E-Book, Deutsch, Band 7, 270 Seiten
Reihe: Pulp Master
Disher Gier
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-927734-78-4
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Wyatt-Roman
E-Book, Deutsch, Band 7, 270 Seiten
Reihe: Pulp Master
ISBN: 978-3-927734-78-4
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wyatt ist Einzelgänger und von Beruf Verbrecher. Die Rechtsanwältin Anna Reid erzählt ihm von $ 300.000 Schwarzgeld im Safe ihres Partners. Zusammen schmieden sie einen Plan für einen Raubüberfall. Doch andere kommen ihnen in die Quere: Bauer - der Troubleshooter einer Organisation in Sydney, der sein Handwerk in Südafrika lernte, wo er reihenweise Schwarze umlegte. Ivan Younger - Hehler und Strohmann für alle Arten von windigen Geschäften und sein Brutalo-Bruder Sugarfoot, ein primitiver Cowboy-punk, der die Schnauze voll hat, immer nur den Rausschmeißer und Schuldeneintreiber für seinen Bruder zu mimen. Auch er will jetzt ein größeres Stück vom Kuchen ...
Garry Disher wurde 1949 im Süden Australiens geboren und wuchs auf einer Farm auf. Auf sein Konto gehen preisgekrönte Kinderbücher, klassische Romane, Sachbücher und Crime Fiction. Hierzulande gelang ihm mit Letzterem auf Anhieb der Durchbruch: Sein Romandebüt GIER um den Berufsverbrecher Wyatt wurde 2000 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, genauso wie 2002 sein erster Polizeiroman DRACHENMANN. Zuletzt erschien: ROSTMOND. Garry Disher lebt mit seiner Familie auf der Mornington Halbinsel.
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Eins Ein Ruck ging durch Wyatt. In der Auffahrt der Fromes war ein silberner BMW aufgetaucht. Die Scheinwerfer senkten sich, kamen wieder auf die richtige Höhe, als der Wagen auf die Lansell Road fuhr. Wyatt zählte die Köpfe. Frome am Steuer, seine Frau neben sich, die Kinder hinten. Er überprüfte die Zeit – 20.00 Uhr – und sah den BMW Richtung Toorak Road verschwinden. »Los geht’s«, sagte Sugarfoot Younger. Er griff nach dem Schlüssel im Zündschloß, aber bevor er ihn umdrehen konnte, umschlossen Wyatts Finger sein Handgelenk wie eine Stahlklaue. Sugarfoot sah sich um. In Wyatts schmalem Gesicht saßen die Augen eng und entschlossen. »Wir warten«, sagte Wyatt. Sugerfoot riß seine Hand los. »Verdammt, worauf denn?« »Die Leute vergessen Sachen, Sugar. Sie fangen an zu frieren und kommen zurück, um ihre Mäntel zu holen. Wir warten.« »Aha«, sagte Sugarfoot Younger verächtlich. Er zündete sich eine Zigarette an. Das Streichholz flammte auf, beleuchtete sein klotziges Gesicht, seinen Ekel vor der Welt, Wyatt und dem ganzen Mist drum herum. Er warf das Streichholz aus dem Fenster und fing an, an seinen Haaren zu zupfen, die zu einem kurzen Pferdeschwanz an seinem Hinterkopf zusammengefaßt waren. »Erste Lektion«, sagte er, und blies einen Rauchring gegen die Windschutzscheibe, um die Reaktion der stillen Gestalt neben ihm auf die Probe zu stellen, »schieße nicht über das Ziel hinaus.« Wyatt ging nicht darauf ein. Er hatte das nicht gewollt, hatte nicht gewußt, daß Ivan Younger seinen Bruder schicken würde. Er kurbelte sein Fenster herunter. Es war ein kühler Abend, die Luft roch nach Pflanzen und feuchter Erde. Es waren wenig Autos unterwegs, noch weniger Fußgänger. Von einem unauffällig geparkten Taxi aus beobachteten sie das Fromesche Anwesen, niemand beachtete sie. Ein paar Minuten später, als zwei ältere Frauen aus einem nahegelegenen Haus die Straße betraten, Gesichter und Haar schimmerten schmutzig weiß im Licht der Straßenlaternen, sagte Wyatt: »Schalt die Innenbeleuchtung ein und lies den Stadtplan. Versuch dein Gesicht zu verbergen.