E-Book, Deutsch, Band 6, 520 Seiten
Davis Letzter Akt in Palmyra
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-757-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Fall für Marcus Didius Falco - Der sechste Fall | Mord und Totschlag in der Wüste von Petra
E-Book, Deutsch, Band 6, 520 Seiten
Reihe: Ein Fall für Marcus Didius Falco
ISBN: 978-3-96655-757-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk. Die Website der Autorin: www.lindseydavis.co.uk Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco: »Silberschweine« »Bronzeschatten« »Kupfervenus« »Eisenhand« »Poseidons Gold« »Letzter Akt in Palmyra« »Die Gnadenfrist« »Zwielicht in Cordoba« »Drei Hände im Brunnen« »Den Löwen zum Fraß« »Eine Jungfrau zu viel« »Tod eines Mäzens« »Eine Leiche im Badehaus« »Mord in Londinium« »Tod eines Senators« »Das Geheimnis des Scriptors« »Delphi sehen und sterben« »Mord im Atrium« Ebenfalls bei dotbooks erscheint der historische Roman »Die Gefährtin des Kaisers«, der auch im Sammelband »Die Frauen der Ewigen Stadt« erhältlich ist.
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Kapitel 1
»Das ist doch gefährlich! Dabei könnte jemand umkommen«, rief Helena.
Ich grinste, den Blick erwartungsvoll auf die Arena gerichtet. »Darum geht es ja gerade.« Den blutrünstigen Zuschauer zu mimen, fällt einem Römer nicht schwer.
»Ich mache mir Sorgen um den Elefanten«, murmelte sie. Das Tier machte einen zögernden Schritt die Rampe hinauf. Der Trainer war verwegen genug, es an den Zehen zu kitzeln.
Meine Sorge galt eher dem Mann daneben, der, sollte der Elefant fallen, dessen volles Gewicht abbekommen würde. Allerdings hielt sich meine Besorgnis in Grenzen. Ich war froh, ausnahmsweise nicht selbst in Gefahr zu sein.
Helena und ich saßen sicher in der ersten Reihe von Neros Circus auf der anderen Seite des Flusses außerhalb von Rom. Der Circus hatte eine blutige Geschichte, wurde aber dieser Tage nur noch für vergleichsweise harmlose Wagenrennen benutzt. Ein Obelisk aus rotem Granit, den Caligula aus Heliopolis importiert hatte, beherrschte das langgestreckte Areal. Der Circus lag in den Gärten der Agrippina am Fuße des Mons Vaticanus. Ohne die Menschenmengen und die in lebende Fackeln verwandelten Christen herrscht eine geradezu friedliche Stimmung. Nur gelegentliche kurze »Hopp!«-Rufe der übenden Akrobaten und Seiltänzer und leise Ermutigungen des Elefantentrainers waren zu hören.
Wir waren die einzigen Zuschauer dieser recht gefahrvollen Übung. Zufällig kannte ich die Direktorin der Truppe. Das Nennen ihres Namens hatte mir am Startgatter Einlaß verschafft und ich wartete jetzt auf eine Gelegenheit, mit ihr zu reden. Ihr Name war Thalia. Sie war eine gesellige Person, die sich nicht damit aufhielt, ihre körperlichen Reize unter etwas so Überflüssigem wie Kleidern zu verbergen, also war meine Freundin mitgekommen, um mich zu beschützen. Als Senatorentochter hatte Helena Justina strikte Ansichten über das Maß an moralischer Gefahr, der sich der Mann, mit dem sie zusammenlebte, aussetzen durfte. Als Privatermittler mit unbefriedigender Auftragslage und dunkler Vergangenheit hatte ich mir das wohl selbst zuzuschreiben.
Über uns wölbte sich ein Himmel, den ein schlechter Poet mit Sicherheit als azurblau bezeichnet hätte. Es war Anfang April, und der Morgen kündigte einen schönen Tag an. Auf der anderen Seite des Tiber war jedermann in der Kaiserstadt damit beschäftigt, Girlanden für die bevorstehenden Frühlingsfeste zu winden. Wir befanden uns im dritten Jahr der Regierung Vespasians, und es war eine Zeit eifrigen Wiederaufbaus der in den Bürgerkriegen zerstörten und ausgebrannten öffentlichen Gebäude. Auch mir stand der Sinn nach ein wenig Aufmöbelung.
