Dejung | Emil Oprecht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 376 Seiten

Dejung Emil Oprecht

Der Verleger Europas
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-95890-598-6
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Verleger Europas

E-Book, Deutsch, 376 Seiten

ISBN: 978-3-95890-598-6
Verlag: Europa Verlage
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Verleger Emil Oprecht (1895–1952) verkörperte in einer Zeit, in der sich alle bedroht fühlten, die ausstrahlende Zuversicht, dass den großen Diktatoren die Macht nicht überlassen werden darf. Er war erfüllt vom Willen zu helfen, den er auch in anderen weckte. Oprecht und seine Frau Emmie beherbergten nicht nur ungezählte Flüchtlinge bei sich zu Hause und beschafften Visa und Pässe für viele von ihnen. Dadurch wurde das Verlagshaus und die Wohnung der Oprechts in der Zeit des Nationalsozialismus zur Anlaufstelle verfolgter Kunstschaffender und Intellektueller aus ganz Europa.
1925 gründete Oprecht seine Buchhandlung in Zürich und 1933 den berühmten Europa-Verlag. Zu den über hundert renommierten ExilautorInnen gehörten u.a. Else Lasker-Schüler, Heinrich Mann und Golo Mann, Ernst Bloch, Ignazio Silona und Max Horkheimer. Ihre Werke musste Oprecht oft gegen Druck aus dem Ausland und gegen die heimische Zensur verteidigen.
Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill bedankten sich persönlich bei Oprecht für sein Engagement.

