E-Book, Deutsch, Band 4, 456 Seiten
Davis Eisenhand
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-751-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Fall für Marcus Didius Falco - der vierte Fall | Für die Fans von Alex Wagners historischen Krimis
E-Book, Deutsch, Band 4, 456 Seiten
Reihe: Ein Fall für Marcus Didius Falco
ISBN: 978-3-96655-751-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk. Die Website der Autorin: www.lindseydavis.co.uk Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco: »Silberschweine« »Bronzeschatten« »Kupfervenus« »Eisenhand« »Poseidons Gold« »Letzter Akt in Palmyra« »Die Gnadenfrist« »Zwielicht in Cordoba« »Drei Hände im Brunnen« »Den Löwen zum Fraß« »Eine Jungfrau zu viel« »Tod eines Mäzens« »Eine Leiche im Badehaus« »Mord in Londinium« »Tod eines Senators« »Das Geheimnis des Scriptors« »Delphi sehen und sterben« »Mord im Atrium« Ebenfalls bei dotbooks erscheint der historische Roman »Die Gefährtin des Kaisers«, der auch im Sammelband »Die Frauen der Ewigen Stadt« erhältlich ist.
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Kapitel 2
Auf dem Forum ging das Leben seinen gewohnten Gang. Unter den Anwälten herrschte Panik. Der letzte Augusttag ist auch der letzte Termin zur Vorlage neuer Fälle vor der Winterpause; folglich ging es in der Basilika Julia zu wie in einem Bienenstock. Wir schrieben mittlerweile die Nonen des September, und die meisten Advokaten – noch rosig angehaucht vom Urlaub in Baiae – beeilten sich, rasch ein paar drängende Fälle zu klären, um ihr Image aufzupolieren, bevor die Gerichte dichtmachten. Überall auf der Rostra hatten sie ihre lärmenden Schlepper verteilt, die Stimmungsmacher anheuerten, in die Basilika zu stürmen und die Gegenpartei auszupfeifen. Ich drängte sie beiseite. Im Schatten des Palatin folgte eine gemächliche Prozession von Funktionären eines Priesterkollegiums einer ältlichen, weißgewandeten Jungfrau ins Haus der Vestalinnen. In ihrem Blick lag der Hochmut einer schwachsinnigen Alten, der Männer, die es besser wissen sollten, den lieben langen Tag Respekt zollen. Auf den Stufen der Tempel von Saturn und Kastor drängten sich derweil sexbesessene Faulenzer und verschlangen alles (nicht nur das Weibervolk), was ein paar kesse Pfiffe wert schien, mit ihren Blicken. Ein wutschnaubender Ädil hetzte seine Meute auf einen Betrunkenen, der den Fehler begangen hatte, ausgerechnet auf der Sonnenuhr vor dem Goldenen Meilenstein umzukippen. Das Wetter war noch ganz sommerlich. Es roch scharf nach dampfendem Eselskot.
Vor kurzem hatte ich ein kleines Stück Wand auf dem Tabularium erobert. Ich war mit einem Schwamm bewaffnet angerückt, und ein paar geschickte Säuberungsmaßnahmen löschten alsbald die Wahlpropaganda aus, die bislang das antike Gemäuer verunziert hatte (Mit voller Unterstützung der Maniküre-Mädchen aus den Agrippaschen Bädern … dann folgte der Name eines distinguierten Kandidaten). Die Tilgung dieses aufdringlichen Schwachsinns von unserem architektonischen Erbe gab mir, genau in Augenhöhe, reichlich Platz für meine eigenen Graffiti!
DIDIUS FALCO
FÜR JEGLICHE
DISKRETE
NACHFORSCHUNGEN
BEI GERICHT
ODER
FAMILIENINTERN
AUSGEZ.
REFERENZEN
GÜNSTIGE TARIFE
ADR.:
WÄSCHEREI ADLER
BRUNNENPROMENADE
Verlockend, was?
Ich wußte, wer wahrscheinlich auf so eine Annonce reagieren würde: zwielichtige Zollbeamte, die reichen Witwen den Hof machten und genaueren Einblick in deren Finanzlage wünschten, oder der Wirt einer Ecckneipe, dem seine Kellnerin abhanden gekommen war.
