E-Book, Deutsch, Band 142, 443 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Frühe NeuzeitISSN
Doms Die Viel-Einheit des Seelenraums in der deutschsprachigen barocken Lyrik
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-11-023093-2
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Band 142, 443 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Frühe NeuzeitISSN
ISBN: 978-3-11-023093-2
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Das christliche Dogma von der unteilbaren Einheit der Seele wird in der barocken Anthropologie durch vielfältige Hinweise auf eine Pluralität des Psychischen in Frage gestellt. Während dies in der philosophischen Begrifflichkeit zu unüberwindlichen logischen Widersprüchen führt, gelingt es der zeitgenössischen literarischen Bildlichkeit ohne Schwierigkeiten, das Seelische als ‚mannigfaltige Einigkeit‘ zu entwerfen. Mit Hans Blumenberg kann man die plural-einheitlichen Seelenmetaphern der Frühen Neuzeit als unbegriffliche Antwort auf die begrifflich nicht zu beantwortende Frage nach der psychischen (In-)Kohärenz betrachten. An den Seelenbildern barocker Lyrik untersucht die Studie die Varianten und besonderen Bedingungen einer solchen seelischen ‚Viel-Einheit‘, deren Zustandekommen sich wesentlich aus der gleichzeitigen Offenheit des Psychischen für Gott und die Welt erklären lässt. Im Vordergrund stehen dabei Gedichte, in denen die Seele als klar raumbezogenes Gebilde bzw. als Raum entworfen wird. Betrachtet werden aus syn- wie aus diachroner Perspektive u.a. Seelentafeln, -punkte und -strahlen, psychische Abgründe, Häuser, Gärten, Städte und Reiche, fließende und unendlich geweitete, leere und mannigfach gefüllte Seelenräume.
Zielgruppe
Literaturwissenschaftler, Bibliotheken, Institute / Academics (Literary Studies), Libraries, Institutes
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;1. Seele, Raum, Metapher – Einleitende Vorbemerkungen;8
3;2. Jenseits der Metapher – Seelische Einheit und seelische Pluralität im Spiegel frühneuzeitlicher Seelenkonzepte;77
4;3. Seelenräume – Zur Viel-Einheit der Seele in der räumlichen und raumzeitlichen Seelenbildlichkeit barocker Gedichte;104
5;4. Viel-Einheitsstrukturen in der Seelenraummetaphorik des Barock – Zusammenfassung und abschließende Reflexionen zum anthropologischen Gehalt der Seelenbildlichkeit;396
6;5 Bibliographie;400
7;Personenregister;438
Anthropologische Reflexionen finden, so lautete die Ausgangsüberlegung der vorliegenden Untersuchung, nicht nur in wissenschaftlichen Kontexten statt. Auch in Bildern denkt der Mensch über sich nach, besonders dann, wenn er in seinen Gedankengängen auf Fragen stößt, die sich logisch-begrifflich nicht beantworten lassen. Eine der Fragen, auf die in den christlich-abendländischen Entwürfen vom Menschen keine begrifflichen Antworten möglich sind, ist jene nach der Einheit oder der Pluralität des Seelischen. Während die abendländische Metaphysik über Jahrtausende die absolute Einheit und Unteilbarkeit der Seele fordert, lassen die Introspektion und das Nachdenken über die (seelisch) bedingten Lebensäußerungen des Menschen das Psychische immer wieder als Mannigfaltigkeit erscheinen. Problematisch ist dies vor allem insofern, als in der Begrifflichkeit von ein und derselben Sache nicht gleichzeitig gegensätzliche Aussagen gemacht werden können. Im Eingangskapitel wurde in Anlehnung an die metaphorologischen Reflexionen Blumenbergs die Hypothese entwickelt, dass dieses Problem in der (absoluten) Seelenmetaphorik seine Lösung findet. Da die Unbegrifflichkeit des Bildes nicht an die Einhaltung der Gesetze der Logik gebunden ist, könnten, so die Überlegung, im sprachlichen Seelenbild die beiden polar entgegengesetzten Seelenwahrnehmungen des Abendlands ohne Schwierigkeiten miteinander versöhnt und das Psychische zu einer anschaulichen Viel-Einheit verschmolzen werden.
Exemplarisch wurden im Hauptteil der vorliegenden Studie solche sprachlichen Seelenbilder des Barock auf ihre Vielheit bzw. Einheit hin befragt, in denen die Räumlichkeit des Psychischen eine entscheidende Rolle spielt (›Seelenraummetaphern‹). Es ließ sich zeigen, dass zumindest in dieser Metapherngruppe die Seele in der Regel tatsächlich als Viel-Einheit entworfen wird. Diese wird allerdings von Sprachbild zu Sprachbild auf ganz unterschiedliche Weise realisiert. Manchmal kann sie schon in der rein geometrisch-formalen Gestaltung der Seelenraum Bildlichkeit nachgewiesen werden (vgl. besonders Abschnitt 3.3). In anderen Fällen verdankt sich der Eindruck einer seelischen Viel-Einheit wesentlich der inhaltlichen Gestaltung des psychischen Raums (vgl. die Abschnitte 3.4 und 3.5). Zum Teil kann der Seele gleichzeitig eine vielheitliche wie auch eine einheitliche Beschaffenheit attestiert werden, zum Teil entfaltet sich die Viel-Einheitlichkeit in einem zeitlichen Nacheinander und wird erst in diachroner Betrachtung sichtbar. Die in den Abschnitten 3.6 bis 3.8 untersuchten Extrem- und Auflösungsformen seelischer Räume, die sowohl in Bezug auf ihre äußere Form wie auch hinsichtlich ihrer Inhalte einschneidende Veränderungen erfahren, erscheinen auf den ersten Blick häufig vollständig pluralisiert. Bei genauerem Hinsehen lässt sich allerdings bei allen betrachteten Beispielen dieses Seelenraumtyps auch eine gewisse psychische Einheit nachweisen. Selbst bei jenen Räumen, die von den Sünden zur Gänze pluralisiert werden (vgl. Abschnitt 3.7), ist zumindest ein viel-einheitlicher Ausgangszustand des Seelischen vorauszusetzen, der systematisch verkehrt wird – und gegebenenfalls durch eine höhere Macht (Gott) auch wieder hergestellt werden kann. Auch die Extrem- und Auflösungsformen des Seelenraums verbreitern somit das Spektrum der Realisationen psychischer Viel-Einheit. Vielfältig realisiert erscheint die seelische Viel-Einheit weiterhin auch dadurch, dass viel-einheitliche Seelenräume in ihrem ›Einheits-‹ bzw. ›Vielheitsgrad‹ stark divergieren können. Beeinflusst wird der Kohärenzgrad des Seelenraums unter anderem durch seine Stellung zwischen den Polen der Statik und der Dynamik sowie – zumindest, sofern es sich bei ihm um ein heterogen gefuülltes Gebilde handelt – zwischen den Polen der Ordnung und der Unordnung.