Drobot | SUMPFLAND | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

Drobot SUMPFLAND


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7427-0901-1
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

ISBN: 978-3-7427-0901-1
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Mit diesem Roman werden sich vor allem Dresdner wohl fühlen, denn er handelt dort und der räumliche Bezug wird oft hergestellt. Viel wichtiger jedoch die Geschichte, die auch in der Realität eng mit dieser Stadt verbunden ist. Der Autor wagt es eine Thematik aufzuarbeiten, die Dresden jedes Jahr aufs neue beschäftigt. Eingebettet ein eine mehrere Generationen umfassende Familiengeschichte, wird ein Verbrechen aufgeklärt, welches, soviel kann man wohl vorweg sagen, Rache als Motiv aufweist. Das ganze ist spannend und aus der Perspektive eines Studenten geschrieben, dessen Schilderungen seines Alltages, die eigentliche Geschichte immer wieder auflockern.' 'Sumpfland kann mit seiner durchdachten, teilweise prosaischen Erzählweise überzeugen. Es liefert nicht weniger als das Porträt einer Generation, die sich nach dem Ende der DDR, die Fragen nach dem Nationalsozialismus erstmals ernsthaft stellt. Nicht abstrakt allgemein historisch, sondern konkret in der Familie, den Beziehungen und an den Orten wo wir leben.' 'Der Autor schafft es meisterhaft immer mehr Informationen einfließen zu lassen, über drei Generationen gleichzeitig zu schreiben und in jeder Generation Wegmarken zu setzen. Geschickt und ohne ins Stocken zu geraten, lässt Drobot seinen Protagonisten, trotz Alltag und dem Auf und Ab in der Liebe, in die schwarz-weiße Vergangenheit tauchen.'

Marc Drobot wurde 1980 in Forst geboren. Nach Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit ist er momentan in Dresden untergekommen, wo er sich in einem Zweitstudium der Soziologie widmet. Neben einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen versucht er diese gerade auch literarisch in Form von Erzählungen und Romanen aufzugreifen.
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„Die Zeit der Zerwürfnisse endet niemals. Die Jugend zerfasert sich durch ein Überangebot an Gütern. Die Gedanken zerfasern sich ebenso an Alltagsdingen. Die Möglichkeit klar zu denken, wird durch unseren Drang nach einem aufgefächerten Leben stark eingeschränkt. Weiß man davon, muss man sich um Himmels willen zurückziehen, denn ein begrenzter Kosmos kann auch fruchtbar sein. Ein Haus mit bekannten Zimmern bietet weniger Ablenkung und fokussiert dich auf dich. Reduziert dich auf dich. Du musst nur vorsichtig sein, wie immer bei diesen Dingen, damit du nicht an dir selbst zugrunde gehst. Verstehst du, was ich meine?“

Ich überlegte, ob diese Sätze passen würden, um mit irgendwem oder irgendetwas Schluss zu machen. Etwas hatte immerhin dazu geführt, dass ich wieder allein leben würde. Aber war das nicht immer so gewesen? Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, was nun wie war. Ich schaute mich um und suchte nach Anhaltspunkten, doch mein Blick ging über sie hinweg. Dann kam das Innere dran und damit die Fragen. Eine Menge Fragen und am Ende die eine: Ist es nicht auch unmenschlich, von Einsamkeit zu träumen? Ich träumte bevorzugt von Menschengruppen, in denen jeder den gleichen Status innehat. Doch ich träumte viel, bei mir waren es sogar wirkliche Träume, keine ideologischen. Doch! So also stand ich damals allzu oft unter schlechtem Einfluss, denn diese Gehirnmüllutopien wirkten oft die ersten Stunden des Wachseins nach. Ich brauchte manchmal ewig, um mich wieder zurechtzufinden. Die Phasenverschiebung der unterschiedlichen Zustände zueinander machte mich dermaßen kirre, dass ich den Automatismus des Kaffeeaufsetzens meinen Nervensystemen überlassen musste, noch traute ich ihnen das zu. Dazu waren sie gerade noch zu gebrauchen.

Ich erinnere mich, es war dann kurz nach zwei, als ich aus dem Fenster auf eine fahle Außenwelt schaute. Und es wurde klar, dass wir uns offensichtlich noch immer in Dresden befanden. Später wollte Gerald vorbeikommen? Ich wusste erst nicht, wer das sein sollte. Später dann doch, als die ersten Erinnerungen sich lösten und aufstiegen aus dem Dunkel der Vergangenheit. Die ist ja immer. Und dann vermutlich wieder Fußball im Alaunpark.

