E-Book, Deutsch, Band 18, 144 Seiten
Reihe: Penguin Edition
Dickens Eine Weihnachtsgeschichte
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-641-29346-8
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Penguin Edition (Deutsche Ausgabe) – Die kultige Klassikerreihe – ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022
E-Book, Deutsch, Band 18, 144 Seiten
Reihe: Penguin Edition
ISBN: 978-3-641-29346-8
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ebenezer Scrooge ist ein stadtbekannter Geizhals. Für seine Mitmenschen hat er kein Herz und auch Weihnachten verbringt er lieber allein, als mit seinem Neffen und dessen Familie zu feiern. Doch in der Nacht erhält er Besuch von den drei Geistern der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht. Sie führen Scrooge seine verlorene Kindheit, sein verfehltes Leben und seinen einsamen Tod vor Augen, und Scrooge muss erkennen, wozu seine Hartherzigkeit ihn getrieben hat ...
Mit 'Eine Weihnachtsgeschichte' schuf Charles Dickens ein Plädoyer für mehr Nächstenliebe und zeigt noch heute Kindern wie Erwachsenen gleichermaßen die Bedeutung des Weihnachtsfestes.
PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. - Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022
Charles Dickens (1812-1870), geboren in Landport bei Portsea, wuchs in Chatham bei London auf. Als er elf Jahre alt war, musste sein Vater wegen nicht eingelöster Schuldscheine ins Schuldgefängnis; seine Mutter folgte ihm mit Charles' Geschwistern dorthin. Charles, das zweitälteste Kind, musste währenddessen in einer Schuhwichsfabrik arbeiten. Erst als der Vater nach einigen Monaten entlassen wurde, besuchte Charles wieder eine Schule. Mit fünfzehn begann er in einem Rechtsanwaltsbüro als Gehilfe zu arbeiten, später wurde er Zeitungsreporter. Seine schriftstellerische Karriere begann er mit seinen Skizzen des Londoner Alltagslebens, die unter dem Titel 'Sketches by Boz' 1836 in Buchform erschienen. Seine 'Pickwick Papers' folgten ein Jahr später und machten Dickens über England hinaus berühmt. Anschließend entstanden in rascher Folge die ersten Romane, u.a. 'Oliver Twist' und 'Nicholas Nickleby'. Dickens wurde Herausgeber der liberalen Londoner Zeitung 'Daily News', reiste in die USA und nach Italien und verfasste 1848/1849 'David Copperfield', der viel autobiographisches Material enthält. Dickens' liebevolle Schilderungen menschlicher Schwächen, sein Kosmos skurriler und schrulliger englischer 'Originale' und die satirische Anprangerung sozialer Missstände machten ihn bereits zu Lebzeiten zu einem der beliebtesten Romanciers der Weltliteratur. Seine Bücher brachten ihm außerdem beträchtlichen Wohlstand ein. Seit 1860 lebte er auf seinem Landsitz Gad's Hill Place in Kent, wo er im Alter von nur 58 Jahren an einem Schlaganfall starb.
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Erste Strophe: Marleys Geist
Zunächst einmal: Marley war tot. Darüber besteht kein Zweifel. Sein Begräbnisschein wurde vom Pfarrer, vom Küster, vom Leichenbestatter und vom Hauptleidtragenden unterschrieben. Scrooge unterschrieb ihn. Und Scrooges Name war auf der Börse gut für jeden Abschluss, den er zu tätigen gedachte.
Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel.
Wohlgemerkt! Damit will ich nicht behaupten, dass ich aus eigener Kenntnis wüsste, was an einem Türnagel so besonders tot sein soll. Ich persönlich würde vielleicht dazu neigen, einen Sargnagel für den totesten Artikel der ganzen Eisenwarenbranche zu halten. Aber in Gleichnissen offenbart sich die Weisheit unserer Altvorderen, und meine profanen Hände sollen nicht daran rühren, sonst geht das Land vor die Hunde. Man wird mir daher gestatten, nachdrücklich zu wiederholen, dass Marley so tot wie ein Türnagel war.
Ob Scrooge wusste, dass er tot war? Natürlich wusste er das. Wie konnte es anders sein? Scrooge und er waren, ich weiß nicht genau wie viele Jahre lang, Kompagnons gewesen. Scrooge war sein alleiniger Testamentsvollstrecker, sein alleiniger Nachlassverwalter, sein alleiniger Rechtsnachfolger, sein alleiniger Nachvermächtnisnehmer, sein alleiniger Freund und der einzige Leidtragende. Und sogar Scrooge war von dem traurigen Ereignis nicht so fürchterlich mitgenommen, dass er sich nicht noch am Begräbnistag selbst als ausgezeichneter Geschäftsmann erwiesen und ihn mit einem unzweifelhaft günstigen Handel begangen hätte.
