Dawson | Meat Market – Schöner Schein | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Dawson Meat Market – Schöner Schein

Was es heißt, ein Model zu werden
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-646-93031-3
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Was es heißt, ein Model zu werden

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-646-93031-3
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Faszinierend, realistisch und gnadenlos gut - die britische Bestseller-Autorin Juno Dawson wirft einen spannenden Blick hinter die Kulissen der Modebranche. Jana Novaks Geschichte klingt wie das typische Model-Klischee: Eine schlaksige 16-Jährige, die nie zu den Hübschen zählte, wird auf der Straße entdeckt und über Nacht zum Star der Modebranche. Jana ist fasziniert von der neuen Welt, den vielen Chancen: Reisen, Partys, Begegnungen mit Kreativen und Promis. Aber schnell lernt sie auch die Schattenseiten kennen. Das, was sich hinter der schönen Fassade versteckt. Denn das Business ist hart, die jungen Models sind leichte Beute. Und je höher man steigt, desto tiefer der Fall ... Der perfekte Jugendroman mit einer starken jungen Heldin - diese authentische Geschichte aus der Welt der Models steckt voller Action und Emotionen und entwickelt einen unglaublichen Sog.

Juno Dawson veröffentlicht regelmäßig Beiträge in diversen Magazinen und Zeitungen, u. a. im Guardian und in Glamour. Vor allem aber schreibt sie spannende Romane und engagierte Sachbücher für Jugendliche. Ihre Geschichten wurden mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt. Juno Dawson lebt und schreibt in Brighton. Mehr über die Autorin unter @junodawson oder auf junodawson.com.
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Alle Novaks sind ziemlich groß geraten. Dad auf jeden Fall, Mum eigentlich auch, Milos: eindeutig. Was blieb mir also anderes übrig?

Vor dem Spiegel in meinem Zimmer, das unterm Dach liegt und daher überall diese nervigen Schrägen hat, muss ich mich immer leicht bücken. Richtig aufrecht stehen kann ich ungelogen nur ganz in der Mitte.

War es am Ende doch nur eine Halluzination? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendwer mich irgendwas modeln lassen würde. Ja, ich bin verdammt groß, und Models haben groß zu sein, aber das da im Spiegel ist doch ein überdimensionaler, ungelenker Freak. Ich tue nur so, als würde ich die Spötteleien in der Schule nicht hören: Riesin, She-Hulk, Madame Maxime, Transe, Goliath, Lady Frankenstein, Slenderman (den fand ich sogar irgendwie witzig), Bohnenstange, Olive Oyl, Queen Kong – ich kenne sie alle. Und wenn es nicht um meine Größe geht, geht es um mein Gewicht: Oh, die muss magersüchtig sein. Guck mal, wie klapprig ihre Beine sind! Als würde sie auf Stelzen laufen! Um dem entgegenzuwirken, esse ich oft und mit großer Geste Käsechips. Ach so, dann wohl Bulimie.

Jedenfalls bücke ich mich vor meinem Spiegel und habe den einen Bikini angezogen, den ich besitze. Lila mit dunkelblauen Punkten. Einmal hatte ich ihn in Gebrauch – vor zwei Jahren auf Mykonos –, fühlte mich aber zu nackt darin, um ihn öffentlich zu tragen, und zog die gesamte Woche lang mein T-Shirt nicht aus. Kam so goth-artig käsig, wie ich hingefahren war, auch wieder zurück. Heute werde ich das Ding doch noch vor Fremden tragen müssen. Wurde mir schon angekündigt. Ist wohl nur fair, dass sie meinen Körper in Augenschein nehmen wollen. Der sieht nur leider ganz merkwürdig aus. Ist kein heißer Kardashian-Körper. Nicht mal ansatzweise. Statt Titten und Arsch nichts als Gräten und Gelenke. Als hätte ein Beutel Knochen das Laufen gelernt. Und dank der von Dad geerbten Hakennase bin ich nicht mal vom Gesicht her irgendwie niedlich.

Die Jungs in der Schule stehen auf Emily Potter (D-Körbchen) oder Tiana Blake (Doppel-D), nicht auf mich. Was vollkommen okay ist, weil ich ja Ferdy habe, und solange er mich mag, kümmert mich alles andere einen Scheiß.

Boah. Was zur Hölle soll man anziehen für einen Modelagenturtermin? Ich habe keine hübschen Klamotten. Hübsche Klamotten passen mir nicht. Ich muss zu den »Überlängen« greifen, weil mir sonst die Ärmel nur bis zum Ellbogen gehen.