Seltsam, diese Wortkombination funktionierte in meinem Verständnis eigentlich nicht. Kaliumaluminiumsulfatpark – leblos, mineralisch, freizeitfremd. Dabei war er das grüne Zentrum der Neustadt, des Stadtteils der charakteristischen Leute, des Stadtteils der softeisverklebten professionellen Nachlässigkeit. Doch niemand befragte diese Widersprüche.

Überhaupt kam es mir immer öfter so vor, als sei diese ganze Stadt voll von dynamischen Gemüsehändlern, die auf Ordnung und Sicherheit hofften. Unnötig zu sagen, dass diese schon lang nicht mehr Teil der Lösung waren. Die Gehwege wurden von ihnen beherrscht und wessen Äußeres einen nicht als Kunde zu erkennen gab, der hatte auf der Fahrbahn zu gehen. Typischerweise waren dies oft die ersten Anzeichen dafür, dass sich ein unschönes Viertel begann auszutauschen. Und unschöne Viertel ließen sich finden. Und dort engagierten sie sich mit allem, was ihnen gegeben ward, aber sie lasen zu wenig Brecht. Und wenn ein paar arme Schweine sagten: „Wir sind die Guten“, dann sagten sie: „Na, wir doch aber auch.“ Der Kleinmut, so dachte ich, ist eben kein Klassenphänomen, der steckt nicht nur in den wohlfeilen Waren.

Von diesen Überlegungen nun selbst etwas bekümmert, zog ich mir eine Hose an, die entfernt und zerwaschen an eine japanische Samuraikluft erinnerte. Sie hing nur so herab, ansonsten aber blieb ich weiterhin nackt, auch wenn ich seit einigen Tagen das Gefühl gehabt hatte, von den Nachbarn gegenüber beobachtet zu werden. Und das machte mich nervös. Besonders verdächtigte ich einen unsympathischen Schinder mit großer Brille. Ihm gehörten mehrere Geschäfte im Viertel. Jemand hatte ihn vor Kurzem angefahren und nun musste er für einige Wochen im Rollstuhl sitzen. Ich warf beleidigende Gesten durch das Fenster und schleppe mich zum Kühlschrank. Mit einem Rest Wodka wusch ich mir dann eine üble Schürfwunde am Ellenbogen aus. Das bisschen und nicht mehr war von der Nacht geblieben. „Du stehst auf und versorgst deine Wunden.“

Claudi, meine Mitbewohnerin, war wohl unterwegs, sodass niemand mein Leiden kommentieren würde. Manchmal machte sie mir Tee, wenn ich nur krank genug aussah. Aber ich hatte Glück, der Schmerz wirkte besser als Hochlandkaffee und trieb mich sofort nach vorn. Es war kaum später, als ich mich ertappte, wie ich meinen Bauch streichelte. Da klingelte es auch schon. Gerald?

Es dämmerte draußen sofort, die Jungs waren gegangen, der Schmerz im Knie pulsierte, Fußball war einfach nicht mein Sport. Auf meinem Sessel sitzend schlief ich hungrig ein. Als ich erwachte, fiel mein Blick als Erstes auf einen unheilvollen Stapel aus Büchern, Heftchen und niederen Aufzeichnungen, gekrönt von einem alles schluckenden MP3-Recorder. Ich wendete angewidert meinen Blick ab und öffnete mein Gehör. Von nebenan drang Musik herüber. Es störte mich sofort, doch ich wollte niemandem begegnen und daher nahm ich diese Last in Kauf. Als ich mich entschloss, mir ein Glas Wasser aus der Küche zu holen, bekam ich unfreiwillig mit, dass Claudi höchstwahrscheinlich mit ihrem Freund im Bett war, Marc, ein unangenehmer Zeitgenosse, den ich nicht über die Türschwelle lassen würde. Doch Claudi hatte ihn nun einmal erwählt und somit konnte ich dies kaum unterbinden. Marc selbst hielt sich für einen Harmoniemenschen und Romancier. Er ging seiner Umwelt am liebsten damit auf die Nerven, dass er von seinen bescheuerten Esoterikkrimis erzählte, die sich, wie nicht anders zu erwarten, extrem gut verkauften. Er war also populär und er hatte sich am Markt durchgesetzt. Auch sein ausdauernd trainierter Körper wirkte durchaus anziehend auf mich.