Beamte zahlen lausig oder nie, aber Wirte können ganz nützlich sein. Ein Privatermittler kann wochenlang nach einem verlorenen Frauenzimmer fahnden, und wenn er es leid wird, sich in Weinschenken rumzudrücken (falls es je soweit kommt), braucht er dem Klienten bloß zu flüstern, daß man vermißte Kellnerinnen in der Regel mit eingeschlagenem Schädel unter den Dielenbrettern ihres Liebsten versteckt findet. Daraufhin wird die Rechnung ultrafix beglichen, und manchmal verläßt der fragliche Wirt obendrein noch für längere Zeit die Stadt – ein Gewinn für Rom. Mir gefällt der Gedanke, daß meine Arbeit auch dem Gemeinwohl dient.
Natürlich kann man sich mit so einem Wirt auch viel Ärger einhandeln, nämlich dann, wenn das Mädchen wirklich durchgebrannt ist, auf und davon mit einem Gladiatoren vielleicht. Man sucht womöglich wochenlang, bringt es aber am Ende vor lauter Mitleid mit dem armen Tropf, der seinem billigen Turteltäubchen nachtrauert, nicht übers Herz, ihm das fällige Honorar abzuknöpfen.
Ich ging in die Thermen, um mit meinem Trainer ein bißchen Gymnastik zu machen, für den Fall, daß ich einen Auftrag ergattern sollte, der körperlichen Einsatz verlangte. Dann machte ich mich auf die Suche nach meinem Freund Petronius Longus. Der kam als Hauptmann der Aventinischen Wache mit allen möglichen Typen zusammen, nicht zuletzt mit jenen gewissenlosen Individuen, die vielleicht meiner Dienste bedurften. Petro vermittelte mir öfter mal einen Fall, und sei es nur, um dadurch lästige Kunden loszuwerden.
Da er in keinem seiner Stammlokale war, ging ich schließlich zu ihm nach Hause. Aber dort begegnete ich bloß seiner Frau – eine unwillkommene Freude. Arria Silvia war ein zierliches, hübsches Persönchen; sie hatte schmale Hände, ein reizendes Näschen und dazu die zarte Haut und die feinen Brauen eines Kindes. Innerlich allerdings war Silvia ganz und gar nicht zartbesaitet, was ihre herzhaft schlechte Meinung von mir bewies.
»Wie geht es Helena, Falco? Hat sie dich schon verlassen?«
»Noch nicht, nein.«
»Kommt schon noch«, versprach Silvia.
Das war Flachserei, wenn auch recht bissige, weshalb ich mich tunlichst bedeckt hielt. Ich bat sie, Petro auszurichten, daß ich gegenwärtig nicht gerade ausgebucht sei, dann verdrückte ich mich schleunigst.
Da ich schon mal in der Gegend war, schaute ich gleich noch bei meiner Mutter vorbei; Ma machte Besuche. Ich war nicht in der Stimmung, mir die Klagen meiner Schwestern über ihre Männer anzuhören; deshalb beschloß ich, meine Verwandten für heute abzuschreiben (was mir nicht schwerfiel), und ging heim.
Dort empfing mich eine alarmierende Szene. Ich hatte eben das stinkende Gäßchen von Lenias Wäscherei überquert, der diebischen Billigreinigung, die sich im Erdgeschoß unseres Hauses befand, als ich einen Trupp hartgesottener Flegel bemerkte, die, in schimmernder Brustwehr, an der Treppe herumlungerten – offenbar sehr bemüht, nicht aufzufallen. Eine schwere Aufgabe, denn allein die Schlachtszenen auf ihren Harnischen waren so auf Hochglanz, poliert, daß eine Wasseruhr davor stehengeblieben wäre, von Passanten ganz zu schweigen. Zehn neugierige Kinder hatten schon einen Kreis um sie gebildet, begafften ihre scharlachroten Federbüsche und forderten sich gegenseitig zu der Mutprobe heraus, den mächtigen Männern einen Stecken zwischen die Schnürsenkel zu bohren. Es waren Prätorianer, die kaiserliche Leibwache. Der ganze Aventin wußte bestimmt schon, daß sie vor meiner Tür standen.