« »Verbergen?« fragte Sugarfoot. »Gibt’s jetzt auch noch Sprachunterricht?« Die Frauen spazierten am Taxi vorbei. Als Wyatt sich auf seinem Sitz umdrehte, um sie zu beobachten, warf seine knochige Nase einen hakenähnlichen Schatten über sein Gesicht. Er sah, wie die Frauen an einem kleinen Morris Sedan stehenblieben. Nach einigem Hin und Her wegen der Schlüssel und wer fahren würde, stiegen die Frauen in den Wagen und fuhren davon. Sie würden sich nicht an zwei Männer in einem Taxi erinnern, die nach einer Adresse suchten. Sugarfoot schaltete die Innenbeleuchtung aus und faltete den Stadtplan zusammen. »Mach schon, Wyatt. Wir hätten längst weg sein können.« Er schnippte seine Zigarette weg. »Noch fünf Minuten«, sagte Wyatt. Er beobachtete die Straße. Er würde die ganze Nacht warten, wenn ein Job das erfordern würde. Großmäuler wie Sugarfoot Younger wurden leicht nervös. Sie waren nie so stabil, wie man es gern hätte. Sie schluckten Aufputschmittel, pfuschten, machten Fehler. Was okay ist, dachte Wyatt, solange man nur nicht mit ihnen arbeitet. Im Sitz neben ihm seufzte Sugarfoot und verlagerte seine schweren Glieder. Er trug Levis, eine Jeansjacke, ein rotes Bandana um den Hals geknotet und hohe, beschlagene Lederstiefel. Er hätte seinen Stetson aufgesetzt, wenn Wyatt kein Theater gemacht hätte. Mit dem Handrücken streifte er über die Stoppeln an seinem Kinn. Offenbar erstaunt über das Geräusch und die Empfindung, tat er es noch einmal. Er wird gleich wieder anfangen zu labern, dachte Wyatt, warf einen flüchtigen Blick auf die glanzlosen, flachen Augen. Er kann sich einfach nicht beherrschen. Als hätte er auf seinen Einsatz gewartet, sagte Sugarfoot Younger: »Kennst du Jesse James? Den Banditen? Okay, paß auf. Er hatte diese beiden Brüder in der Gang, und ihr Nachname war Younger.« Er legte seinen Kopf in den Nacken und sah Wyatt an. »Ich schätze, das macht mich und Ivan zu den zweiten Younger Brüdern.« Er beobachtete Wyatt, wartete auf eine Antwort. Wyatt sagte nichts. Er hob nur sein Handgelenk, um die Uhrzeit zu überprüfen. Wie jede seiner Bewegungen war diese flüssig und sparsam. »Es gibt da diesen Film über sie«, sagte Sugarfoot. »The Long Riders. Wie sie dauernd in Auseinandersetzungen geraten, bis sie zurückschlagen. Sie überfallen Züge, Banken, alles mögliche. Ich habe das Video zu Hause.« Wyatt hatte von dieser Cowboy-Manie gehört. Die war höchstwahrscheinlich für den Namen Sugarfoot verantwortlich, ein Name aus einer alten Fernsehshow, aber er hoffte, daß der, der ihn Bruno Younger gegeben hatte, das ironisch gemeint hatte. Bruno Younger hatte mit einundzwanzig das richtige Alter für einen Cowboy-Punk, aber er war ein schwergewichtiger, brutaler Typ, und Wyatt konnte sich nicht vorstellen, wie er einen Zug von einem Pferderücken aus überfallen würde. »Zum Schluß gibt’s diese lange Szene«, sagte Sugarfoot. »Die Gang überfällt eine Bank in Northfield, Minnesota – The Great Northfield, Minnesota Raid –, aber sie sind in eine Falle geraten. Es ist in Zeitlupe gedreht«, sagte er. Er schwieg. »Orchestriert«, sagte er dann und – als würde er das Wort erproben –, wiederholte er: »es ist orchestriert. Sekunde für Sekunde, jeder Schuß in Großaufnahme.