Letzten Endes entscheide ich mich für eine Skinny-Jeans, mein schwarz-weiß gestreiftes T-Shirt, das laut Laurel französisch und damit schätzungsweise irgendwie modisch aussieht, und ziehe dazu die unvermeidlichen einst weißen Converse an.

Obwohl mein Magen vor Nervosität auf die Größe einer Rosine geschrumpft ist, stapfe ich die Treppe hinunter zum Frühstück. Genauso ging es mir während der Prüfungen, die ich auf Imodium und Hoffnung hinter mich brachte.

»Seht her, da kommt das Model«, verkündet Milos. Sarkastischer kleiner Mistkerl.

Im Vorbeigehen kriegt er eins auf die Ohren. »Halt die Klappe.«

»Mum! Hast du das gesehen? Jana hat mich tätlich angegriffen!«

»Kein Wunder«, sagt Mum und reicht mir einen Teller, auf dem ein Bagel liegt. »Bitte iss.«

»Wahrscheinlich trage ich einen Hirnschaden davon, aber was soll’s.« Beleidigt lässt Milos seinen Teller in die Spülmaschine fallen und verschwindet im Bad, um sich für die Schule fertig zu machen. Er muss noch zwei Wochen weiter büffeln. Dumm gelaufen, Arschnase.

Als ich Nutella auf meinen Bagel schmiere, knurrt mein Magen. Vielleicht will er ja doch was zu tun kriegen. »Tee für dich? Kaffee? Saft?« Mum sitzt nie still, auch jetzt flattert sie schon wieder im Zimmer umher wie eine Motte auf Crack. Ich frage mich, ob wir deswegen alle so dünn sind. Weil wir nicht relaxen können.

»Saft, bitte. Ist noch Apfel da?«

»Milos hat ihn getrunken. Orange ist da.«

»Mum, der Apfelsaft soll für mich sein. Milos trinkt ihn mit Absicht leer! Er mag ihn eigentlich nicht mal!«

Mum wirft die Arme hoch. »Ich kaufe neuen später.«

»Wo ist Dad?« Die Tür, die von der Küche in unseren kleinen Garten führt, steht offen. Vielleicht frühstückt er ja draußen. Heute scheint wieder ein herrlicher Tag zu werden. Der heißeste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, so sagen sie in den Nachrichten.

»Arbeiten.«

»Ach. Wollte er nicht mitkommen?«

»Geht nicht. Frühschicht.« Dad arbeitet als Bahnführer auf der Bakerloo Line. Blöde Frühschicht. Zumindest er ist auf meiner Seite. Mum hingegen … »Jana. Bist du dir sicher, du willst dahin?«

Ich verdrehe die Augen und nehme einen großen Schluck Orangensaft. »Bäh, der mit dem Fruchtfleisch? Eklig. Warum kaufst du immer –«

»Jana Katharina.« Uff. Das war ein Rüffel.

Ich seufze. »Dad ist doch auch dafür.«

»Hier geht es nicht um deinen Vater. Was denkst du

»Ich denke …« Den Rest des Satzes formuliere ich mit Vorsicht, weil Mum nie etwas vergisst und potenziell jedes Wort bei künftiger Gelegenheit gegen mich verwenden würde. »Ich denke, dass man immerhin mal hingehen und gucken könnte, was sie zu sagen haben. Meinst du nicht?« Sie verzieht das Gesicht, als hätte sie sich drei Zitronenscheiben auf einmal in den Mund geschoben. Das ist ihre NICHT-GLÜCKLICH-Miene. »Mum?«

»Ich denke, wenn du willst modeln, kannst du das in zwei Jahren machen, nach deinem Abschluss.«

Sie versteht es nicht. Normalerweise verkneife ich mir Widerworte, aber das hier ist etwas anderes. Es ist nicht wie damals mit zwölf, als ich aus einer Laune heraus Geige lernen wollte. Einerseits hat Mum natürlich irgendwie recht. Modeln war nie mein Traumberuf oder so. Vielmehr wollte ich als Kind entweder Stewardess oder Dinosaurier werden. Andererseits ist mir die Möglichkeit mit dem Modeln einfach so in den Schoß gefallen. Das kann ich doch nicht ignorieren.