Thalia hatte offensichtlich genug von den Vorgängen in der Arena, denn sie sagte den Trainern ein paar barsche Worte über ihre kaum sittsam bedeckte Schulter hinweg und kam herüber, um uns zu begrüßen. Hinter ihr sahen wir die Männer den noch sehr jungen Elefanten die Rampe zu einem Podium hinauflocken; von dort aus hatten sie hoffnungsvoll ein Drahtseil gespannt. Der kleine Elefant konnte das Seil noch nicht sehen, wußte aber bereits, daß ihm das bisherige Trainingsprogramm ganz und gar nicht gefiel.
Thalias Näherkommen ließ auch meine Bedenken wachsen. Diese Frau hatte nicht nur einen interessanten Beruf, sondern auch ungewöhnliche Freunde. Einer davon lag wie ein Schal um ihren Hals drapiert. Ich hatte ihn schon einmal näher kennengelernt, und die Erinnerung daran ließ mich nach wie vor erbleichen. Ihr Freund war eine Schlange von bescheidener Größe, aber gewaltiger Neugier. Ein Python – eine dieser beklemmenden Arten. Offensichtlich erinnerte er sich an unser letztes Treffen, denn er reckte sich mir so entzückt entgegen, als wolle er mich am liebsten zu Tode quetschen. Züngelnd erkundete er die Luft.
Auch im Umgang mit Thalia war Vorsicht geboten. Mit ihrer eindrucksvollen Größe und der rauhen Stimme, die durch die Arena hallte, war sie eine beeindruckende Erscheinung. Außerdem gelang es nur wenigen Männern, die Augen von ihren Formen loszureißen. Momentan waren diese in alberne, safrangelbe Gazestreifen gehüllt, befestigt mit enormen Broschen, die jedem die Knochen brechen würden, der sie aus Versehen auf den Fuß bekam. Ich mochte Thalia. Und ich hoffte inständig, daß sie mich auch mochte. Wer will sich schon mit einer Frau anlegen, die sich mit einer lebenden Pythonschlange schmückt?
»Falco, du lächerliche Mißgeburt!« Nach einer der Grazien benannt zu sein, hatte ihr Benehmen nicht beeinflußt.
Mit gespreizten Beinen das Gewicht der Schlange ausgleichend, blieb sie vor uns stehen. Ihre schwellenden Hüften waren unter dem dünnen Gewebe unübersehbar. Reifen, so groß wie die Ruderdollen einer Tireme, schlossen sich fest um ihre Arme. Ich begann mit dem Vorstellen, doch keiner hörte mir zu.
»Ihr Gigolo wirkt ziemlich schlapp!« schnaubte Thalia, an Helena gewandt, und nickte dabei in meine Richtung. Die beiden waren sich noch nie begegnet, aber Thalia scherte sich nicht um irgendwelche Etikette. Der Python beäugte mich jetzt von Thalias ansehnlichem Busen aus. Er schien träger als sonst, erinnerte mich aber trotzdem mit seiner geringschätzigen Haltung an meine Verwandten. Seine kleinen Schuppen fügten sich zu einem hübschen, rombenförmigen Muster zusammen. »Was ist los, Falco? Bist du gekommen, um mein Angebot anzunehmen?«
Ich probierte meine Unschuldsmiene. »Ich hatte doch versprochen, mir mal deine Nummer anzusehen, Thalia.« Das klang, als sei ich noch grün hinter den Ohren, kaum der Toga praetexta entwachsen, und hielte meine erste feierliche Rede vor dem Gericht in der Basilica. Zweifellos hatte ich den Fall bereits verloren, noch bevor der Gerichtsdiener die Wasseruhr in Gang setzen konnte.
Thalia zwinkerte Helena zu. »Mir hat er erzählt, er wäre von Zuhause ausgerissen, um Löwenbändiger zu werden!«
»Helena zu bändigen, nimmt all meine Zeit in Anspruch«, warf ich ein.
Helena antwortete Thalia, als hätte ich nie den Mund aufgemacht. »Mir hat er erzählt, er wäre Großgrundbesitzer mit einer riesigen Olivenplantage in Samnium, und wenn es mir gelänge, ihn bei Stimmung zu halten, würde er mir die sieben Weltwunder zeigen.«
»Tja, wir machen alle mal Fehler«, meinte Thalia mitfühlend.
