E-Book, Deutsch, Band 1, 224 Seiten
Reihe: Tigerherz
Dix Tigerherz
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-3157-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Prinz des Dschungels
E-Book, Deutsch, Band 1, 224 Seiten
Reihe: Tigerherz
ISBN: 978-3-7325-3157-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tief verborgen im Regenwald lebt Raja, ein junger weißer Tiger. Ausersehen, einst über den Dschungel zu herrschen. Doch seit jeher gibt es Mächte, die nach seinem Leben trachten. Sein größter Feind ist Eisenkralle, der aufgrund einer Weissagung um seinen Thron fürchten muss. Als der gefährliche Tiger ihn aufspürt, muss Raja fliehen und alles zurücklassen, was ihm lieb ist. Gemeinsam mit dem klugen Gecko Biru macht er sich auf den Weg zur Insel der Schatten, wo seine Ausbildung zum Jäger beendet werden soll. Aber die Reise dorthin ist weit, und im Dschungel lauern überall Gefahren ...
Der spannende Auftakt einer großen Dschungel-Abenteuerserie!
Fabian Erlinghäuser arbeitet als Animation Supervisor für das Trickfilmstudio Cartoon Saloon in Irland. Er hat über 14 Jahre Erfahrung als Animator und Illustrator und u.a. für so renommierte Kunden wie Disney und Warner Special Marketing animiert. Der Kinofilm Song of the sea, bei dem er die Regie-Assistenz führte, wurde für den Oscar nominiert. Fabian Erlinghäuser hat schon für zahlreiche Verlage illustriert, ist freischaffender Zeichner für das bei Egmont erscheinende Mickey Maus-Magazin und unterrichtet seit 2010 jährlich an der Animation School Hamburg.
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Prolog
Der Große Drache war gekommen.
Wie in jedem Jahr war er von Osten herangeflogen und hatte seine Schwingen über das Land gebreitet. Sein Atem entfachte Winde und Stürme, sein Donnerruf ließ den Himmel erbeben. Feurige Blitze zuckten aus seinem dunklen Rachen, und wie immer folgte ihm wie ein Schatten der Regen.
Sturzbächen gleich ergoss er sich aus dem schwarzen, nur von Blitzen erleuchteten Himmel, ließ Bäche zu Flüssen anschwellen und Flüsse zu Strömen. Die See fern im Osten peitschte gegen die Klippen, festes Land verwandelte sich in weichen Schlamm. Die Welt schien aus den Fugen zu geraten, so wie in jedem Jahr, wenn der Drache kam.
Leben und Tod, so hieß es unter den Tieren des Dschungels, lagen nah beieinander in der Zeit des Drachen Monsun. Es waren Tage der Unsicherheit und der Erneuerung, des Hoffens und Bangens. Alle Tiere, von den kleinsten Insekten bis hinauf zu den großen und mächtigen Jägern, fürchteten den Großen Drachen und begegneten ihm mit Respekt, denn er war der Urvater allen Lebens, der Anfang und das Ende von allem, was im Dschungel existierte. Man zitterte vor ihm und suchte Zuflucht an Orten, die Sicherheit versprachen: auf hohen Felsen und in dunklen Höhlen, im Dickicht des Regenwaldes und im Gewirr der Mangroven. Kein Ort jedoch versprach solche Sicherheit wie Astana, der alte Königspalast, der sich inmitten des Dschungels auf einer Felsplattform erhob.
Umgeben von Palmen, die sich im Sturmwind bogen, ragten die uralten Türme auf, fünf an der Zahl. Ihre riesigen steinernen Gesichter starrten hinaus in die regengepeitschte Nacht, trotzten den Blitzen, dem Wind und dem Donner, wie sie es schon seit Unzeiten taten, seit den Tagen der Takrambuti, der felllosen Zweibeiner.
Im Inneren des alten Palasts jedoch hielten König Eisfell und sein Gefolge Hof. Denn trotz des Drachens, der draußen tobte und wütete, gab es Grund zur Freude. In den uralten Gewölben von Astana, in einer Kammer, deren löchrige Decke von steinernen Elefanten getragen wurde, hatte ein neues Leben das Licht der Welt erblickt.
