E-Book, Deutsch, 270 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
Doyle / Hanowell Der Hund der Baskervilles
Neuübersetzung
ISBN: 978-3-15-962470-9
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein weiteres Abenteuer von Sherlock Holmes - Der vielleicht düsterste der vier Sherlock-Holmes-Romane
E-Book, Deutsch, 270 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
ISBN: 978-3-15-962470-9
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Arthur Conan Doyle (22.5.1859 Edinburgh - 7.7.1930 Crowborough), britischer Allgemeinmediziner und Schriftsteller, gilt mit seinen Erzählungen um den genialen Meisterdetektiven Sherlock Holmes und dem mutigen Militärarzt Dr. John Watson als ein Vater der Detektivgeschichte. Der Erfolg ließ Anfangs auf sich warten: Die ersten beiden Bände des Detektiven aus der Londoner Baker Street A Study in Scarlet (dt. Eine Studie in Scharlachrot, 1887) sowie The Sign of Four (dt. Das Zeichen der Vier, 1890) wurden wenig beachtet, genauso wie Doyles historische Romane Micah Clarke und The White Company. Erst als kriminalistische und in sich abgeschlossene Kurzgeschichten im 1891 gegründeten Strand Magazine gelang den Abenteuern des Sherlock Holmes der Durchbruch. Die ersten zwölf dieser Erzählungen wurden unter dem Namen The Adventures of Sherlock Holmes (dt. Die Abenteuer von Sherlock Holmes) veröffentlicht. Der 1930 verstorbene Doyle hinterließ der Nachwelt insgesamt 56 Kurzgeschichten und vier Romane der Kultfigur mit Tweedmütze und Pfeife. Die breite Medienresonanz in Prosa, Dramen, Comics, Filmen und Fernsehserien ist bis heute ungebrochen.
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KAPITEL I
MR. SHERLOCK HOLMES
MR. Sherlock Holmes, der morgens für gewöhnlich sehr spät aufstand, abgesehen von jenen nicht seltenen Gelegenheiten, wenn er die ganze Nacht aufgeblieben war, saß am Frühstückstisch. Ich stand auf dem Kaminvorleger und griff nach dem Stock, den unser Besucher den Abend zuvor hinterlassen hatte. Es war ein feines, stabiles Stück Holz mit knollenförmigem Knauf, von jener Sorte, die als »Penang-Lawyer« bekannt ist. Genau unterhalb des Knaufs war ein breites Silberband, das fast einen Inch maß. ›Für James Mortimer, M. R. C. S., von seinen Freunden im C. C. H.‹, war darauf eingraviert, mit dem Datum ›1884‹. Es war ein Stock, gerade wie ihn der altmodische Hausarzt zu tragen pflegte – würdevoll, solide und zuverlässig.
»Nun, Watson, was machen Sie daraus?«
Holmes saß mit dem Rücken zu mir, und ich hatte ihm keinen Hinweis auf meine Beschäftigung gegeben.
»Woher wussten Sie, was ich gerade tue? Ich glaube, Sie haben Augen im Hinterkopf.«
»Ich habe zumindest eine gut polierte silberne Kaffeekanne vor mir stehen«, sprach er. »Aber sagen Sie, Watson, was halten Sie von dem Stock unseres Besuchers? Da wir das Pech hatten, ihn zu verpassen, und keine Ahnung von seinem Anliegen haben, gewinnt dieses zufällige Souvenir an Bedeutung. Lassen Sie mich hören, wie Sie den Mann durch eine Untersuchung des Stocks rekonstruieren.«
»Ich glaube«, sagte ich, wobei ich den Methoden meines Gefährten, so gut ich konnte, folgte, »dass Dr. Mortimer ein erfolgreicher älterer Arzt ist, sehr geschätzt, da diejenigen, die ihn kennen, ihm dieses Zeichen ihrer Anerkennung haben zukommen lassen.«
»Gut!«, sagte Holmes. »Ausgezeichnet!«
»Außerdem glaube ich, dass die Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass er ein Landarzt ist, der einen Großteil seiner Besuche zu Fuß unternimmt.«
»Warum das?«
