Domenico | Das Brevier der Verwandlungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 284 Seiten

Domenico Das Brevier der Verwandlungen

Metamorphosen im Tierreich

E-Book, Deutsch, 284 Seiten

ISBN: 978-3-99037-146-6
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



'Verwandlung ist nicht nur ein Aspekt des Lebens: Das Leben selbst ist Transformation, Verwandlung.' Dass Raupen sich in Schmetterlinge, Kaulquappen in Frösche verwandeln, weiß jeder - wie ungeheuer vielfältig und verbreitet jedoch Metamorphosen im ganzen Tierreich sind, zeigt erstmals dieses Buch. Zwei oder mehr Leben zu haben, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel: Jedes Mal entsteht dabei ein völlig neues Lebewesen. Schwämme, Medusen und Krebstiere können Klone ihrer selbst erzeugen, Austern, Kröten, Hühner nach Belieben das Geschlecht wechseln. Die Verwandlungsleistungen von Fischen und Insekten sind schier unbegrenzt. Und die Qualle Turritopsis hat sogar einen Weg zur Unsterblichkeit gefunden ... Mit einer Fülle erstaunlicher Geschichten entfaltet der passionierte Forscher ein Kaleidoskop der Lebensformen, das faszinierende Brevier überaus erfolgreicher Evolutions- und Überlebensstrategien, die bis zum Homo sapiens reichen.

Marco Di Domenico, den Biologen und Entomologen, Jahrgang 1967, mit Forschungsdoktorat an der Sapienza in Rom, hat es von dort in die Türkei und nach Sudafrika geführt. Dort spürte er vor allem der Morphologie und Ethologie der Libellen nach. Er war wissenschaftlicher Leiter des Naturmuseums in den Monti Prenestini, bevor er sich auf Biodiversität, invasive exotische Fauna und Insekten als Krankheitsüberträger fokussierte. Er hat mehrere Sachbücher verfasst.
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Weitere Infos & Material


Einleitung

Teil I Wirbellose Meerestiere
Teil II Chordatiere
Teil III Fische
Teil IV Wirbellose Landtiere
Teil V Parasiten
Teil VI Amphibien: Metamorphose und Neotenie

