E-Book, Deutsch, Englisch, Band 2, 220 Seiten
Reihe: Das Medizinpferd
Dietmann Das Medizinpferd
1.0
ISBN: 978-3-944587-86-8
Verlag: spiritbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Unbreak my heart
E-Book, Deutsch, Englisch, Band 2, 220 Seiten
Reihe: Das Medizinpferd
ISBN: 978-3-944587-86-8
Verlag: spiritbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Drei Pferde hat die keltische Pferdegöttin Epona dazu bestimmt, an einem Ort zusammenzutreffen: Jack, Navarro und Korbas. Einen Mustang, einen schwarzen Elitehengst – und das Pferd von Valerie Rosenstein.
Die Pferdegöttin Epona hat wohl auch beschlossen, dass Valerie sich – ganz gegen ihren Willen – wieder verliebt. Vor dreizehn Jahren hat Paul ihr das Herz gebrochen, unheilbar, wie es scheint, denn je mehr Valerie sich zu abenteuerlichen Begegnungen mit dem Halbindianer Tom hinreißen lässt, desto heftiger kehrt der alte Schmerz wieder. Da taucht die exzentrische Hotelerbin Leonor Fini auf und engagiert Valerie als Personal Coach.
Immerhin könnte sie dadurch die Rechnung für ihre kaputte Heizung bezahlen. Aber das ist nur ein minimales Problem angesichts dessen, was die Göttin im Sinn hat. Valerie muss sich mit ihrer tiefen Angst, verlassen zu werden, konfrontieren. Bei den Pferden findet Valerie unerwartete Kraft und einen Weg der Befreiung.
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1 "Ich hatte einen seltsamen Traum letzte Nacht. Ich habe keine Ahnung, wie ich dazu komme, ich habe so etwas noch nie geträumt", sagte Valerie voller Überzeugung, so dass Korbas, der große traurige Braune, jedes Wort verstand. Genau so wie sie es gesagt hatte. Seine Hufe machten “klack klack klack” auf dem Asphalt, der zwei abgeerntete Maisfelder voneinander trennte. Es gab wenige Geräusche, die einen so ekstatischen Widerhall auslösen konnten. Sie hatte ein Gefühl, unsichtbar zu tanzen wie Faschingskonfetti, auch wenn es Anfang Oktober war, und Korbas andächtig wie in einer Osterprozession neben ihr herschritt. Seine Ohren drehten sich wie ein Windspiel. Valerie, von so großer Liebe und Zuneigung gepackt, weinte. Unerträglich schön. Der riesige Kopf schwenkte einen Hauch in ihre Richtung und das große sanfte Auge fiel in ihr Herz wie ein Tropfen flüssiges Gold. Er schnaubte und Valerie schnaubte unsichtbar mit.
Korbas wusste nichts von Sigmund Freuds Traumdeutung, und Sigmund Freud wusste nichts von Korbas goldenem Herzen. Und irgendwo dazwischen hing eine unaussprechliche Wahrheit, die keine Worte hatte. Vermutlich war es nicht wichtig, die Bedeutung des Traumes zu kennen. Es genügte voll und ganz hier zu sein, mit Korbas spazieren zu gehen und sich den Ekstasen hinzugeben, die vom Wellenschlag des Windes erzeugt wurden. Solange bis die Gedanken aufhörten und das reine Gefühl von Liebe alles überstrahlte. Wenn sie zu viel und zu lange nachdachte über die Mysterien von Träumen und anderem wurde Korbas ungehalten oder, was schlimmer war, sehr traurig. Er hatte recht. Genauso vorhersehbar war die Tatsache, dass Valerie nicht eher Ruhe geben würde, bis sie wusste, alles wusste, woher, wohin, warum und in welchem Winkel der Traum von letzter Nacht zu dem von vorletzter Nacht stand. Sie war eben eine Angehörige der Spezies Mensch. "In dem Traum sah ich eine Höhle, und da war diese Frau … umgeben von Licht, strahlendem Licht, wie soll ich sagen …" Valerie sah, wie der Meister des ungetrübten Seins die Ohren aufstellte. "Sie war überirdisch … eine Göttin. Sie sagte, ihr Name sei Epona, die Pferdegöttin. Da sah ich, dass sie auf einem Pferd saß, seitwärts. Mir war, als würde sie lächeln. Als ich aufgewacht bin, war ich glücklich. Es war ein wirklich schöner Traum.