»Weil dieser Stock, obwohl er ursprünglich sehr schön war, so ramponiert wurde, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass ein Arzt in der Stadt ihn bei sich trägt. Die dicke Eisenspitze ist abgenutzt, daher ist es offensichtlich, dass er damit viel gelaufen ist.«
»Absolut zutreffend!«
»Und dann gibt es da die ›Freunde im C. C. H.‹. Ich schätze, dass es sich um irgendeine ›Hunt‹ handelt, die örtliche Jagdgesellschaft, deren Mitgliedern er womöglich ärztliche Hilfe geleistet hat und die ihm im Gegenzug ein kleines Geschenk gemacht haben.«
»Wirklich, Watson, Sie übertreffen sich selbst«, sagte Holmes, schob seinen Stuhl zurück und zündete sich eine Zigarette an. »Ich bin geneigt zu sagen, dass Sie in allen Berichten, die Sie freundlicherweise über meine kleinen Erfolge abgeliefert haben, ständig Ihre eigenen Fähigkeiten unterbewertet haben. Mag sein, dass Sie selbst nicht brillant leuchten, doch Sie sind ein Träger der Erleuchtung. Einige Menschen, die selbst kein Genie besitzen, haben eine bemerkenswerte Fähigkeit, es bei anderen anzuregen. Ich bekenne, mein lieber Freund, dass ich tief in Ihrer Schuld stehe.«
So war er noch nie aus sich herausgekommen, und ich muss zugeben, dass seine Worte mir große Freude bereiteten, denn ich bin oft verärgert gewesen über seine Gleichgültigkeit gegenüber meiner Bewunderung und meinen Bemühungen, die ich unternommen hatte, um seinen Methoden öffentliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Darüber hinaus war ich stolz zu glauben, dass ich sein System inzwischen so weit beherrschte, um es auf eine Weise anwenden zu können, die seine Zustimmung finden würde. Jetzt nahm er mir den Stock aus der Hand und betrachtete ihn eine Weile mit bloßem Auge. Mit einem Ausdruck von Interesse legte er dann seine Zigarette ab, trug den Stock zum Fenster und besah ihn sich erneut mit einer konvexen Linse.
»Interessant, wenn auch elementar«, sagte er, als er zu seiner Lieblingsecke des Sofas zurückkehrte. »Auf dem Stock gibt es sicherlich einen Hinweis oder zwei. Das liefert uns die Grundlage für mehrere Deduktionen.«
»Ist mir etwas entgangen?«, fragte ich mit einem Anflug von Selbstherrlichkeit. »Ich hoffe, da ist nichts Wichtiges, was ich übersehen habe?«
»Ich fürchte, mein lieber Watson, dass die meisten Ihrer Schlussfolgerungen falsch waren. Als ich sagte, dass Sie mich anregen, meinte ich damit, um ehrlich zu sein, dass ich, indem ich Ihre Irrtümer zur Kenntnis nahm, gelegentlich zur Wahrheit geführt wurde. Nicht, dass Sie in diesem Fall gänzlich falschliegen. Der Mann ist sicherlich Landarzt. Und er ist viel zu Fuß unterwegs.«
»Dann lag ich also richtig.«
»Was das betrifft, ja.«
»Aber das war schon alles.«
»Nein, nein, mein lieber Watson, nicht alles – auf keinen Fall alles. Ich möchte zum Beispiel behaupten, dass ein Geschenk an einen Arzt viel wahrscheinlicher von einem Krankenhaus stammt als von einer Jagdgesellschaft und dass, wenn die Initialen ›C. C.‹ vor diesem Krankenhaus stehen, die Worte ›Charing Cross‹ sich wie von selbst einstellen.«
»Sie könnten recht haben.«
»Die Wahrscheinlichkeit liegt in dieser Richtung. Und wenn wir das nun als Arbeitshypothese nehmen, haben wir eine neue Grundlage, von der aus wir unsere Rekonstruktion dieses unbekannten Besuchers beginnen können.«
»Also gut, vorausgesetzt, dass ›C. C. H.‹ tatsächlich für ›Charing Cross Hospital‹ steht: Welche weiteren Rückschlüsse können wir ziehen?«
»Ergeben sich keine? Sie kennen meine Methoden. Wenden Sie sie an!«
»Mir fällt nur die offensichtliche Schlussfolgerung ein, dass der Mann in der Stadt praktiziert hat, ehe er aufs Land ging.«