Dejung Emil Oprecht jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1
Eine Ehe schließen
Die wichtigste Wendung, die die Biografie von Emil Oprecht genommen hat, so bestätigten alle, die beide gekannt haben, war die, sein Leben mit Emmie Fehlmann zu teilen. Er hat vieles revidiert, aber seine Verbindung mit Emmie – über dreißig Jahre dauerte die eheliche Kameradschaft – hat er nie infrage gestellt. Die Heirat war die wichtigste seines an mutigen Entscheidungen nicht gerade armen Lebens. Schon mindestens sieben Jahre waren die zwei befreundet, seit den gemeinsamen Tagen der Brüder Oprecht mit ihren künftigen Frauen bei den Wandervögeln der Gruppe Waid in Zürich. Dort soll es angefangen haben mit den beiden, um das Jahr 1913 herum. Sie, Emmie Fehlmann, 1899 als Tochter eines leitenden Elektrikers bei den Stadtwerken und Gewerkschafters aus Zürich geboren, hatte ihre Mutter im Alter von neun Jahren verloren. Er, Emil Oprecht, vier Jahre älter, stammte aus einfachsten Verhältnissen. Kurz nach ihrer ersten Begegnung begann die größte Katastrophe des europäischen Kontinents seit dem Ende der Religionskriege vor beinahe dreihundert Jahren. Eine Welt friedlichen Fortschritts mit offenen Grenzen und Vertrauen in die Entwicklung der Zivilisation war es gewesen, in der Emmie und Emil Kinder waren. Auch die Schweiz profitierte von den neuen Erfindungen wie dem Telefon, hygienischen Toiletten und von Entdeckungen wie den Röntgenstrahlen. Ein Sechstel der in der Schweiz lebenden Bevölkerung waren Ausländer, in Zürich noch mehr. Das gesellschaftliche System entwickelte sich im Bundesstaat im Gleichschritt mit der Außenwelt; eben war der Traum des Fliegens Wirklichkeit geworden – zuversichtlich schaute man vorwärts. Der Analphabetismus war besiegt, die Unkenntnis über ansteckende Krankheiten ebenso wie die Unwissenheit über gesunde Ernährung und natürliche Erziehung. Die »großen Fragen« – so schien es – waren beantwortet, es galt nur noch, sie in der zähen Realität zu lösen, doch dass das gelingen würde, war kaum zweifelhaft. Die nationale Frage hatte sich für die Schweiz, Italien, Deutschland und die USA durch kurze Kriege erledigt. Warum also sollten die soziale Frage, die Frauenfrage, die Judenfrage unlösbar sein? Vorbildlich in diesem Sinne schien das wilhelminische Reich in Deutschland, das auf den ersten Blick von Kraft strotzte; beim zweiten wurde sein Grundfehler aber unübersehbar: ein pompöser Militarismus, der Deutschland in eine haarsträubende Bündnispolitik führte und es in aller Welt unbeliebt machte. — In wenigen Wochen nationalistischen Massenwahns brach 1914 »die Welt von gestern«3 zusammen. Rohe Kräfte der Kriegslust beherrschten die Wirklichkeit, alles Verbindende versagte. Gab es nicht in den meisten Ländern Liberale, die an ein internationales Wirtschafts- und Rechtsverständnis glaubten und vom freien Handel lebten? Gab es nicht überall Christen, darunter die einer einheitlichen Kirche angehörigen Katholiken? Gab es nicht in allen Staaten eine Arbeiterbewegung, die die Großstädte dominierte? Sie waren verstummt und wirkungslos geworden. Die große Mehrheit der Menschen verfiel der fatalen Sehnsucht nach Krieg, Sieg und Triumph. Aber bei den Jungen erkannten nicht wenige, dass die Ursache des Elends grundsätzliche gesellschaftliche Probleme waren. Auf seine Stadt kann man sich verlassen4 Sehr geehrte Damen und Herren, mein Anliegen ist folgendes: Emil Oprecht heiratete Emmie Fehlmann, nach einigen Angaben in der gedruckten Literatur im Jahr 1919, nach anderen 1921. Als Historiker möchte ich es genau wissen. Ein genaueres Datum ist jedoch in keiner Quelle vermerkt. Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen, Christoph Emanuel Dejung Sehr geehrter Herr Dejung Wir benötigen das ganze Datum, um in unseren Büchern einfacher fündig zu werden. Vielen Dank! Freundliche Grüsse Claudia Schweizer Mobarak Hossain Zivilstandsbeamtin Stadt Zürich Bevölkerungsamt Sehr geehrte Frau Schweizer, leider ist meine Lage schwierig: ich bin beauftragt, die Biografie von Emil Oprecht zu schreiben, und da stehe ich eben vor dem Problem, dass ich das Datum nicht kenne. Die Information, die Emmie Oprecht kurz vor ihrem Tod gab, war 1919, diejenige über Emil Oprecht meist 1921 […] Ein genaueres Datum findet sich nirgends. Ich möchte es herausfinden, weil es für die historische Wissenschaft nicht unbedeutend ist! […] Ich könnte Ihre Kosten für die Recherche auch übernehmen, wie es sich von selbst