Helena Justina überkreuzte die Fesseln und brachte den bestickten Besatz ihres Rockes zum Schwingen. Es waren überwältigende Fesseln. Sie konnte ein überwältigendes Geschöpf sein.
Thalia unterzog sie einer erfahrenen Musterung. Von unseren früheren Begegnungen kannte Thalia mich als zwielichtigen Privatermittler, der sich für einen Hungerlohn mit trostlosen Aufträgen abplagte und dafür auch noch von der Allgemeinheit verachtet wurde. Und jetzt stand sie meiner unerwartet vornehmen Freundin gegenüber. Helena gab sich als kühle, ruhige, ernsthafte Person, die aber eine Kohorte betrunkener Prätorianer mit ein paar scharfen Worten zum Schweigen bringen konnte. Außerdem trug sie ein exorbitant teures Filigranarmband aus Gold, das allein der Schlangentänzerin schon einiges sagen mußte: Obwohl sie hier mit jemand so Unbedeutendem wie mir saß, war mein Mädchen eine Patrizierin mit altem Geld.
Nachdem sie den Schmuck taxiert hatte, wandte sich Thalia mir wieder zu. »Dein Glück hat sich gewendet!« Das stimmte. Ich nahm das Kompliment mit glücklichem Lächeln entgegen.
Helena ordnete anmutig die Falten ihrer seidenen Stola. Sie wußte, daß ich sie nicht verdiente und das auch wußte.
Sanft nahm Thalia den Python ab, wand ihn um einen Pfahl und setzte sich zu uns. Das Geschöpf, das mich die ganze Zeit in Unruhe versetzt hatte, streckte sofort seinen stumpfen, dreieckigen Kopf vor und schaute uns aus seinen geschlitzten Augen finster an. Ich widerstand dem Drang, meine Füße anzuziehen und weigerte mich, mir von diesem beinlosen Ungeheuer Angst machen zu lassen. Außerdem können sich hastige Bewegungen in Gegenwart einer Schlange als fatal erweisen.
»Jason hat dich richtig ins Herz geschlossen!« kicherte Thalia.
»Ach, er heißt also Jason?«
Noch ein Ideechen näher, und ich würde Jason mit meinem Messer aufspießen. Ich hielt mich nur zurück, weil ich wußte, wie sehr Thalia an ihm hing. Jason in einen Schlangenledergürtel zu verwandeln, hätte sie wahrscheinlich verärgert. Der Gedanke an das, was Thalia wohl mit jemand anstellte, der sie verärgerte, war noch beunruhigender, als sich von ihrer Schlange knutschen zu lassen.
»Er sieht momentan ein bißchen krank aus«, erklärte sie Helena. »Sehen Sie, wie milchig seine Augen sind? Er wird sich bald wieder häuten. Jason wächst noch und braucht alle paar Monate was Neues zum Anziehen. Das macht ihn für über eine Woche ziemlich launisch. Für öffentliche Auftritte ist er dann nicht zu gebrauchen; man weiß nie, was ihm gerade einfällt. Glauben Sie mir, das ist schlimmer, als mit einem Trupp junger Mädchen zu arbeiten, die sich jeden Monat wimmernd ins Bett verkriechen …«
Helena schien eine passende Antwort parat zu haben, aber ich unterbrach die beiden Frauen, bevor ihr Gespräch in allzu weibliche Gefilde abglitt. »Und wie läuft das Geschäft, Thalia? Der Mann am Tor sagt, du hättest Frontos Nachfolge angetreten.«
»Jemand mußte die Sache in die Hand nehmen. Entweder ich, oder irgendein verdammter Mann.« Thalia hatte nie viel für Männer übrig gehabt. Keine Ahnung, warum, ihre Bettgeschichten waren allerdings schrecklich.
Der Fronto, auf den ich anspielte, war ein Importeur exotischer Raubtiere für die Arena und ein Organisator noch exotischerer Vorstellungen für dekadente Bankettgäste gewesen. Er war einer plötzlichen Unpäßlichkeit zum Opfer gefallen in Form eines Panthers, der ihn verspeiste. Offenbar leitete Thalia...