Ich konnte mich nicht entsinnen, in letzter Zeit beim Militär angeeckt zu sein; deshalb setzte ich eine Unschuldsmiene auf und ging weiter. Außerhalb ihrer gewohnten vornehmen Umgebung wirkten die Helden ziemlich nervös. Es überraschte mich daher nicht, als ich am Eingang barsch von zwei gekreuzten Speeren angehalten wurde.
»Ruhig, Jungs, daß ihr mir nur ja keinen Faden zieht – diese Tunika soll noch ein paar Jahre halten …«
Ein Wäschereimädchen, das aus dem dampfenden Verschlag gestürmt kam, trug auf dem Gesicht ein spöttisches Lächeln und im Arm einen Korb voll besonders widerlicher, ungewaschener Klamotten. Das höhnische Lächeln galt mir.
»Na, Freunde von dir?« fragte sie spitz.
»Beleidige mich nicht! Die Herren wollen sicher einen Übeltäter verhaften und haben sich verlaufen.«
Die Wache war offenbar nicht hier, um jemanden festzunehmen. Nein, irgendein Glückspilz in diesem verkommenen Winkel der Stadt hatte Besuch von einem Mitglied der kaiserlichen Familie, und zwar inkognito – abgesehen von der auffallenden Entourage natürlich.
»Was ist denn hier los?« fragte ich den kommandierenden Zenturio.
»Streng vertraulich – gehen Sie gefälligst weiter!«
Inzwischen hatte ich erraten, wer das Opfer war (ich) und was hinter dem hohen Besuch steckte (man wollte mich überreden, den Auftrag in Germanien anzunehmen, vor dem Momus mich gewarnt hatte). Mir schwante alles mögliche. Wenn der Auftrag so speziell oder so dringend war, daß er einen derartigen personellen Aufwand rechtfertigte, dann würde er bestimmt auch Anstrengungen erfordern, wie sie mir verhaßt waren. Wer von den Flaviern mochte es wohl gewagt haben, seine fürstlichen Zehen in den stinkenden Morast unserer Gasse zu stecken?
Kaiser Vespasian stand zu hoch im Rang und war sich dessen auch zu sehr bewußt, um sich einfach unters Volk zu mischen. Außerdem war er schon über sechzig und hätte die vielen Treppen in meinem Haus bestimmt nicht mehr geschafft.
Seinem jüngeren Sohn Domitian war ich einmal flüchtig begegnet, als ich ein schmutziges Geschäft des jungen Cäsar aufgedeckt hatte. Seither wäre es ihm am liebsten, wenn ich von der Erdoberfläche verschwinden würde, und ich wünschte ihm umgekehrt von Herzen das gleiche, aber offiziell und auf gesellschaftlichem Parkett ignorierten wir einander.
Blieb nur Titus.
»Titus Cäsar zu Besuch bei Falco?« Impulsiv genug war er dafür. Um dem Offizier klarzumachen, daß ich solche Geheimnistuerei verabscheute, schob ich die eindrucksvoll polierten Speerspitzen behutsam auseinander und sagte: »Ich bin Marcus Didius. Ihr solltet mich passieren lassen, damit ich erfahre, welche Freuden die Bürohengste auf dem Palatin sich jetzt wieder für mich ausgedacht haben …«
Sie ließen mich durch, wenn auch mit spöttischem Blick. Vielleicht hatten sie ja angenommen, ihr heroischer Feldherr habe sich zu einer schlüpfrigen Liebschaft mit einer aventinischen Maid herabgelassen.
Ohne jede Eile – schließlich war ich ein glühender Republikaner – begab ich mich nach oben.
Als ich eintrat, unterhielt sich Titus mit Helena. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Der Blick, den ich die Prätorianer hatte wechseln sehen, ergab auf einmal durchaus einen Sinn. Mir kam der Verdacht, ich sei bis jetzt ein rechter Narr gewesen. Helena saß draußen auf dem Balkon, einem winzigen Ding, das gefährlich wackelig am Gemäuer klebte und dessen bröckelige Steinstützen vor allem die zwanzig Jahre alte Schmutz- und Rußschicht an der Hauswand festhielten. Für einen ungeschliffenen Kerl wie mich war auf der Bank zwar genügend Platz neben ihr, aber Titus war höflich neben der Falttür stehengeblieben. Von hier...




