo, Mama.« »Hallo, mein Schatz. Na, bist du noch in den Bergen?« Ich wechselte das Telefon zum anderen Ohr. »Gewusst oder geraten?« »Gewusst. Ich hab’s schon zweimal probiert und du hattest keinen Empfang.« Ich grinste. Kein Wunder. Die Funklöcher auf den Fells waren groß und zahlreich. Während ich mich nach Westen wandte, klagte ich ihr mein Leid. »Manchmal sind sie wirklich wie vom Erdboden verschluckt. Das sind fünfzehn Ponys! Die verstecken sich nicht mal eben hinter einem Busch. Nicht dass hier viele Büsche wachsen würden …« Mama lachte. »Früher hast du dich beschwert, wenn du Peppi vom anderen Ende der Koppel holen musstest.« Ich schnaufte. Ja, das waren andere Zeiten gewesen. In Deutschland war ich viel geritten und die Pferde in der Reitschule dort waren in Paddockboxen untergebracht gewesen. Von einer Haltung wie hier, wo die Mutterstutenherden beinahe das ganze Jahr durch die Berge streiften, oft wochenlang ohne Kontakt zu Menschen, hatte ich damals noch nicht einmal gehört. Doch Mama hatte ihr Ziel erreicht: Ich erinnerte mich wieder daran, warum ich diese langen Fußmärsche auf mich nahm. Im vergangenen Sommer hatte ich mit Pferden nichts mehr zu tun haben wollen. Das war eine Strafe gewesen, die ich mir selbst auferlegt hatte, obwohl sie mich unglücklich machte. Und dann war mir diese frei lebende Herde über den Weg gelaufen – Wildpferde, wie ich anfangs dachte, auch wenn das nicht ganz stimmte – und hatte mein Herz im Sturm erobert. Wunderschöne Ponys mit langen, seidigen Mähnen, die meisten von ihnen glänzend schwarz, mit hübschen, kleinen Köpfen und wachen Augen. Und sie durften gehen, wohin sie wollten. Ein besseres Pferdeleben konnte ich mir nicht vorstellen. Genau wie ich wusste Mama, dass mir diese Ponys ein paar Dinge über mein eigenes Leben beigebracht hatten. Und deswegen stellte sie es auch nicht infrage, dass ich überhaupt nach der Herde suchte. Mama hatte mich nie groß vor Dingen gewarnt, die anderen Eltern gefährlich vorgekommen wären. Je mehr Erfahrungen ich sammelte – und seien es schlechte –, desto mehr lernte ich, davon war sie überzeugt. Und auch wenn ich auf die eine oder andere Erfahrung hätte verzichten können, war ich froh, dass sie mich alles hatte ausprobieren lassen, was ich wollte. Aber sie hatte mich natürlich nicht angerufen, um sich nach dem Befinden der Ponys zu erkundigen. Denn es gab etwas, wovor sie mich vor nicht allzu langer Zeit doch gewarnt hatte. Und leider hatte sie recht behalten. »Wie geht es dir?«, lenkte sie das Gespräch in eine andere Richtung. Diesmal lag mehr Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme. »Gut«, antwortete ich automatisch. Etwas wahrheitsgemäßer schob ich hinterher: »Ich komme schon klar.« Mama beließ es dabei. Früher hätte sie wahrscheinlich nachgehakt, bis ich die richtigen Worte gefunden hätte, um ihr zu sagen, was mich belastete, aber sie schien zu spüren, dass ich dafür noch nicht bereit war. Sie war meine Mutter, nicht meine beste Freundin, und ich wollte ihr nicht ins Telefon heulen. Dafür hätte ich Jette gebraucht. Stattdessen erzählte sie, was gerade bei ihr und Kristof los war. Dann kam auch schon Ellonby in Sicht und wir legten auf. Während ich den Ponys ihre Abendration Heu auf die Weide brachte, ging mir das Gespräch – und vor allem das, was wir nicht gesagt hatten – noch im Kopf herum. Denn obwohl ich nicht gelogen hatte, obwohl ich klarkam, konnte ich verstehen, dass sich Mama Sorgen machte. Manchmal erkannte ich mich ja selbst kaum wieder. Ich hatte nie so sein wollen, mich von Liebeskummer nie so zerstören lassen. Ich hatte die Mädchen nie verstanden, die irgendwelchen Typen rehäugig hinterherschmachteten, noch Wochen nachdem sie abserviert worden waren. Aber das hier war kein Liebeskummer, nicht, wie ich ihn früher gekannt hatte. Es war, als würde ich nicht mehr in mein Leben gehören, als würde eine andere Valerie, eine starke, glückliche, in einer anderen Version der Wirklichkeit mein Leben weiterleben. Und ich stand daneben und sah zu. * »Hey, Tillie.« Emmy beugte sich über das Tagesbett und griff nach Tillies ausgestrecktem Händchen. Meine Nichte gluckste und ihre Augen leuchteten. Anscheinend hatte sie nicht vor, bald einzuschlafen. Laini lächelte Emmy flüchtig zu. »Milch ist im Kühlschrank«, sagte sie zu mir. »Ich hab das Handy auf lautlos gestellt, aber wenn was ist, meldet euch.« Ihr Blick flog zwischen Emmy und mir hin und her. »Okay?«, hakte sie nach. Geduldig nickte ich. Ich hatte Tillie schon so oft babygesittet, dass ich es nicht mehr zählen konnte, hatte abgepumpte Milch aufgewärmt, Tillie gefüttert, gewickelt und in den Schlaf geschaukelt. Und trotzdem war Laini nervös wie beim ersten Mal. Millimeterweise verschob sie den Flaschenwärmer, Schachteln, Messbecher, bis ich es nicht mehr mitansehen konnte und sie an den Schultern fasste. ...