“ Valerie seufzte. „Aber es ist doch besser, wieder in der realen Welt angekommen zu sein." Korbas blieb stehen und Valerie blickte nach oben, dorthin, wo er seinen großen braunen Kopf wie einen Thron über der Landschaft aufgestellt hatte. Sein undurchdringliches Auge richtete sich auf etwas Unsichtbares in der Ferne. Radfahrer, Traktor oder entlaufener Zwergpudel, alles konnte hinter der Holunderhecke auf sie warten. Aber da war Nichts. Andererseits war Nichts ja auch etwas, dachte Valerie. Sonderbar. Die Erinnerung an den Traum tauchte wie ein sanft sprudelnder Springbrunnen erneut vor Valeries innerem Auge auf. Sie hüpfte, pfiff und schnalzte und Korbas setzte seinen mächtigen Körper in Trab, warf seine langen Beine eins vor das andere, die Hufe voraus, als wolle er der Welt ein royales Statement entgegenschleudern. Valerie rannte und Korbas trabte mit, den Kopf in die Höhe gestreckt, die Nüstern aufgebläht. Es hätte Valerie nicht gewundert, wenn er im nächsten Augenblick Feuer gespuckt oder sich in eine lila Dampfwolke aufgelöst hätte. Es ging ihnen gut, besser als sie es sich je hätten träumen lassen. Vor einem halben Jahr hatten sie beide den schwersten Verlust ihres Lebens erlitten. Valerie hatte ihre Tochter verloren und Korbas den ersten Menschen, der ihn in seinem von Gefängnishaft bestimmten Leben, mit Haut und Haar geliebt hatte. Das Schicksal hatte sie aneinander geschmiedet und jetzt waren sie unzertrennbar. Wie rücksichtsvoll der Riese war. Wie millimetergenau er seinen mächtigen Körper ausrichten konnte, damit er ihr nicht auf die Füße trat. Für Valerie unvorstellbar. Göttlich. Erhaben. Oft unwirklich. "Ich bin so glücklich!" Sie blieb stehen und brach wieder in Tränen aus. "Ja, ja, ja, ich bin so glücklich und es ist wirklich wahr.“ Sie lief wieder los und fing an zu singen: "He's a jolly good fella, he's a jolly good fella". Es gefiel Korbas. Die Falten um seine Augen wurden glatt und die großen dunklen Kugeln schillerten. Nachdem sie „Fella“ hundertmal wiederholt hatte, sang sie: "She loves you, yeah, yeah, yeah." Das gefiel ihm noch besser. Seine Beine schienen sich in Verzückung einzurollen, als wolle er einen Balletttanz vor Ludwig, dem Sonnenkönig, aufführen. Sie erreichten die Wegkreuzung mit der hundertjährigen Eiche und stellten sich unter die ausladende Krone. Valerie neigte sich Korbas zu und Korbas Valerie, bis sie sich in der Mitte trafen, einen hauchfeinen Abstand zwischen ihnen, so unvorstellbar fein, jetzt weinten beide. Der ganze Körper von Korbas weinte, der Kopf, der Rücken, die Beine, selbst der Schweif, das war zu erkennen – wenn man sehr fein hinsah –, es war ein warmes, freundliches Weinen, ein Weinen, aus dem Honig floss. "Ich weiß, auch du denkst an Miriam. Dass sie uns vielleicht sieht und glücklich ist, weil wir zusammen sind." Valerie schluchzte, dann wurde sie ruhig. "Vielleicht war es Miriam, die mir den Traum von der schönen Göttin geschickt hat." Zuhause googelte Valerie "Epona, die Pferdegöttin". Sie geriet auf die Seiten von Wiccas, Hexen, Heilerinnen und Anhängerinnen zahlreicher Göttinnen und landete schließlich auf einer Seite, in der sie die längste Passage über Epona, die Pferdegöttin, fand. Über ihre Herkunft war dort zu lesen: "Eponas Vater, der ein Frauenhasser war, hatte Verkehr mit einer weißen Stute, die ein hübsches Mädchen namens Epona gebar. Unter mythologischem Blickwinkel ist Epona das Kind einer Verschmelzung zwischen patriarchaler und matriarchaler Kultur, die Lösung einer metaphysischen Krise, die durch fremde Besiedlung verursacht wurde." Interessanter Stoff, dachte Valerie. Das erinnert mich an die metaphysische