Duda / Munzel | Handbuch Bibliotherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 344 Seiten

Duda / Munzel Handbuch Bibliotherapie

Grundlagen und Praxis therapeutischen Lesens
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-044784-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen und Praxis therapeutischen Lesens

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

ISBN: 978-3-17-044784-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Bibliotherapie, die sich mit der Nutzbarmachung des Lesens zu therapeutischen Zwecken befasst, hat die Heil- und Wandlungskraft der Literatur wiederentdeckt. In den letzten Jahren gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. Die Autoren vermitteln ihre Geschichte und Theorie, vor allem aber machen sie die Anwendung und den Nutzen der Methode erfahrbar. Das geschieht nicht nur durch literarische Empfehlungen, sondern auch durch praktische Erfahrungen und exemplarische Zitate, die die bibliotherapeutische Wirkung anschaulich verdeutlichen. Damit wird das Handbuch zu einem umfassenden Grundlagenwerk, das über individuelle Hilfsangebote hinaus als Einführung in die bibliotherapeutische Arbeit dienen kann.

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3 Begrifflichkeit der Bibliotherapie
Friedhelm Munzel, Martin Duda Je inniger man mit Büchern lebt,
desto tiefer erlebt man
die Gesamtheit des Lebens.
Stefan Zweig 3.1 Nachweisbarkeit des Begriffs
Die Heilkraft des Lesens als Phänomen ist sehr alt und schon bei den Ägyptern, den Griechen und Römern, vor allem aber im Judentum zu finden. Die geschichtlichen Zeugnisse gehören phänomenologisch demnach zu dem Erfahrungsgebiet, das wir heute Bibliotherapie nennen. Der Begriff der Bibliotherapie ist weitaus jünger und erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Tätigkeitsbeschreibung nachgewiesen. Seit dieser Zeit wird er auch mit der wissenschaftlichen Erforschung verbunden. Der Arzt und Psychiater Benjamin Rush (1745?–?1813), von dem später noch in dem Kapitel »Geschichtliches zur Bibliotherapie« ausführlicher die Rede sein wird, verwendete bereits im Jahr 1802 die Berufsbezeichnung »Recreational-biliotherapist« (Weimerskirch 1965, 511). Rush betrachtete Lesen als eine der besten therapeutischen Maßnahmen bei der Behandlung seelischer Erkrankungen. Der Begriff »Bibliotherapie« ist erstmals 1916 bei Samuel McChord Crothers (1857?–?1927) zu finden, Theologe und populärer Essayist (Mc Crothers 1916, 291?–?301; vgl. auch Engelhardt 2002, 6). Crothers empfahl in einem Artikel, zur Linderung mancherlei physischer wie psychischer Beschwerden sowohl fiktive als auch nicht fiktive Texte mit einem Therapeuten zu besprechen. Diese Methode nannte er Bibliotherapie. Er betonte das emotionale Potential von Büchern; die Lektüre wirke sich auf die Empfindungen des Lesers aus, auf seine Stimmung, auf aktive und passive Phasen (Engelhardt 2002, 6). 3.2 Breite der Begrifflichkeit
Welche Breite die Begrifflichkeit zur Bibliotherapie heute angenommen hat, mag die folgende Zusammenstellung belegen. Die Poesietherapie wird wegen der Überschneidungen mit der Bibliotherapie auch aufgeführt. Bibliotherapie Literatherapy (Shiryon) Bibliocounseling – Lesen und Diktieren von Texten, die ähnlich gelagert sind wie die Probleme der Lesenden (insbesondere im Rahmen der Schule) Biblioguidance (Klingman) – Literarisches Präventionsprogramm, etwa um die Angst von Kindern zu verringern Bibliopsychology (Pardeck) Bookmatching (Pardeck) Library therapeutics (Vaughn-Blount) Counselor librarianship (Maxfield) Bibliodiagnostik (Rubin) – vereinzelt im klinischen Bereich Biblioprophylaxe (Sedlak) – präventive Auseinandersetzung mit wichtigen Lebensfragen über das Medium Literatur Guided reading (Pardeck) Lesetherapie (Raab) Treatment through books (Pardeck) Reading Bibliotherapy (Hynes) Interactive Bibliotherapy (Hynes) Therapeutisches Lesen (Duda) Poesietherapie Poetry Therapy (Leedy, Lerner, Petzold/Orth) Creative writing (Howie) Schreibtherapie (L. v. Werder) Graphotherapie (D. v. Engelhardt) Expressives Schreiben (Blechinger, Klosinski) Psychopoetry (D. v. Engelhardt) Poetry-Council (Busch) 3.3 Vielschichtigkeit des Begriffs
