Dennebaum Urknall, Evolution - Schöpfung
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-429-03198-5
Verlag: Echter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Glaube contra Wisschenschaft?
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-429-03198-5
Verlag: Echter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Warum gibt es die Welt? Ist es vernünftig, wenn Christen glauben, dass ein allmächtiger und liebender Gott die Welt erschaffen hat? Oder sollten wir Gott lieber aus dem Spiel lassen und versuchen, die Entstehung des Universums allein mit Hilfe der Naturwissenschaften zu erklären? Die Diskussion um diese Fragen bewegt die Menschen seit der Antike. Gerade in letzter Zeit ist sie durch die Extrempositionen Naturalismus und Kreationismus wieder neu entfacht. Das vorliegende Buch möchte dazu beitragen, in allgemeinverständlicher Sprache Licht ins Dunkel der vielfältigen Diskussionen zu bringen. Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen, ohne endgültige Antworten zu erwarten. Wer diese Herausforderung annimmt, wird feststellen, dass die traditionelle christliche Position besser ist als ihr Ruf und sich bei der Diskussion mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer Zeit erfolgreich bewähren kann.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
3. Glaube und Naturwissenschaft in der Neuzeit
Was andere Philosophen vor ihm gedacht haben, kümmere ihn nicht sehr, schreibt Thomas von Aquin: In der Philosophie geht es nicht darum zu wissen, was bedeutende Menschen in vergangenen Zeiten gedacht haben, sondern wie es sich mit der Wahrheit der Dinge verhält. Wer sich mit philosophischen Fragen beschäftigt, soll nicht nur historisch arbeiten und bloß studieren, was Philosophen in vergangenen Epochen gedacht haben, sondern die Dinge selbst in den Blick nehmen.23 Nimmt man sich diesen Rat zu Herzen, dann könnte das heißen, an dieser Stelle direkt in die Diskussion einzusteigen und die Inhalte der Naturalisten und des Theismus miteinander zu vergleichen: Die Bedeutung der Begriffe ist geklärt, die Methode genau definiert – welchen Grund sollte es also geben, nicht sofort danach zu fragen, „wie es sich mit der Wahrheit der Dinge verhält“? Und dennoch lohnt es sich, zunächst einmal in die Geschichte zurückzuschauen und einiges über die Hintergründe zu erfahren, vor denen sich die Debatten unserer Zeit abspielen. Der Naturalismus versteht sich als die einzig angemessene und konsequente Fortführung der Erfolgsgeschichte wissenschaftlicher Forschung. Der moderne Beobachter könnte dabei den Eindruck gewinnen, die Naturalisten seien möglicherweise so etwas wie die legitimen Hüter und Bewahrer der wissenschaftlichen Methode. In der Tat deuten Naturalisten die Geschichte gerne in der Weise, dass es sich beim christlichen Theismus um eine Weltanschauung handelt, die vom Grundgedanken her kontra-wissenschaftlich ist und nie eine tragfähige Beziehung zum wissenschaftlichen Denken entwickeln konnte. So geht etwa der amerikanische Religionskritiker James Thrower davon aus, dass wissenschaftliche Positionen an sich atheistisch sind. Die gesamte Philosophiegeschichte deutet er als Entwicklung von einer längst überkommenen mythischen und religiösen Weltsicht hin zu einem äußerst erfolgreichen Naturalismus, der es heutzutage gar nicht mehr nötig habe, sich wie der traditionelle Atheismus in Abgrenzung zum Glauben zu definieren. Thrower behauptet, dass sich das Christentum von Anfang an als religiöses Gegenkonzept zum Naturalismus der griechischen und römischen Antike verstanden habe. Von daher sei zu erwarten gewesen, dass der wissenschaftliche Fortschritt in späteren Zeiten, als das Christentum eine gesellschaftliche und geistesgeschichtliche Vorrangstellung erlangt hatte, im Grunde zum Erliegen gekommen ist. Die sprichwörtliche Finsternis des Mittelalters führt er ganz auf die christliche Dominanz des damaligen Lebens und Denkens zurück.24 Diese etwas wüste Deutung der Wissenschaftsgeschichte hätte durchaus eine ausführliche Antwort verdient. Man müsste in diesem Zusammenhang das ausdrücklich philosophiefreundliche Selbstverständnis des Christentums thematisieren und fragen, was Thrower dazu veranlasst, die Antike so phantasievoll als „Zeitalter des Naturalismus“ zu bezeichnen. Dass dann die Spätantike und das frühe Mittelalter bis hin in die Zeit nach der Jahrtausendwende nicht unbedingt zu den Glanzzeiten der westlichen Wissenschaftsgeschichte gehören, hat vielfältige historische und gesellschaftliche Gründe. Wenn man allerdings bedenkt, dass die verbliebenen Kulturträger und Erneuerer der philosophischen und wissenschaftlichen Kenntnisse dieser Zeit in aller Regel aus einem kirchlichen und häufig monastischen Umfeld stammten, kann man zu Recht an der Richtigkeit von Throwers Überlegungen zweifeln. Bedeutsamer als Throwers inhaltliche Kritikpunkte am christlichen Theismus ist daher ein anderer Aspekt: Der Konflikt zwischen Naturalismus und Theismus beschränkt sich ganz offensichtlich nicht auf die kontroverse Diskussion einiger inhaltlicher Fragen, sondern ist grundsätzlicher Art. Dabei wird allzu