»Ich muss wirklich sagen, er ist ganz außerordentlich gelungen, Euer Majestät!« Biru, erster Berater am Hofe des Königs, wuselte aufgeregt auf den nackten Steinplatten herum. Der türkisfarbene, mit orangeroten Sprenkeln versehene Körper des Geckos war in dem spärlichen Licht kaum zu erkennen. Dafür war seine schrille Stimme umso besser zu hören. »Ei, wie geglückt er ist!«, rief er und fügte ein begeistertes »Geck-geck-gecko!« hinzu. »Das weiche Fell! Die großen Öhrchen! Und erst die Pfötchen! Ihr müsst unglaublich stolz auf ihn sein, Majestät!«
Eisfell, der König der Tiger und Herrscher des Dschungels, blieb still. Aber die Art, wie der Blick seiner blauen Augen auf dem Neugeborenen ruhte, verriet alles.
Lange hatte König Eisfell sich einen Sohn gewünscht, einen Erben, dem er die Herrschaft über den Dschungel einst übergeben könnte, doch bisher war ihm dieser Wunsch versagt geblieben. Doch nun hatte seine Gefährtin Cinta einen Sohn geboren, dessen Fell ebenso weiß war wie das seines Vaters.
Der Blick, mit dem Eisfell Cinta bedachte, war voller Zuneigung und Dankbarkeit; die Königin lag auf dem kühlen Stein, noch immer erschöpft von der Strapaze der Geburt, aber voller Liebe für ihr neugeborenes Kind. Zärtlich schnupperte sie an ihm und leckte sein Fell, das noch nass und struppig war.
»Euer Majestät!«, sagte Biru plötzlich. »Das ist ja entsetzlich, geck-gecko! Euer Sohn, er … er ist blind! Dem Großen Drachen hat es gefallen, ihn ohne Augen in die Welt zu schicken!«
»Aber nein, Biru!«, widersprach Königin Cinta leise. »Alle Tigerbabys kommen blind zur Welt. Wusstest du das nicht?«
»Wi-wirklich?« Der Gecko zuckte ungläubig mit dem Kopf.
»Ja, natürlich«, versicherte die Königin. »In den ersten Tagen ihrer Geburt können kleine Tiger weder sehen noch hören. Nur ihr Geruchssinn ist bereits sehr ausgeprägt. Raja wird sich sein ganzes Leben lang an das erinnern können, was er in diesen Augenblicken gerochen hat.«
»Ist das so?« Immer noch nicht ganz überzeugt sah der kleine Gecko an sich herab, während er sich fragte, ob sein Geruch wohl für eine königliche Erinnerung taugen mochte. Dann erst wurde ihm klar, dass Königin Cinta ihr Neugeborenes gerade beim Namen genannt hatte. »Raja?«, fragte er.
Cinta nickte. »Das ist der Name, den der König für seinen Sohn und Erben ausgewählt hat.«
Biru sah Eisfell neugierig an. Der saß noch immer unbewegt da und betrachtete seinen Sohn. Von allen Tigern des Dschungels war Eisfell der mächtigste – und das nicht nur seiner Pranken und Kiefer wegen, die schon viele Feinde in die Flucht geschlagen hatten, sondern auch wegen seines weißen, von schwarzen Streifen durchzogenen Fells, dem er seinen Namen verdankte. Keines der Tiere, die den Regenwald bewohnten, hatte jemals Schnee oder Eis gesehen, beides kannten sie nur aus den alten Geschichten; doch wenn der Große Drache in seiner Weisheit beschloss, einem Tiger das Weißfell zu geben, so war damit große Macht verbunden und eine besondere Verantwortung.
»Das ist ein wunderbarer Name, Majestät«, sagte Biru. »Was bedeutet er?«
»In der Sprache der Takrambuti«, sprach König Eisfell mit tiefer Stimme, »bedeutet er ›König‹.«
»Dann hättet Ihr keinen besseren Namen finden können«, sagte der Gecko und wuselte über den Stein hin zu dem kleinen Tiger, der auf dem Rücken lag und die winzigen Pfoten von sich streckte, während seine Mutter ihm das Bauchfell säuberte.