Epilog
Danksagung
Bibliografie


Teil II
Chordatiere
Wir Wirbeltiere, also Tiere mit Wirbelsäule, gehören gemeinsam mit Unterstämmen, die vollkommen anders aussehen als Wirbeltiere, zum Stamm der Chordatiere. Chordatiere besitzen eine Chorda dorsalis, eine „Rückensaite“. Das allein unterscheidet sie von allen anderen Tieren. Die lange, robuste und gleichzeitig flexible Chorda dorsalis verläuft unterhalb des Neuralrohrs und stützt den Körper. Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Die Taxonomie in der Biologie ähnelt einer Matrjoschka, wobei in jeder Puppe eine oder Hunderte weitere stecken können. Wenn wir der Einfachheit halber bei der klassischen Taxonomie bleiben, die Tiere also ein Reich bilden, verbergen sich in der Matrjoschka „Tierreich“über 30 Puppen: die Stämme der Schwämme, Nesseltiere, Weichtiere, Ringelwürmer, Plattwürmer, Gliederfüßer, Chordatiere und so fort. In der Matrjoschka Chordatiere stecken wiederum drei: die Unterstämme der Manteltiere (Urochordata), Schädellosen (Cephalochordata) und von uns Wirbeltieren. Die Vorsilben „Uro“ und „Cephalo“ bedeuten Schwanz beziehungsweise Kopf. Manteltiere haben nur im hinteren, Schädellose auch im vorderen Körperbereich eine Chorda dorsalis. Manteltiere heißen so, weil sie von einem Mantel umhüllt sind. Und wir Wirbeltiere haben wie gesagt Wirbel. Aber was ist dann mit der Chorda? Bei Schädellosen sowie einigen einfachen, heute ausgestorbenen Wirbeltieren bleibt die Chorda lebenslang als stabilisierende Rückenachse bestehen, bei Manteltieren verschwindet sie dagegen im adulten Stadium. Und bei den Wirbeltieren wird sie schon beim Embryo durch die Wirbelsäule ersetzt. Wirbeltiere sind somit die modernste Ausgabe der Chordatiere. Doch auch wenn sie eine knöcherne Wirbelsäule entwickelt haben, stammen sie von den ersten Chordatieren ab. „Die Ontogenese ist eine kurze Wiederholung der Phylogenese“, hat Ernst Häckel geschrieben. Die Entwicklung von der Befruchtung bis zur Geburt wiederholt also im Schnelldurchlauf das, wofür die Evolution Millionen Jahre brauchte. Es ist, als ob wir alle uns als Embryos entsprechend den Phasen der Evolution entwickeln und verwandeln. Und alle Embryos der Chordatiere ähneln sich, denn auch der Embryo der Wirbeltiere besitzt zunächst eine Chorda, die sich dann aber weiterentwickelt. Allerdings bleibt in den Bandscheiben ein Teil der Chorda erhalten, der an unsere Vergangenheit als durchsichtige Meerestierchen erinnert. Wir wollen uns auf den folgenden Seiten unsere Vorfahren einmal näher anschauen. Dann wird auch klar, warum sie in einem Buch über Metamorphose vorkommen. Manteltiere und Schädellose: unsere nächsten Verwandten
Manteltiere sind in den Meeren mit über 2000 Arten vertreten. In der Matrjoschka „Unterstamm Manteltiere“ stecken drei Puppen: die Klassen der Seescheiden, Salpen und Appendikularien. Wie viele Meerestiere entwickeln sich Manteltiere aus Larven, die sich grundlegend von den adulten Tieren unterscheiden. Die Larven der Seescheiden ähneln winzigen Kaulquappen: mit kugelförmigem Vorderteil und langem, dünnem Hinterteil. An der Kugel, die nur wie ein Kopf aussieht, aber keiner ist, öffnet sich eine Mundhöhle mit Kiemenspalten, dahinter folgt ein kurzer Darm. Mit den Kiemenspalten filtriert die Larve Nahrung aus dem Wasser und absorbiert Sauerstoff. Oberhalb der Mundhöhle befindet sich ein Hirnbläschen, eine Hirnanlage mit dünnem Neuralrohr, das sich entlang des „Schwanzes“ fortsetzt. Unter dem Neuralrohr verläuft die Chorda. Das ist schon das ganze Tier. Von der Strömung getragen und vom Sonnenlicht angelockt, zucken Seescheidenlarven durchs offene Meer und fressen Mikroorganismen. Doch schon nach wenigen Lebenstagen sinken sie auf den dunklen Grund, haften sich an Felsen, große Muscheln, Holzpfähle, Schiffsrümpfe oder andere feste Untergründe und verwandeln sich. Der Schwanz verschwindet und damit auch die Chorda und ein Großteil des Neuralrohrs. Die Larve ist nun ein durchsichtiges Säckchen mit Atemrohr, durch das Wasser, Sauerstoff und Nahrung ein- und ausströmen, und sie legt sich einen zellulosehaltigen Mantel zu. In Form und Ökologie ähnelt sie jetzt einem Schwamm: sesshaft, mit Atemrohr, und als Filtrierer. Hat sie einmal einen Ort zum Anhaften gefunden, verlässt sie ihn nicht mehr. Die Seescheiden oder Ascidien gehören, ob es uns gefällt oder nicht, in der enormen Vielfalt des Tierreichs zu unseren nächsten Verwandten. Es gibt solitäre und Kolonien bildende Seescheiden, und manche ähneln eher Pflanzen als Tieren. In manchen Kolonien sind alle in einen gemeinsamen Mantel gehüllt. Adulte Seescheiden besitzen keine Chorda und ähneln Schwämmen, aber ihre Kaulquappen-Larve beweist uns eindeutig, dass sie Chordatiere sind wie wir. Anders als die Seescheiden bleiben die Salpen stets planktonisch. Die Larve verwandelt sich in ein beutelförmiges, durchsichtiges, häufig biolumineszierendes, also leuchtfähiges adultes Tier. Salpen lassen sich von der Strömung in einer langen Kette tragen, die durch Knospung des ersten, durch geschlechtliche Fortpflanzung gezeugten Tiers entsteht. Alle Individuen der Kette können sich geschlechtlich fortpflanzen. Der Unterstamm der Appendikularien ist winzig, planktonisch und behält als adultes Tier die Merkmale der Larve bei: Appendikularien haben einen kugelförmigen „Kopf“, einen langen Schwanz, in dem die Chorda weiterbesteht, und sehen genauso aus wie die Kaulquappenlarven der Seescheiden, was sich vermutlich durch Neotenie erklären lässt. Der Unterstamm der Schädellosen, der nur noch mit drei marinen Lanzettfischchen-Gattungen vertreten ist, hat schon einen ersten Schritt in Richtung Wirbeltiere vollzogen. Schädellose sehen aus wie Fische ohne Schädel und trugen entscheidend zum wissenschaftlichen Fortschritt bei. Studien, die man im Neapel des 19. Jahrhunderts an ihnen durchführte, begründeten die Embryologie. In Neapel nannte man die rätselhaften Tierchen zumparielli. Zu den beeindruckendsten Menschen, die ich je kennengelernt habe, gehörte Pietro Dohrn. Er war der Enkel des deutschen Pioniers der Embryonenforschung, Anton Dohrn, der 1872 die Meeresforschungsstation in Neapel aus der Taufe hob. Von 1954 bis 1967 leitete Pietro die Station und zog dann sehr viel später aufs Land, in das kleine Colli sul Velino in der Provinz Rieti, wo er auf den Ländereien seines wunderbaren alten Hauses, direkt neben einer römischen Villa und einem Kanal, biologischen Dinkel anbaute. Ich wohnte damals in Rieti und kaufte bald ein Haus in seiner Nähe. Im Dorf war er „der Deutsche“. Ich hatte gerade erst mein Diplom gemacht und besuchte ihn oft. Er zeigte mir den Briefwechsel zwischen Charles Darwin und seinem Großvater, und während wir Tee tranken und über Insekten, Geschichte, biologische Landwirtschaft und das Unwissen der Politiker sprachen, nahm er Anrufe von Wissenschaftlern aus aller Welt entgegen. Sein Italienisch mit deutschem Akzent war unverkennbar neapolitanisch gefärbt. Er hatte einen Sohn verloren, und seine blauen Augen blickten stets melancholisch. Ich führte damals, wenige Kilometer vom Dorf, eine Studie am Lago di Ventina durch. Diesen kleinen See mit seiner unermesslichen biologischen Vielfalt hatte Pietro besonders ins Herz geschlossen. Seinem Schutz galt sein letzter großer Kampf. Leider wurde in der Nähe trotzdem eine Autobahn gebaut, aber ich glaube, er würde sich freuen, wenn er wüsste, dass der See mittlerweile unter Naturschutz steht. Die Larven der Lanzettfischchen sind dünn und lang, und die Chorda verläuft, wie wir schon gesehen haben, entlang des gesamten Körpers. Mund und Kiemen sind seltsamerweise asymmetrisch angeordnet. Links öffnet sich der Mund, rechts arbeiten die Kiemen. Nach einigen Wochen als planktonische Filtrierer machen die winzigen Larven eine Metamorphose durch und sinken auf den Grund. Der Mund wandert zum Bauch und bekommt Borsten, die Kiemen wachsen. Die Lanzettfischchen werden länger, nehmen die Form einer seitlich abgeflachten Lanzette an und beginnen, im Sand vergraben, ihr benthisches Leben. Entlang des Rückens verläuft eine schmale Flosse, verbreitert sich zu einem Schwanz und setzt sich, wie bei vielen Fischen, am Bauch fort. Lanzettfischchen sind der Prototyp aller nachfolgenden Chordatiere, sozusagen die Ursprungs-Blaupause: zweiseitig symmetrisch, länglich, gestützt von einer robusten, biegsamen Rückenachse und dank seitlicher, modularer Muskelbänder fortbewegungsfähig. Letztere wurden von allen nachfolgenden Chordatieren, einschließlich uns, übernommen. Einige winzige Details fehlen allerdings noch: Kopf, Gehirn, Sinnesorgane, Werkzeuge. Doch mit den Neunaugen kommt etwas Neues hinzu. Neunaugen: falsche Fische
Neunaugen werden oft als Fische bezeichnet. Allerdings stellen Fische keine klar definierte Tiergruppe dar. Sie können hinsichtlich Anatomie und Anpassungsstrategien höchst unterschiedlich und abstammungsgeschichtlich sehr weit voneinander entfernt...


