Delinsky Ein perfektes Paar
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-024-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schätze der Liebe
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95576-024-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Deirdre braucht Urlaub - Neil auch. Also spielt ihre Freundin Victoria ein bisschen Schicksal und stellt beiden ihr Cottage auf einer einsamen Insel zur Verfügung. Ohne dass Neil und Deirdre bis zu ihrer Ankunft etwas voneinander ahnen...
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1. KAPITEL
Es war kein Weltuntergang und kam nicht einmal unerwartet. Doch nach sechs Wochen unerfreulicher Erlebnisse war es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Neil Hersey blickte mit finsterer Miene aus dem Fenster seines Anwaltsbüros, das im Zentrum von Hartford im Bundesstaat Connecticut lag.
“Raus mit der Sprache, Bob. Wir sind zu lange miteinander befreundet, als dass ich erst auf den Busch klopfen müsste.” Neil hatte die Hände tief in die Hosentaschen geschoben. “Wir wissen beide, dass ich für den Job gut geeignet bin. Ryoden hat sich seit einem Jahr um mich bemüht. Wenn sie jetzt plötzlich absagen, muss etwas dahinterstecken.” Er drehte sich langsam um. “Ich habe da so einen Verdacht. Also, sag etwas!”
Robert Balkan, einer der Vizepräsidenten des Ryoden-Konzerns, musterte den hoch gewachsenen Mann, der ihm so grimmig gegenüberstand. Sie kannten sich seit vielen Jahren und mochten einander aufrichtig. Bob respektierte Neil viel zu sehr, als dass er ihn anlügen könnte.
“Wir haben die Information direkt von Wittnauer-Douglass”, erklärte er. “Dass man die Beziehungen zu dir als anwaltlicher Berater der Firma gekündigt hat, war ein Akt reinen Mitleids. Die Alternative wäre gewesen, gegen dich Strafanzeige zu erstatten.”
Neil schimpfte leise vor sich hin. “Rede weiter.”
“Sie behaupten, du seist für einige Geschäfte verantwortlich, die gegen die guten Sitten verstießen und zum Teil regelrecht kriminell waren. Einzelheiten wollte man nicht mitteilen, um dich zu schützen. Die Firma trifft interne Maßnahmen, um den Schaden in Grenzen zu halten.”
“Darauf hätte ich gewettet.”
“Was soll ich dazu sagen, Neil? Die Vorwürfe sind nicht näher begründet worden, aber es reichte, um den Vorsitzenden unseres Aufsichtsrats zu erzürnen. Wer auch immer von Wittnauer-Douglass angerufen hat, er muss genau gewusst haben, was er damit anrichten würde. Dann wurde Ned Fallenworth unterrichtet, und damit war die Sache gelaufen.”
Fallenworth war der Präsident von Ryoden. Bob hatte ihn noch nie geschätzt und hatte jetzt weniger Grund dazu als je zuvor. “Ich habe ihm sehr zugesetzt, aber mit dem Mann war überhaupt nicht zu reden. Er ist ein engstirniger Bursche, Neil, ein kleiner Geist.”
“Ja, ein kleiner Geist – aber mit sehr viel Macht”, fügte Neil hinzu, während er im Zimmer auf und ab ging. Schließlich lehnte er sich gegen seinen Mahagonischreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. “Sechs Wochen, Bob. Seit sechs Wochen ist diese Hölle nun schon im Gange. Man setzt mich unter Druck und verleumdet mich. Das wirkt sich inzwischen sogar auf mein Privatleben aus. Ich muss etwas dagegen unternehmen.”
“Brauchst du Geld? Wenn es eine Frage der Finanzen ist, wäre ich froh …”
“Nein, nein”, wehrte Neil ab. Dann zwang er sich zu einem freundlichen Lächeln. “Geld ist für mich kein Problem, jedenfalls noch nicht.” Er holte tief Luft, seine Miene wurde wieder ernst. “Aber als Rechtsanwalt sehe ich in dieser Stadt keine Zukunft mehr. Und das ist genau das, was Wittnauer-Douglass beabsichtigten.”
“Ich finde, du solltest sie verklagen.”
“Soll das ein Witz sein? Es ist zwar richtig, dass du mir vertraust, aber du kennst diese Leute nicht so gut wie ich. Zuerst werden sie alle möglichen Behauptungen über mich aufstellen. Dann werden sie den Prozess so lange hinziehen, bis mir das Geld ausgeht. Und schließlich würde auf jeden Fall etwas an mir hängen bleiben, ganz gleich, wie der Prozess endet. Wir reden hier über Piranhas, Bob.”
“Aber warum hast du dann für sie gearbeitet?”
“Weil ich das lange Zeit nicht gewusst habe.” Er wirkte niedergeschlagen. “Das ist wohl das Schlimmste an der Sache. Ich habe es einfach nicht gewusst.” Neil schaute bedrückt zu Boden.
“Irren ist menschlich, Neil.”
“Ein schöner Trost ist das.”
Bob stand auf. “Ich wollte, ich könnte mehr für dich tun.”
“Du hast deine Pflicht getan, und nun ist es Zeit zu gehen.” Neil wusste, wie verbittert seine Worte klangen.
“Ich habe für drei Uhr eine Verabredung”, erwiderte Bob entschuldigend.
Neil wurde sofort misstrauisch. Er hatte sechs Wochen voller Enttäuschungen hinter sich und es wiederholt erlebt, dass so genannte Freunde ihn plötzlich fallen ließen.
Um die Lage zu prüfen, streckte er die Hand aus. “Ich habe Julie schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Wollen wir uns nicht demnächst einmal zum Abendessen treffen?”