»Ich glaube, wir können uns noch ein kleines bisschen weiter als das vorwagen. Betrachten Sie es in diesem Licht. Zu welchem Anlass wäre es am wahrscheinlichsten, ein solches Geschenk zu machen? Wann würden sich seine Freunde zusammentun, um ihm ein Pfand ihres guten Willens zu geben? Offensichtlich zu dem Zeitpunkt, zu dem Dr. Mortimer sich aus dem Dienst im Krankenhaus zurückzog, um selbst als Arzt zu praktizieren. Wir wissen, dass es ein Geschenk gegeben hat. Wir glauben, dass ein Wechsel von einem Stadtkrankenhaus in eine Landarztpraxis erfolgt ist. Wäre es dann bei unserem Rückschluss zu übertrieben, zu sagen, dass die Überreichung anlässlich des Wechsels stattfand?«
»Das wäre durchaus wahrscheinlich.«
»Nun werden Sie feststellen, dass er nicht zur festen des Krankenhauses gehört haben kann, da nur ein Mann, der mit einer Londoner Praxis gut etabliert ist, eine solche Stellung einnehmen könnte, und so jemand würde nicht aufs Land ziehen. Was war er also dann? Wenn er im Krankenhaus tätig war, aber nicht zur leitenden Ärzteschaft gehörte, dann kann er nur ein in der Klink wohnender Chirurg oder Arzt gewesen sein – kaum mehr als ein Student eines höheren Semesters. Und er nahm vor fünf Jahren seinen Abschied – das Datum ist auf dem Stock. Also löst sich Ihr gesetzter Hausarzt mittleren Alters in Luft auf, mein lieber Watson, und es erscheint ein junger Mann unter dreißig, liebenswürdig, ohne Ehrgeiz, zerstreut und Besitzer eines Lieblingshundes, den ich grob als größer als einen Terrier und kleiner als einen Mastiff beschreiben würde.«
Ich lachte ungläubig, während Sherlock Holmes sich auf seinem Sofa zurücklehnte und kleine, wabernde Kringel Rauch hinauf zur Decke blies.
»Was den letzten Teil betrifft, so habe ich keine Möglichkeit, Sie zu überprüfen«, sagte ich, »aber es ist zumindest nicht schwierig, ein paar Einzelheiten über das Alter und den beruflichen Werdegang des Mannes herauszufinden.«
Von meinem kleinen medizinischen Regal nahm ich das Ärzteverzeichnis und schlug den Namen nach. Es gab mehrere Mortimers, aber nur einen, der unser Besucher sein konnte. Ich las seinen Eintrag laut vor.
»Mortimer, James, M. R. C. S., 1882, Grimpen, Dartmoor, Devon. Anstaltsarzt von 1882 bis 1884 am Charing Cross Hospital. Gewinner des Jackson-Preises für Vergleichende Pathologie für seinen Essay mit dem Titel Korrespondierendes Mitglied der Schwedischen Gesellschaft für Pathologie. Verfasser von (, 1882), (, März 1883). Amtsarzt für die Gemeinden Grimpen, Thorsley und High Barrow.«
»Keine Erwähnung dieser örtlichen Jagdgesellschaft, Watson«, sagte Holmes mit einem durchtriebenen Lächeln, »aber ein Landarzt, wie Sie sehr scharfsinnig beobachtet haben. Ich glaube, dass meine Schlussfolgerungen einigermaßen berechtigt sind. Was die Eigenschaftswörter betrifft, so habe ich, wenn ich mich recht entsinne, liebenswürdig, ohne Ehrgeiz und zerstreut gesagt. Meiner Erfahrung nach ist es in dieser Welt nur ein liebenswürdiger Mensch, der Zeichen der Anerkennung erhält, nur ein Ehrgeizloser, der eine Londoner Karriere für das Land aufgibt, und nur ein Zerstreuter, der seinen Stock und nicht seine Visitenkarte hinterlässt, nachdem er eine Stunde in Ihrer Wohnung gewartet hat.«
»Und der Hund?«
»Hat die Angewohnheit, seinem Herrn diesen Stock hinterherzutragen. Da es ein schwerer Stock ist, hat der Hund ihn fest in der Mitte gehalten, und die Abdrücke seiner Zähne sind sehr gut sichtbar. Der Kiefer des Hundes ist, wie aus dem Abstand dieser...