Krise, die ich erlitt, als mich Miriams Vater kurz nach der Geburt sitzen ließ. Interessant war auch die nächste Seite, auf der sich von Licht umhüllte Gestalten tummelten, die aussahen wie in ihrem Traum. Noch interessanter waren die Worte, die eine Person namens „soulhorse“ unter eines der digitalen Bilder gesetzt hatte: "Ich hatte das Gefühl, dass Epona mich rief, um ihr zu dienen. Es begann mit einem Traum, in dem ich eine in Licht getauchte Göttin sah. Sie trug ein Tuch über ihrem Kopf und das Licht, das ihren Körper umgab, schillerte in allen Farben des Regenbogens …" Valerie wurde heiß, dann kalt. Genau das hatte sie in ihrem Traum auch gesehen. Die Farben des Regenbogens. Sie stand auf und machte sich eine Tasse Tee. Wollte sie wirklich weiterlesen? Sie hatte das Gefühl, in den hypnotischen Bann von esoterischen Traumtänzern zu geraten. Valerie schwang ein Bein über ihren tibetanischen Schreibhocker. "Sie befand sich in einer unterirdischen Höhle. Ohne, dass ich es erklären kann, wusste ich, dass es sich um die Pferdegöttin Epona handelte. Ich konnte mich nicht erinnern von dieser Göttin gehört zu haben. Trotzdem kannte ich ihren Namen. Ihr Anblick war so wunderschön, dass ich im Traum weinte. Seither weine ich oft, wenn ich zu meinen Pferden gehe, denn in ihren Augen sehe ich das, was ich in diesem Traum gesehen habe. Seither will ich nichts anderes als dieses wunderschöne Licht wiederfinden und dieses Gefühl von bedingungsloser Liebe.“ Valerie stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ den Blick durch den Raum schweifen, um sicherzustellen, dass alles noch am selben Platz stand. Schluss, sagte sie und holte ein Glas Orangensaft aus der Küche. Auf dem Weg zurück, einen Schritt vor der Couch auf der noch die Bettdecke lag, blieb sie plötzlich wie gelähmt stehen. Sie hatte letzte Nacht im Wohnzimmer geschlafen, weil im Schlafzimmer ein Foto von Miriam hing, das sie nicht fertig brachte, abzuhängen. Korbas und Miriam im Licht der untergehenden Sonne. Auf dem Sofa war der Traum gekommen. In diesem Augenblick wusste sie, dass auch das Sofa sie nicht schützen konnte. Sie ließ sich auf die fliederfarbene Bettdecke fallen. Beim nächsten Atemzug wich alle Luft aus ihrem Körper und sie war nicht mehr als ein lebloser Sack Fleisch. Der Schmerz steckte wie ein silbernes Messer in ihrer Brust. Beim nächsten Klappern des Fensterladens würde ihr Herz aufhören zu schlagen. Miriam war tot. Alle andere Zuckerschneckenglasur. Ihr fiel auf, dass es dunkel geworden war. Der Computerbildschirm leuchtete wie ein Bote von einem fremden Stern. Das Gefühl, ein zweites Leben zu leben, das sie nach Miriams Tod begonnen hatte, machte sich leise breit. Ein zweites Leben, in dem es nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren gab. Da konnte sie auch wieder auf esoterischen Webseiten surfen und dem Hirngespinst einer Pferdegöttin namens Epona hinterher hängen. Valeries Lunge holte tief Luft und ihre Hand griff nach dem Orangensaft. „Epona ist eine Pferdegöttin und kein Gott in Menschengestalt. Für mich wohl die einzige Möglichkeit, den Schmerz zu überwinden, den ich durch Menschen erlitten habe.“ Die Webseite von „soulhorse“ war reichhaltig. Valerie hatte auf den Menüpunkt Meine Geschichte geklickt. Der Text musste mindestens fünfzehn Normseiten lang sein, aber als geübte Leserin hatte Valerie die Essenz schnell erfasst. Im Wesentlichen hatte „soulhorse“ ihren Traummann namens Udo geheiratet, wohlhabend, nicht gutaussehend, aber er hatte ihr drei Pferde geschenkt, ein arabisches Vollblut, eine Tinkerstute und einen Araber-Paint-Mix namens Udo. Der größte Teil der Geschichte drehte sich um die...