« Er beschoß die Windschutzscheibe mit dem Finger. »Puff. Dann dieses phantastische Dunk, wenn die Kugel einschlägt.« Wyatt schwieg immer noch. Sugarfoot, inzwischen ärgerlich, sagte: »Ivan glaubt, du bist Fachmann für Banken und gepanzerte Wagen und so.« Wyatt beobachtete weiter den spärlichen Verkehr und das Haus der Fromes, das abgeschirmt hinter kunstvoll beschnittenen Bäumen lag. Sugarfoot gestikulierte plötzlich. »Wenn du wirklich so gut bist, wie kommt es dann, daß du diesen beschissenen Versicherungsjob für ihn machst?« Gute Frage, dachte Wyatt. Ohne ihn anzusehen, wußte er, daß Sugarfoot den Kopf wie ein Klugscheißer hielt. Er war nicht überrascht, als Sugarfoot sagte: »Ich meine, es ist nicht gerade das, was man ein großes Ding nennen könnte. Hast du deine Nerven verloren?« Wyatt merkte sich die Uhrzeit. »Na ja«, sagte Sugarfoot lässig, »Ivan meint, du könntest mir ein paar Tricks aus dem Gewerbe beibringen, ich sollte also besser geduldig sein.« Wyatt atmete tief durch. Aber er schwieg. Das konnte warten. »Na klar, du könntest ein großes Ding vorbereiten und dir dazu hier das nötige Kleingeld beschaffen«, sagte Sugarfoot und musterte Wyatts Gesicht. »Vielleicht zusammen mit Hobba?« »Zieh deine Handschuhe an«, sagte Wyatt. Sugarfoot zog die Latex-Handschuhe über und startete den Motor. »Komm schon, Wyatt, geht’s um eine Bank? Einen Geldtransporter? Läßt du Ivan und mich mitmachen?« »Fahr endlich los«, sagte Wyatt und zog Handschuhe aus der Innentasche seiner dünnen, ockerfarbenen Lederjacke. Sugarfoot steuerte aus der Parklücke, über die Straße, in die Auffahrt des Frome-Hauses. Die Reifen des Taxis rollten knirschend über den Kies. Dicht aneinander gepflanzte Bäume beugten sich über die Auffahrt. Dann tauchte das Taxi aus der Dunkelheit auf, rollte auf eine gepflasterte Fläche vor dem Haus, an dessen Wand Efeu wie ein sich ausbreitender Fleck hochkroch. Über der Tür brannte Licht. »Park hier«, sagte Wyatt. »Tu das, was Taxis tun, Licht an, Motor laufenlassen.« »Das hast du mir alles schon mal erzählt.« »Ich erzähle es dir noch mal.« Sugarfoot bremste, schob den Schalthebel auf Parken. Beide Männer zogen Strumpfmasken über ihre Gesichter. Sie stiegen aus. Als Wyatt den beleuchteten Summer auf dem Türrahmen betätigte, murmelte er: »Denk dran, sie ist alt. Sie ist nur die Haushälterin.« »Lektion Nummer zwei«, sagte Sugarfoot. »Hör dir die gleiche Scheiße immer wieder und wieder an.« Wyatt hob die Hand. An einem Fenster hatte sich ein Vorhang bewegt. Die Haushälterin war da, genau wie Ivan Younger gesagt hatte. Das bedeutete, daß die Alarmanlage ausgeschaltet war. Die Haushälterin würde das Taxi sehen, die Sicherheitskette abnehmen und herauskommen, um nachzusehen. Sie warteten. Als die Tür sich öffnete, drückte Wyatt sie auf, Sugarfoot drängte sich hinter ihm hinein. »Oh«, sagte die Haushälterin. Sie griff sich ans Herz, schnappte nach Luft und wich zurück an die Wand. Ihr Haar schien in graue, unordentliche Büschel aufzuspringen. Puder hatte die Gläser ihrer Brille verschmiert. Sie trug Hausschuhe und roch nach Sherry. »Wir wollen Sie nicht verletzen«, sagte Wyatt freundlich. »Wir werden in fünf Minuten wieder weg sein. Aber wir müssen Sie zuerst fesseln, verstehen Sie?« Er drehte sich zu Sugarfoot um. »Hast du das Band?« Sugarfoot klopfte auf seine Jackentasche. Wyatt wandte sich wieder zur Haushälterin. »Wir...