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E-Book, Deutsch, 727 Seiten

Reihe: ISSN

Dietrich Figur ohne Raum?

Bäume und Felsen in der attischen Vasenmalerei des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr.

E-Book, Deutsch, 727 Seiten

Reihe: ISSN

ISBN: 978-3-11-022073-5
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Nikolaus Dietrich legt ein neues Modell zum Verständnis der Räumlichkeit griechischer Bilder vor, das er anhand der Analyse von Landschaftselementen in der attischen Vasenmalerei des 6. und 5. Jh. v.Chr. entwickelt. In nahsichtigen Untersuchungen werden Motive wie Bäume, Felsen und Geländelinien in ihrer konkreten medialen Bedeutung erschlossen. Dabei erweist sich unser neuzeitliches Verständnis von Landschaftsraum als gänzlich ungeeignet für das Verständnis: Die Landschaftselemente bilden keine Räume ab, sondern sind integrierender Bestandteil der Figurendarstellung auf der Vase. Der Raum der griechischen Bilder stellt insofern keine Vorstufe, sondern eine grundsätzliche Alternative zu dem Bildraum dar, der uns seit der Renaissance geläufig ist. Damit wird die kulturelle Bedingtheit unseres Sehens deutlich.
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Zielgruppe


Wissenschaftler, Bibliotheken, Institute


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Vorwort;8
2;Inhaltsverzeichnis;12
3;Einleitung;14
4;Der Gegenstandscharakter der Landschaftselemente;36
5;Boden und Himmel/Grundlinie und Bildfeld;119
6;Vorbemerkungen;318
7;Heteronome Landschaftselemente;324
8;Der Erhalt des ästhetischen Eigenständigkeit;379
9;Geländelinien und ihre Bedeutung im Bild;493
10;Zusammenfassung/Summary;552
11;Anhang;568
12;Abbildungsnachweise;712
13;Bibliographie;694
14;Register;718


Der Erhalt des ästhetischen Eigenständigkeit (S. 366-367)


Felsige Felsen


Im Folgenden soll es um rotfigurige Felsdarstellungen des frühen 5. Jh. gehen, an denen gegenüber früheren rotfigurigen und (z.T. auch gleichzeitigen) schwarzfigurigen Felsen das Bestreben der Maler auffällt, das spezifisch ‚Felsige‘ an ihnen hervortreten zu lassen. Dieses Bestreben richtet sich auf die Unregelmäßigkeit der Form der Felsen mit ihren schroffen Kanten und Zacken, auf den aleatorischen Charakter ihrer Form, die durch den Nutzer des Felsens nicht frei wählbar ist, auf deren raue Oberfläche und auf deren Eigenschaft, schwer und unhandlich zu sein. Versuche der Maler, Felsen wahrhaft felsig erscheinen zu lassen, sind in diesem Zeitraum nicht neu: Beispiele für eine Gestaltung von Felsen, die mittels Binnenritzungen und mittels des Auftrags von Deckfarbe deren materielle Eigenschaften zum Vorschein bringen sollen, sind bereits in schwarzfiguren Bildern der zweiten Hälfte des 6. Jh. nachzuweisen.
Gegenüber diesen früheren Beispielen für ‚felsige‘ Felsen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, stellen die im Folgenden vorgestellten rotfigurigen Felsen des früheren 5. Jh. einerseits eine quantitative Steigerung ihrer Zahl dar. Wie es im folgenden gezeigt werden soll, bekommt die Ästhetisierung der rotfigurigen Felsen in diesem Zeitraum jedoch auch eine neue Qualität, insofern sie eine Eigendynamik entwickelt, durch die die im vorhergehenden Kapitel geschilderten Grundzüge der ikonographischen Verwendung von Felsen aus den Fugen gerät. Zur besseren Verdeutlichung dieses Phänomens sei es erlaubt, die schwarzfigurigen Techniken zur felsigen Charakterisierung von Felsen zeitweilig auszublenden.

Zwischen den Felsen, von denen Skiron von Theseus einmal auf dem Skyphos des Theseus-Malers um 500–490 in Toledo (Abb. 298) und einmal im Inneren der Schale des Douris um 480 in Berlin (Abb. 9) herabgestürzt wird, fallen die Unterschiede klar ins Auge. Der Felsen des Theseus- Malers ist als ein einfaches Oval ohne Binnenritzung gemalt. Die Fläche des Felsens dient offenbar v.a. als Folie für die Darstellung einer weißen Schlange. Anders der Felsen auf der Berliner Schale: Seine Dimensionen, seine markante Form und das Volumen, das er durch die Binnenzeichnung und den Gebrauch verdünnten Tonschlickers zur Verschattung der ‚Täler‘ bekommt, machen den Felsen selbst zum Blickfang. Die Gegenüberstellung des Skironfelsens des Douris mit frühen rotfigurigen Skironfelsen kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Auf der Florentiner Schale des Töpfers Kachrylion ist der Felsen ebenso wie beim Theseus-Maler vollkommen flächig wiedergegeben, mit dem Unterschied, dass hier die Fläche tongrundig ist (Abb. 299). Auf einer Schale um 510 in Privatbesitz ist anstelle eines Felsens eine Art niedriger Sockel dargestellt, von dem Skiron herabgestürzt wird (Abb. 300). Von welchem Gegenstand der Verbrecher genau herabgestürzt wird, scheint hier zweitrangig gewesen zu sein.
Ausgehend von diesen frühen rotfigurigen Skironfelsen, die keineswegs felsiger wirken als die etwa gleichzeitigen Felsen des Theseus-Malers, setzen sich die späteren Skironfelsen des Onesimos, des Kleophrades-Malers oder des Douris durch die Entwicklung einer spezifischen Ästhetik des Felsens ab, wenn auch nicht immer gleich deutlich und auf dieselbe Weise. Auf dem Theseuszyklus des Kleophrades-Malers um 490–480 in Bologna fehlen dem Skironfelsen zwar Binnenzeichnungen, die ihm Volumen verleihen würden (Abb. 10). Dafür erlangt er durch das spektakuläre Motiv des sich von hinten an den Felsen klammernden Skiron, durch das der Felsen dessen Oberkörper verdeckt und somit selbst umso mehr hervortritt, ein starkes Eigengewicht. Die Zyklusschale des Onesimos um 490–480 im Louvre zeigt zu der markanten hochaufragenden Form des Skironfelsens auch Binnenzeichnungen, die Volumen und eine unregelmäßige Form andeuten (Abb. 48).


Nikolaus Dietrich, Humboldt-Universität zu Berlin.


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