“Aber natürlich.” Bob lächelte etwas zu strahlend, wie Neil fand, und schüttelte ihm die Hand.
Bob ist erleichtert, dachte Neil. Die Schmutzarbeit war erledigt. Und ein “Aber natürlich” war genauso unverbindlich, wie er es befürchtet hatte.
Gleich darauf war Neil mit seinem Zorn allein. Er ließ sich in den Sessel fallen, in dem Bob gesessen hatte, und rieb sich die Stirn. Er hatte heftige Kopfschmerzen. War das ein Wunder? Wie konnte man gesund bleiben, wenn ringsum alles zusammenbrach? Wo blieb da die Gerechtigkeit?
Neil konnte verstehen, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen ihm und Wittnauer-Douglass nach der Auseinandersetzung vor sechs Wochen beendet waren. Nach heftigen Meinungsverschiedenheiten hatte er nicht mehr den Wunsch gehabt, als Berater für die Firma zu arbeiten, ebenso wenig hatte man ihn weiter beauftragen wollen. Aber warum musste man ihn noch zusätzlich bestrafen? Das war einfach nicht gerecht.
Gut, er hatte nun auch noch Ryoden als Mandanten verloren. Das hätte er jedoch verschmerzen können, wenn nicht in den vergangenen Wochen drei weitere wichtige Firmen die Beziehungen zu ihm abgebrochen hätten. Man verleumdete ihn im Geschäftsleben. Wie konnte er sich dagegen wehren, wo doch seine Gegner so sehr viel größer und mächtiger waren?
Neil blickte auf und sah sich in seinem Büro um. An den Wänden standen Mahagonischränke, bis zur Decke mit juristischer Literatur gefüllt. Eine aufwändige Telefonanlage war auf seinem großzügigen Schreibtisch installiert. Ein weiterer Schrank war mit Vertragsentwürfen und Akten gefüllt. Doch was wirklich zählte, sein Wissen, das hatte er im Kopf. Wenn er nicht mehr als Jurist tätig sein konnte, war alles Übrige wertlos.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte Neil Hersey sich so hilflos gefühlt. Etwas musste geschehen, und er selbst musste jetzt die Initiative ergreifen. Aber er hatte nicht die geringste Ahnung, was er nun unternehmen sollte. Zorn und Verdruss beherrschten seine Gedanken und ließen ihn nicht klar denken.
Wütend stand er auf. Er brauchte eine Pause, einen Tapetenwechsel, musste von hier fort. Neil ging um den Schreibtisch herum, zog sein persönliches Telefonverzeichnis aus der Schublade und schlug es unter dem Buchstaben L auf. Lesser – Victoria Lesser. Innerhalb weniger Sekunden hatte er die Nummer gewählt, die ihn mit der eleganten Wohnung an der Park Avenue von Manhattan verband.
Eine weibliche Stimme meldete sich. “Hier bei Lesser.”
“Neil Hersey. Ist Mrs. Lesser zu sprechen?”
“Bitte bleiben Sie am Apparat.”
Neil rieb sich ungeduldig die Stirn, wartete und schloss die Augen. Als er sich vorstellte, wie Victoria zwischen ihren eleganten Möbeln in Jeans und Arbeitshemd zum Telefon eilte, musste er einen Moment lächeln.
Victoria Lesser war eine einmalige Frau. Dank ihres Ehemanns, den sie sehr geliebt hatte, bis er vor sechs Jahren starb, war sie sehr wohlhabend und einflussreich. Sie tat, was ihr gefiel, reiste, gab Partys, nahm trotz ihrer zweiundfünfzig Jahre Ballettunterricht, malte und war äußerst großzügig.
Auf diese Großzügigkeit zählte Neil jetzt.
“Neil Hersey … du bist mir ein schöner Freund.” Victorias Stimme klang fröhlich. “Weißt du, wie lange ich nichts von dir gehört habe? Das sind Monate.”
“Ich weiß, Victoria. Es tut mir Leid. Wie geht es dir?”
“Wie es mir geht, ist im Moment unwichtig. Die Frage ist vielmehr, wie es dir geht.”
Natürlich hatte Victoria bereits gehört, was passiert war. Kein Wunder, denn der gemeinsame Freund, durch den sie und Neil sich kennen gelernt hatten, arbeitete als leitender Angestellter bei Wittnauer-Douglass.
“Du sprichst mit mir, Victoria, da geht es mir schon besser”, erwiderte Neil vorsichtig.
“Ich weiß, was geschehen ist, Neil. Ich kenne diese Schlangen, die im Vorstand von Wittnauer-Douglass sitzen, und ich kenne dich. Ich habe nicht vergessen, was du für meine Nichte getan hast. Du sitzt in der Patsche, nicht wahr?”
“Ja, und ich muss für einige Zeit von hier fort.” Neil war nicht in der Stimmung, lange um die Sache herumzureden. “Ich kann hier nicht denken, brauche Ruhe und Abgeschiedenheit.”
“Eine abgelegene und unbewohnte Insel vor der Küste von Maine?”
“Etwas in der Art.”
“Sie gehört dir.”
“Ist niemand dort?”
“Im Oktober? Die Leute sind heutzutage verweichlicht, wer fährt schon im Herbst in den Norden? Du kannst die Insel haben, Neil, solange du willst.”
“Zwei Wochen sollten genügen. Wenn ich bis dahin keine Lösung gefunden habe …” Er schwieg.
“Wie ich dich kenne, willst du mit der Situation allein fertig werden. Aber wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag es mir.”
Neil empfand bei diesen Worten Trost. “Dass ich die Insel haben kann, ist schon mehr als genug.”
“Wann willst du hinfahren?”
“So bald wie möglich, wahrscheinlich morgen. Du...