Dennoch überwog meine Antipathie, denn mir waren Menschen wie er, die die Gesellschaft nicht wenigstens ein bisschen hassten, zutiefst zuwider. Ich habe selten zugehört, wenn er sprach, irgendwie fand ich es eine Frechheit, dass er jedes Mal, nachdem die beiden miteinander geschlafen hatten, aus Claudis Zimmer kam, sich einen Kaffee machte und plötzlich das Bedürfnis hatte, mit einem Mann reden zu müssen. Ich dachte: Der soll mich verdammt noch mal in Ruhe lassen mit seinem Großer-Bruder-Gequatsche! Ich bin schließlich nicht sein Fan! Zugegebenermaßen war ich aber auch durchaus eifersüchtig, denn seit einigen Tagen kam ich von den Gedanken an Claudi und ihren Körper nicht mehr so bereitwillig los, wie es noch vor einigen Wochen möglich war. Ich muss sagen, sie war auch nicht sonderlich mein Typ und ihre Beschreibung passte wohl auf die meisten Menschen: eine hübsche Gestalt, dunkles schläfenlanges lockiges Haar, ein schön geschnittenes Gesicht, schmale Nase und tiefe Augen für geheime Blicke. Ihre Lippen waren meist geschlossen. Ich konnte sie nicht lang ansehen, ohne sie anzustarren. Man könnte aber sagen, ihr ganzer Körper passte zu ihr. Dennoch wirkte sie nur in manchen Momenten verführerisch oder besonders weiblich. Sie legte keinen Wert auf tägliche Beteuerungen ihrer Schönheit; seit sie vierzehn war, wusste sie natürlich, dass sie von einigen begehrt wurde. Von anderen nicht. Ihre Schultern waren schmal. Und ging sie in Jeans und Kapuzenpulli zum Bäcker, schaute ihr selten jemand hinterher. Mit leichten X-Beinen und schwerem Schuhwerk bewegte sie sich auch nach Sonnenuntergang noch sicher durch die Zone. Und bis vor Kurzem waren wir fähig gewesen, in dieser WG ohne sexuelle Komplikationen oder Hoffnungen miteinander zu leben. Doch dann gab es ein Ereignis. Ich war in der Küche beim Lesen eingeschlafen, hatte wohl auch wieder mal mit dem Zeug von Gerald übertrieben. Jedenfalls schlief ich fest mit dem Kopf auf der Tischplatte, als Claudi, es muss gegen vier oder fünf gewesen sein, aus ihrem Zimmer kam, um ins Bad zu gehen. Sie hatte wohl nackt geschlafen und hielt es für ungefährlich, nun schnell aus ihrem Zimmer auf Toilette zu huschen. Der zivilisatorische Aufwand, sich ständig an- und auszukleiden, macht ja auch tatsächlich wenig Sinn. Jedenfalls hatte sie mich nicht am Tisch kauern sehen. Die Toilettenspülung weckte mich dann. Als ich bemerkte, wo ich war, drehte ich mich um und erhob mich. Es war dunkel, als Claudi aus der Tür trat und mir auf etwa drei Meter gegenüberstand. Nackt. Sie erschrak wohl heftig und ihre kleinen festen Brüste hoben und senkten sich. Sie sagte nichts. Im Dunkeln wirkte ihr Körper sehr kontrastreich. Ungeachtet dessen, dass sie gerade dem Schlaf entschlüpft war, war ihre Haut straff und ihr Herz pumpte begeistert. Tagsüber ging sie laufen, nun aber war alles hervorgehoben, was nicht zu ihr als sachlicher Mitmensch passen wollte. Ihr schwarzes Schamhaar verschmolz hemmungslos mit der Dämmerung, die uns zu umgeben schien, wie warmer grauer Schlamm. In dem Moment aber, da ich nun spürte, wie der Drang stärker wurde, zu ihr schlingern zu müssen, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, packte mich unsanft eine Moral und ich drehte mich unter Schmerzen weg. Nicht jedoch ohne sie zuvor schamlos gemustert zu haben. In diesem Moment hatte ich sie begehrt, zum ersten Mal seit einem Jahr, das wir nun schon zusammenwohnten, und dieses Gefühl beharrte nun darauf, ernst genommen zu werden. Dann war sie verschwunden und aus meinem Begehren wurde reine Pragmatik: Ich bekam eine Erektion und es war nicht schwer, sie wieder loszuwerden. Das lag zurück.

Und nun war sie vermutlich wieder nackt, bewegte sich, atmete, zeigte alle Anzeichen von Leben, ließ ihr verschwitztes Haar durchwühlen, ließ ernsthafte Berührungen stattfinden.

Na ja, ich machte mir keine Sorgen. Ich schlurfte mit dem...



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