schnell ein Zerrbild der theistischen Position gezeichnet, indem die Bedeutung Gottes für die Erklärung der Welt auf die eines deus ex machina, eines „Gottes aus der (Theater-)Maschine“ reduziert wird: Im antiken Theater tauchte immer dann, wenn es in der Handlung besonders dramatisch und kompliziert zuging, der deus ex machina auf – also der mit Hilfe einer besonderen Maschine herabgelassene Gott –, der alle Verwicklungen wie durch ein Wunder auflöste. Naturalisten werfen Theisten vor, dass die Bedeutung und Funktion Gottes für die Erklärung der Welt im Grunde nichts anderes sei als dieser simple und etwas naive Trick des antiken Theaters. Die Bedeutung Gottes für die Wissenschaft sei die eines Lückenbüßers. In der Tat ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man im Laufe der Geistesgeschichte Gott immer dann ins Spiel gebracht hat, wenn man nach einer schnellen Antwort für ungeklärte naturwissenschaftliche Fragen oder Phänomene suchte. Ein solcher Standpunkt ist jedoch auch in theologischer Hinsicht von Anfang an problematisch, weil dabei auf jede theologische Reflexion des Glaubens verzichtet wird und die Rolle Gottes in einem rein funktionalen Sinn zur Sprache kommt. Der Lückenbüßergott wirkt wie eine Karikatur der theologischen Kernaussage, um die es eigentlich geht, nämlich dass der Wille Gottes die Antwort auf die Frage ist, warum die Welt existiert, und dass dieser Gott die Schöpfung auch nach der Erschaffung im Sein erhält und liebevoll begleitet. Wie sehr die naturalistische Interpretation Gottes als bloßer Lückenbüßer am Kern des Schöpfungsglaubens vorbeigeht, zeigen nicht nur die Ausführungen von James Thrower, sondern lässt sich auch bei Bernulf Kanitscheider gut belegen. In seiner Einführung in die moderne Naturphilosophie äußert sich Kanitscheider ausführlich über die Spannungen zwischen Naturwissenschaft und Religion.25 Kanitscheider glaubt in der Religion so etwas wie den natürlichen Gegenspieler von Vernunft und Wissenschaft zu erkennen. Das positive Zugehen der mittelalterlichen scholastischen Theologie auf die Naturwissenschaften und die empirische Welt hält er daher für gefährlich und hinderlich: Glaube und Wissenschaft sollten seiner Auffassung nach nicht miteinander verbunden, sondern streng voneinander getrennt werden. Einen ersten mittelalterlichen Versuch, die Allianz von Theismus und Naturwissenschaften aufzulösen, verortet Kanitscheider in einer Schrift des englischen Philosophen Adelard von Bath († nach 1150). Dass die Wahl Kanitscheiders gerade auf Adelard fällt, ist bemerkenswert, da dessen Hauptbedeutung eher auf seiner Tätigkeit als Übersetzer astrologischer und astronomischer Schriften aus dem Arabischen ins Lateinische beruht als auf bedeutenden Impulsen für die zeitgenössische Wissenschaftstheorie. Kanitscheider bezieht sich auf eine Aussage Adelards, mit der dieser auf ein Argument antwortet, das die Bedeutung der Vernunft für das Verständnis unserer Welt grundsätzlich in Frage stellt. Ausgangspunkt ist also die Behauptung, dass es bei der Beschreibung der Natur sinnvoll sei, auf rationale Erklärungen und Begründungen völlig zu verzichten, da ja letztlich alle Vorgänge im Universum einzig der Größe Gottes zuzuschreiben seien. Adelard antwortet auf dieses Argument mit dem Hinweis, dass Gott keine ungeordnete Welt geschaffen habe und man daher durchaus Vertrauen in die Reichweite der menschlichen Erkenntnis haben dürfe. Nur dort, wo die Wissenschaft den Menschen gänzlich im Stich lasse, solle man sich auf Gott selbst berufen: „Ich nehme Gott nichts weg. Alles, was ist, ist von ihm und durch ihn. Aber [die Natur] ist nicht verworren und ohne System, und soweit die menschliche Erkenntnis vorgedrungen ist, sollte man dies beachten. Nur wenn sie gänzlich versagt, sollte man die Sache auf Gott zurückführen.“26 Adelard betont hier die grundlegende Bedeutung Gottes für den Kosmos, den dieser als naturgesetzlich geordnete Welt geschaffen hat. Es ist aber die Aufgabe der Menschen, die Welt zu erforschen. Die Welt wird damit gleichzeitig zum Gegenstand der Theologie und der Naturwissenschaften. Darüber hinaus spricht Adelard von – eher seltenen – Phänomenen, die nicht in diese Struktur der Welt eingeordnet sind und nur durch das direkte Handeln Gottes erklärt werden können. Damit möchte er nicht sagen, dass sich die Bedeutung Gottes ausschließlich auf diese Bereiche jenseits der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten bezieht. Im Gegenteil versteht er die gesamte Welt als von Gott geschaffen und auf ihn hin bezogen („Alles, was ist, ist von ihm und durch ihn“). Kanitscheider missversteht das Anliegen Adelards also gründlich, wenn er behauptet, dieser gehe von der Existenz zweier voneinander getrennten Bereiche aus, von denen der weitaus größere Teil sozusagen der Bereich der Naturwissenschaften sei und nur der verbleibende kleinere Teil Gott selbst zugeordnet werden könne. Man muss Adelard im Rahmen des scholastischen Gottesbegriffs verstehen, wonach Gott der Grund allen Seins und allmächtig ist – er verfügt über vollkommene Macht. In aller Regel bedeutet das Handeln...