»Kleiner Prinz Raja«, sagte Biru ergriffen, »noch bist du so klein und kannst noch nicht einmal sehen – und doch bist du schon auserwählt, dereinst über den Regenwald zu herrschen. Und ich schwöre dir, dass ich stets an deiner Seite sein und dir dienen werde, so wie ich deinem Vater stets …«
»Majestät!«
Der Ruf ließ sie alle herumfahren.
Nicht aus der Kehle eines Tigers war er gekommen, sondern aus der eines Leoparden. Ein schwarzer Panther war auf der Schwelle zur Geburtskammer aufgetaucht. Man konnte ihn nur deshalb sehen, weil in diesem Moment ein Blitz die Nacht erhellte. Aber das grelle Licht, das durch die Löcher in der Decke drang, riss nicht nur den Panther selbst aus der Dunkelheit. Es brachte auch das Blut zum Vorschein, das den Steinboden unter ihm rot färbte und sein schwarzes Fell glänzen ließ.
»Senjata!«, rief Königin Cinta entsetzt, als der Panther zusammenbrach.
Mit einem weiten Satz war König Eisfell bei ihm. Noch ehe er den Verwundeten erreicht hatte, verriet sein Geruchssinn ihm, was geschehen war.
»Ei-ein Überfall, Majestät«, brachte der Panther mühsam heraus. »Eisenkralle und seine Bande …«
Eisenkralle.
Eisfells Gesichtszüge versteinerten.
Wie oft schon war dieser brutale Räuber in sein Reich eingedrungen, und jedes Mal hatte er ihn in die Flucht geschlagen. Dass Eisenkralle und seine Mörderbande ausgerechnet in dieser Nacht im Palast auftauchten, konnte nur eines bedeuten …
»Er … will … das Kind«, sagte Senjata mit letzter Kraft – dann verlor er das Bewusstsein.
König Eisfell neigte sein Haupt und stieß ihn mit der Nase an, doch der Leibwächter regte sich nicht mehr. Eisfell nahm die Witterung auf. Nun, da er wusste, dass Eisenkralle in der Nähe war, fragte er sich, warum er den Gestank vorher nicht bemerkt hatte – die Luft im Palast war durchsetzt von dem fauligen Geruch des Verräters und seiner feigen Brut! Es musste an Raja liegen, an der Geburt des Jungen, und daran, dass Eisfell vor Stolz und Vaterglück alles um sich herum für einen Augenblick vergessen hatte.
Ein verhängnisvoller Fehler!
Der König richtete sich auf und straffte sich, sodass man die Muskeln unter seinem weißen Fell arbeiten sah. Dann legte er den Kopf in den Nacken und stieß ein wütendes Knurren aus, das gleichzeitig eine Warnung war – eine Warnung an jene, die sich im Schutz der Nacht in Astana eingeschlichen hatten und es wagten, ihn aus dem Hinterhalt anzugreifen.
»Cinta!« Er wandte sich an die Königin. »Du bleibst bei Raja, egal was passiert!«
»Aber ich …«
»Egal was passiert«, wiederholte Eisfell scharf und sah sie durchdringend an. Ihre Blicke trafen sich, und sie verstanden einander ohne ein weiteres Wort.
Raja war die Zukunft.
Was auch immer geschah, er musste überleben.
Alles andere war nicht von Belang.
»Biru, bleib bei deiner Königin«, befahl Eisfell und wollte gerade die Kammer verlassen, als erneut ein Blitz über den Himmel zuckte. Gleichzeitig donnerte es, so laut und durchdringend, dass der alte Palast in seinen Grundfesten zu erbeben schien. In dem grell flackernden Licht trat eine Gestalt aus dem Dunkel, das jenseits des Eingangs lag.
Ein Tiger.
Sein Alter mochte dem des Königs entsprechen, aber er war weniger muskulös gebaut und besaß nicht dessen stolzen Wuchs und majestätische Haltung. Sein Fell war nicht weiß, sondern hatte die Farbe von Eiter, mit rostfarbenen Einsprengseln am Rücken. Seine Streifenzeichnung war seltsam kantig, sein Kopf schmal und von Narben gezeichnet. In seinen Augen loderte ein gelbes Feuer, das von Mordlust zeugte. Weitaus...