Die Erwähnung von Marleys Begräbnis bringt mich zu meinem Ausgangspunkt zurück. Es besteht kein Zweifel, dass Marley tot war. Davon ist auszugehen, sonst kann bei der Geschichte, die ich hier berichten will, nichts Wunderbares herauskommen. Wenn wir nicht vollkommen überzeugt wären, dass Hamlets Vater vor Beginn des Stückes verstarb, wäre an der Tatsache, dass er nachts bei Ostwind über seine eigenen Schlosswälle spazierte, nichts Bemerkenswerteres, als wenn sonst ein beliebiger älterer Herr sich nach Anbruch der Dunkelheit leichtsinnigerweise an einem zugigen Ort – zum Beispiel dem St.-Paul’s-Friedhof – aufhielte; und nichts, um den im wahren Sinn des Wortes schwachen Geist seines Sohnes zu befremden.
Scrooge hatte Marleys Namen nicht ausgestrichen. Er stand noch viele Jahre nachher über der Tür des Kontors: «Scrooge & Marley». Die Firma war unter dem Namen Scrooge & Marley bekannt. Manchmal nannten neue Kunden Scrooge Scrooge und manchmal Marley, aber er hörte auf beide Namen. Das war ihm ganz egal.
Oh, aber er war ein knausriger Kerl und Leuteschinder, ja, das war Scrooge! Ein habgieriger alter Sünder, der gar nie genug herauspressen, herausquetschen, an sich raffen, zusammenkratzen, eisern festhalten konnte! Hart und kantig wie ein Feuerstein, aus dem aber kein Stahl je einen großmütigen Funken geschlagen hatte; einsiedlerisch und schweigsam und verschlossen wie eine Auster. Die Kälte in seinem Inneren ließ seine alten Züge in Frost erstarren, kniff seine spitze Nase ein, runzelte seine Wange, machte seinen Gang steif und seine Lippen blau, rötete seine Augen und knirschte beißend in seiner rauen Stimme. Er trug seine persönliche tiefe Temperatur ständig mit sich herum; er vereiste sein Kontor in den Hundstagen und taute es zu Weihnachten auch nicht um ein Grad auf.
Äußere Hitze und Kälte hatten wenig Einfluss auf Scrooge. Kein warmer Tag vermochte ihn zu erwärmen, kein winterlicher Frost ließ ihn erschauern. Kein Wind war schneidender als er, kein Schneefall hartnäckiger, kein Platzregen unerbittlicher. Doch Schnee und Regen, Hagel und Graupel konnten sich ihm gegenüber eines Vorzugs rühmen: Sie traten oft freigebig auf – das tat Scrooge nie.
Niemand hielt ihn je auf der Straße an, um mit freudigem Blick auszurufen: «Wie geht’s, mein lieber Scrooge? Wann kommen Sie mich einmal besuchen?» Kein Bettler bat ihn um ein Scherflein, kein Kind fragte ihn, wie viel Uhr es sei, und in seinem ganzen Leben hatte ihn noch kein Mensch um Auskunft ersucht, wie man an diesen oder jenen Ort gelangte. Sogar die Blindenhunde schienen ihn zu kennen; wenn sie ihn kommen sahen, zerrten sie ihre Besitzer in Hauseingänge oder Nebengässchen, und dann pflegten sie mit dem Schweif zu wedeln, als wollten sie sagen: «Keine Augen haben ist besser, als ein übles Auge haben, Herrchen!»
Doch was kümmerte das Scrooge! Gerade so war es ihm lieb. Neben den wimmelnden Pfaden des Lebens einherzuschleichen und sich jede menschliche Beziehung vom Leibe zu halten, das war sein Fall.
Es begab sich einmal – von allen guten Tagen des Jahres just am Heiligen Abend –, dass der alte Scrooge emsig arbeitend in seinem Kontor saß. Es herrschte trübes, düsteres, beißend kaltes Wetter, und obendrein war es neblig. Er hörte, wie die Leute, die draußen vorbeikeuchten, sich mit den Fäusten auf die Brust schlugen und mit den Füßen aufstampften, um sich zu erwärmen. Die Uhren in der City hatten eben erst drei geschlagen, aber es war schon ganz dunkel – es war den ganzen Tag lang nicht hell gewesen –, und hinter den Fenstern der benachbarten Büros flammten die Kerzen wie rötlich verschmierte Flecken auf der zum Greifen dicken, braunen Luft. Der Nebel drang durch jede Ritze und jedes Schlüsselloch ein, und draußen lag er so dicht, dass die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite des Gässchens bloße Phantome zu sein schienen, obwohl es zu den allerschmälsten gehörte. Wenn man so die schmuddligen Wolken herabwallen und alles verdunkeln sah, hätte man meinen können, die Natur wohne gerade um die Ecke und braue Bier in großen Mengen.
Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen Kommis im Auge behalten konnte, der nebenan in einem trübseligen Kämmerchen, einer Art Wandschrank, Briefe kopierte. Scrooge hatte ein sehr kleines Feuer, aber das Feuer des Kommis war um so viel kleiner, dass es wie eine einzelne Kohle aussah. Der Kommis konnte nicht nachlegen, denn die Kohlenkiste hielt Scrooge in seinem eigenen Zimmer, und sowie der Angestellte mit der Kohlenschaufel in der Hand eintrat, prophezeite der Chef unfehlbar, ihre Wege würden sich wohl bald trennen; weshalb der Kommis seinen langen weißen Wollschal umband und sich an der Kerze zu wärmen versuchte, doch weil er nicht viel Fantasie besaß, gelang es ihm nicht.
«Fröhliche Weihnachten, Onkel! Grüß Gott!», rief eine muntere Stimme. Sie gehörte dem Neffen von Scrooge, der so rasch eingetreten war, dass Scrooge seiner erst bei diesem Anruf gewahr wurde.
«Pah!», sagte Scrooge. «Unsinn!»
Er war bei seinem raschen Gang durch Frost und Nebel so warm geworden, dieser Neffe von Scrooge, dass er förmlich glühte. Sein hübsches Gesicht war gerötet, seine Augen funkelten, und sein Atem dampfte.
«Weihnachten ein Unsinn, Onkel!», rief der Neffe. «Das meinst du doch nicht im Ernst?»
«Doch», sagte Scrooge. «Fröhliche Weihnachten! Mit welchem Recht willst du fröhlich sein? Aus welchem Grund willst du fröhlich sein? Du bist arm genug.»
«Na also», erwiderte der Neffe lustig. «Mit welchem Recht willst du verdrießlich sein? Aus welchem Grund willst du mürrisch sein? Du bist reich genug.»
Da Scrooge im Augenblick keine bessere Antwort einfiel, sagte er wieder: «Pah!», und fügte hinzu: «Unsinn!»
«Sei nicht ärgerlich, Onkel», bat der Neffe.
«Was soll ich denn sonst sein, in einer solchen Narrenwelt!», versetzte der Onkel. «Fröhliche Weihnachten! Du mit deinen fröhlichen Weihnachten! Was bedeutet denn Weihnachten für dich? Eine Zeit, in der du Rechnungen zahlen musst, ohne Geld zu haben; eine Zeit, in der du plötzlich um ein Jahr älter, aber um keine Stunde reicher bist; eine Zeit, in der du Bilanz machst und jeder Posten in deinen Büchern dir zur Zahlung präsentiert wird, auf rund ein Dutzend Monate zurück. Wenn es nach mir ginge», rief Scrooge ungehalten, «müsste jeder Trottel, der mit einem ‹Fröhliche Weihnachten› auf den Lippen herumgeht, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenspieß im Herzen begraben werden. Wahrhaftig!»
«Onkel!», bat der Neffe.
«Neffe!», erwiderte der Onkel hart. «Feiere Weihnachten auf deine Art, und lass es mich auf die meine feiern.»
«Feiern!», wiederholte der Neffe. «Du feierst es ja eben nicht!»
«Dann lass mich damit in Frieden», entgegnete Scrooge. «Möge es dir wohl bekommen! Was es dir schon Gutes gebracht hat!»
«Es gibt gewiss viele Dinge, die mir zum Guten hätten gereichen können und die ich nicht richtig genutzt habe», versetzte der Neffe, «und Weihnachten mag dazugehören. Aber jedes Mal, wenn das Christfest wiederkehrt, habe ich es – ganz abgesehen von der Verehrung, die seinem heiligen Namen und Ursprung gebührt, falls man davon überhaupt absehen kann – als eine gesegnete Zeit betrachtet, als eine freundliche, versöhnliche, barmherzige, fröhliche Zeit. Meines Wissens die einzige Zeit im langen Jahreskalender, zu der die Menschen einmütig ihr Herz aufzutun und an Tieferstehende zu denken scheinen, als wären sie tatsächlich Wandergefährten auf dem Weg zum Grabe und nicht eine andere Art von Geschöpfen, die andere Ziele verfolgen. Und darum glaube ich, Onkel, dass es mir wirklich Gutes gebracht hat, wenn es auch nie ein Bröcklein Gold oder Silber in meine Taschen zauberte, und dass es mir noch viel Gutes bringen wird, und darum sage ich: ‹Gott segne es!›»
Der Kommis in seinem Kasten klatschte unwillkürlich Beifall. Doch er wurde sich augenblicklich der Unziemlichkeit dieses Tuns bewusst und...