Ammann, Christine
Christine Ammann übersetzt seit mehr als 20 Jahren aus dem Italienischen, Französischen und Englischen. Zu ihren Autoren gehören David G. Haskell, Stefano Mancuso, Gianluigi Nuzzi oder Louis-Philippe Dalembert. 2016 Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis.

Domenico, Marco Di
Marco Di Domenico, den Biologen und Entomologen, Jahrgang 1967, mit Forschungsdoktorat an der Sapienza in Rom, hat es von dort in die Türkei und nach Sudafrika geführt. Dort spürte er vor allem der Morphologie und Ethologie der Libellen nach. Er war wissenschaftlicher Leiter des Naturmuseums in den Monti Prenestini, bevor er sich auf Biodiversität, invasive exotische Fauna und Insekten als Krankheitsüberträger fokussierte. Er hat mehrere Sachbücher verfasst.

Marco Di Domenico, den Biologen und Entomologen, Jahrgang 1967, mit Forschungsdoktorat an der Sapienza in Rom, hat es von dort in die Türkei und nach Sudafrika geführt. Dort spürte er vor allem der Morphologie und Ethologie der Libellen nach. Er war wissenschaftlicher Leiter des Naturmuseums in den Monti Prenestini, bevor er sich auf Biodiversität, invasive exotische Fauna und Insekten als Krankheitsüberträger fokussierte. Er hat mehrere Sachbücher verfasst.


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