versteht. Mit freundlichen Grüssen, Christoph Dejung Sehr geehrter Herr Dejung Ich habe diese Eheschliessung in unseren Büchern gefunden. Das genaue Heiratsdatum von Opprecht, Emil Adolf und Opprecht geb. Fehlmann, Emma Fanni, ist der 12.09.1921. Freundliche Grüsse, Claudia Schweizer Mobarak Hossain Sehr geehrte Frau Schweizer, gestatten Sie mir, dass ich Ihre Arbeitszeit noch einmal beanspruche. Sie haben mich schon mit der Schreibung »Opprecht« (mit zwei p in den Akten) sehr weitergebracht. Könnten Sie mir auch die Namen der Trauzeugen nennen? Im Voraus mit herzlichem Dank und mit freundlichen Grüssen Christoph Dejung Sehr geehrter Herr Dejung Die Namen der Trauzeugen lauten wie folgt: Otto Förtsch, Anna Fehlmann Freundliche Grüsse, Katja Hauri, Zivilstandsbeamtin Sehr geehrte Frau Hauri, dann war das also Emmies Schwester und ihr künftiger Ehepartner. Wie großartig ist der Service in Zürich! Ganz lieben Dank im Namen meiner Leser, Christoph Emanuel Dejung In der »Zürcher Wochenchronik«, einer illustrierten Zeitung, konnte der mittlerweile zum Jungsozialisten gewordene Emil Oprecht im November 1917, auf dem Höhepunkt der sozialen Not, eine faire Berichterstattung über die Lage der Zürcher Arbeiter lesen.5 In der gleichen Ausgabe findet sich eine objektive Beschreibung des vom Pazifisten Max Daetwyler ausgelösten, schließlich blutig ausgegangenen »Novemberkrawalls«. Doch sehr viel mehr Platz als für diese einheimischen Themen räumte das Blatt einem Bericht über neue Waffen ein, die an den verschiedenen Fronten des Krieges zum Einsatz kamen. In den Schlachten waren die Mittel der Verteidigung denen des Angriffs überlegen. Das zwang zum Stellungskrieg, der ohne jede Alternative bis zur totalen Erschöpfung des Gegners geführt werden sollte. Es war ein von Wissenschaft und Technik beherrschter Krieg, der aber von den Beteiligten als »schicksalshaft« erlebt wurde. Ein Krieg des massenhaften Todes, bei dem erstmals weniger Opfer aus der Zivilbevölkerung umkamen als Soldaten. Bei den Jungen wie den Oprechts war das Prestige derer am größten, die schon früh oder von Anfang an gegen den Krieg gewesen waren: die Pazifisten und die radikalen Marxisten; Letztere gewannen auch Emil Oprecht für ihre Ideen, wenigstens für einige Jahre. Zu den Leitfiguren der Linken gehörten Oprechts Vorbilder Willi Münzenberg und Angelica Balabanoff, von denen noch die Rede sein wird. — Von Lukrez gibt es die Beschreibung des verschonten Zuschauers. Auch wenn der Dichter anderes im Auge hatte, passte die Metapher genau zur Situation des Schweizervolks: »Angenehm ist es und beruhigend, wenn Winde über weitem Meer das Wasser aufwühlen, vom festen Land aus zu sehen, wie ein anderer dort zu kämpfen hat. Nicht das Leiden anderer ist die Quelle dieses süßen Gefühls, erfreulich vielmehr ist zu sehen, von welchem Unglück du selbst verschont bist. Ebenso süß ist es, auf die in der Ebene tobenden Schlachten des Krieges zu schauen, so du dich selbst, unbeteiligt, außer Gefahr weißt.«6 Ihr ganzes Leben waren Emil und Emmie Oprecht nicht gewillt, für sich ein unschuldiges Verschontsein zu akzeptieren. Was ihr Handeln bestimmte, war der Protest gegen eine selbstzufriedene, ihrer selbst unwürdige, nicht hilfsbereite Schweiz. — Die beiden, die aus der reformierten Kirche ausgetreten waren, heirateten am 12. September 1921 in Zürich auf dem Standesamt. Als Trauzeugen bestätigten das Otto Förtsch und Anna »Annie« Fehlmann. Annie war Emmies Schwester, die ihr lebenslang am nächsten stand, Otto deren späterer Ehemann. Die amtliche Urkunde, unterschrieben mit »Emil Adolf Opprecht« und mit »Emma Opprecht«, sie war fortan »geborene Emma Fanni Fehlmann«, notierte Opprecht mit zwei »p«, obwohl die Universität zweieinhalb Monate zuvor das Doktorat an Emil Oprecht verliehen hatte, in der Schreibweise, die er vorzog. Alles geschah in der laizistischen Feierlichkeit des eidgenössischen, erst im Jahre 1876 geschaffenen Zivilstandswesens, und unter dem noch nicht zehn Jahre alten Eherecht des »Zivilgesetzbuches« (ZGB). Emil und Emmie Oprecht genossen damit eine noch nicht sehr alte Freiheit, ihre...


Christoph Emanuel Dejung, Jahrgang 1943, studierte Philosophie und Geschichte in Zürich. Seit 1967 war er als Lehrer für Geschichte und Philosophie, als Didaktiker der Philosophie und seit 1979 in der Erwachsenenbildung tätig. Er lebte nach seiner Pensionierung acht Jahre in Australien, nun wieder in Zürich.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.