»Mum, überleg doch mal. Was, wenn hier gilt: jetzt oder nie? Was, wenn ich nur diese eine Riesenchance kriege, und wenn ich die nicht ergreife, dann – peng – platzt die Sache? Was, wenn sie mich in zwei Jahren nicht mehr wollen? Was, wenn ich dann mein Leben lang ein Was-wäre-gewesen mit mir herumschleppen muss? Ich will mich auf dem Sterbebett nicht fragen müssen, was ich alles verpasst habe. Deswegen lass mich das jetzt bitte ausprobieren.«

Mum lächelt. »Du hast ein Problem.« Sie zwickt mir sanft ins Kinn. »Dein Problem ist, du bist viel zu schlau.« Ich lache. Sie räumt weiter die Spülmaschine ein. »Immer dein Großvater hat das zu mir gesagt.«

Über ihn oder meine Großmutter spricht sie eigentlich nie. Milos und ich haben gelernt, nicht nach dem Krieg zu fragen.

Mit einem einzigen Happs verputze ich die zweite Bagelhälfte. »Vielleicht wollen sich mich eh gar nicht haben«, sage ich. »Vielleicht hatte Tom Carney einen Sonnenstich.« Man bedenke die Beanie bei fünfundzwanzig Grad im Schatten.

Zur Poland Street fährt man am besten von Clapham Junction aus. Nachdem ich mir nach dem Frühstück die Zähne geputzt habe und einen kleinen Nervositätsschiss losgeworden bin, nehmen Mum und ich die Abkürzung zur Bahnstation. Mum sagt, als Dad und sie nach England kamen, war unsere Siedlung noch eine richtig üble Gegend, in der sich nie ein Polizist blicken ließ und jede Woche wer abgestochen wurde. Doch mittlerweile, wenn man von den grottenhässlichen Gebäuden mal absieht, lässt es sich in der Winstanley ziemlich gut leben. Auf der neuen Grünfläche kann man schaukeln und rutschen, rechts und links der Straße wurden Bäume gepflanzt und vom karibischen Café an der Ecke her riecht’s den ganzen Tag nach Jerk Chicken. Worüber will man da meckern?

Wir nehmen die Overground bis Vauxhall und steigen von dort in die Victoria Line um. Selbst fürs Handygedaddel bin ich zu nervös und starre stattdessen aus dem Fenster, während Mum die Metro durchblättert. Weil Mum an jeder Ecke Mörder und Terroristen wähnt, lässt sie mich nur ungern allein in die Innenstadt fahren (und »allein« bin ich in ihrer Welt auch dann, wenn Laurel, Sabah, Ferdy oder Robin dabei sind). Trotzdem finde ich natürlich den Weg zum großen Topshop im Schlaf. Mum weiß hingegen mit London immer noch nicht richtig was anzufangen. Die Stadt macht sie fertig, sagt sie. Manchmal redet sie sogar davon, »wieder nach Hause« zu gehen. Worunter wiederum ich mir nichts vorstellen kann.

Jedenfalls hat sie seit dem Thorpe Park mehr als einmal mit Tom Carney telefoniert, der ihr – ungeachtet der Tatsache, dass die Agentur natürlich dick und fett bei Google Maps steht – eine detailverliebte, idiotensichere Wegbeschreibung geliefert hat. Dass ich überhaupt hinfahren darf, kostete ihn einige Überredung. Wahrscheinlich dachte Mum, dass er mich als Sexsklavin verkaufen will oder etwas in der Richtung. Erst der Satz »Mrs Novak, wir vertreten Clara Keys« besänftigte ihr Misstrauen. Von ihr hat selbst meine Mum schon gehört. Wie könnte es anders sein, schließlich wohnen wir in Claras Viertel. Na ja, früherem Viertel.

Beim Aussteigen am Oxford Circus ignorieren wir einen gruseligen Typen mit Zahnlücken, der mich als »hübsches Liebchen« betitelt – London, oder? Hier wird’s nie langweilig. Bis zum Büro von Prestige sind’s nur ein paar Schritte über die Oxford Street. Obwohl die Rushhour schon lange vorbei ist, sind hier unzählige Londoner unterwegs, die kaum je von...


Juno Dawson veröffentlicht regelmäßig Beiträge in diversen Magazinen und Zeitungen, u. a. im Guardian und in Glamour. Vor allem aber schreibt sie spannende Romane und engagierte Sachbücher für Jugendliche. Ihre Geschichten wurden mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt. Juno Dawson lebt und schreibt in Brighton.

Mehr über die Autorin unter @junodawson oder auf junodawson.com.



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