Die folgenden Auflistungen illustrieren die Tatsache, dass Bibliotherapie in ihrem Bedeutungsumfang sowie in ihren Bezügen und Anwendungen so vielfältig ist wie das Lesen selbst. Inspirierende Bibliotherapie – Terminus bisweilen beim Einsatz fiktiver Texte (Pardeck 1992, 73?–?90). Informative (auch instruktionale oder instruktive) Bibliotherapie, ferner: self-administered treatment in englischsprachiger Literatur – Terminus verschiedentlich bei Verwendung nicht fiktiver Texte, etwa Ratgeberliteratur und »Selbsthilfemanuale mit oftmals direkten Handlungsanweisungen« (Heimes 2017, 15). Selbst verantwortete Bibliotherapie: Terminus für das selbst angeleitete Lesen, die »Selbsttherapie« ohne Begleitung eines Therapeuten (Grahlmann und Linden 2005; vgl. auch Rubin 1978b; Heimes 2017, 16). Didaktische Bibliotherapie (auch »Psychoedukation«): »Ziele dieser eher sachorientierten Bibliotherapie sind es, Informationen zu geben, zur Einsicht in Probleme zu verhelfen, Diskussionen anzuregen, Werte und Einstellungen zu kommunizieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass andere Menschen mit ähnlichen Problemen fertig geworden sind und Lösungen anzubieten haben.« (Heimes 2017, 16) Entwicklungsfördernde Bibliotherapie: In einem weit gefassten Sinn, d.?h. nicht beschränkt auf Medizin und Psychotherapie, versteht sie sich als entwicklungsfördernd und persönlichkeitsbereichernd bei der Bewältigung von Lebensaufgaben und als Intervention in Konfliktsituationen und Krisen (vgl. Munzel 1997, 33?–?34; Hynes 1996, 13?–?14). Dieser Ansatz ist für den schulischen Unterricht geeignet, keineswegs aber auf ihn beschränkt. Symbolische oder induktive Bibliotherapie: An die bibliotherapeutische Maßnahme ist ein kreatives oder künstlerisches Verfahren angeschlossen (vgl. Heimes 2017, 19). Anschlussverfahren bzw. Transformationsformen können den bibliotherapeutischen Leseprozess unterstützen und vertiefen (vgl. Munzel 1997, 231?–?238). In vielfältigen Formen finden sich diese auch bei Biehle (2010, 173?ff.). 3.4 Exemplarische Definitionen der Bibliotherapie
Wie vielschichtig und komplex der Begriff der Bibliotherapie verstanden und angewendet wird, kommt auch bei der Analyse und beim Vergleich ihrer zahlreichen Definitionen deutlich zum Vorschein. Einige von ihnen sollen nun exemplarisch angeführt werden. Caroline Shrodes, die 1949 die erste Dissertation über Bibliotherapie verfasste, beschreibt diese als Prozess dynamischer Interaktion zwischen der Persönlichkeit des Lesers und der Literatur und als psychologisches Mittel, das für die Einschätzung, Einstellung und das Wachstum der Persönlichkeit eingesetzt werden kann. (Zit. nach Mazza 2016, 9; übers. von M. Duda) Rhea Joyce Rubin, die die bibliotherapeutische Forschung in den USA in zwei grundlegenden Werken systematisch dargestellt hat (Rubin 1978a; 1978b), definiert die Bibliotherapie recht umfassend als Programm für die Aktivitäten auf der Basis der Interaktionsprozesse zwischen Medien und ihren Konsumenten. Gedrucktes und nicht gedrucktes, imaginatives und informatives Material wird unter der Mitwirkung eines Therapeuten erfahren und besprochen. (Rubin 1985, 103) Auch die Poesie- und Bibliotherapeutin Arleen McCarty Hynes bezieht neben Lesen und Schreiben andere Medien in die Behandlung mit ein. Sie schreibt in ihrem Beitrag in dem Sammelband »Kranke Kinder brauchen Bücher«: Heute werden die beiden Begriffe ›Bibliotherapie‹ und ›Poesietherapie‹ als Synonyme angesehen und beschreiben den gezielten Einsatz von Poesie und vielen anderen Arten von Literatur und modernen Medienmaterialien sowie auch schöpferisches Schreiben zur Förderung von Heilung und persönlicher Entwicklung. (Hynes 1996, 13) Der österreichische Psychologe und Sachbuchautor Franz Sedlak beschränkt in seiner Definition die Bibliotherapie nur auf den therapeutischen Bereich und beschreibt sie als Zuhilfenahme von Literatur (Lektüre) zur Verarbeitung mehr oder minder belastender Erlebnisse und Eindrücke. Der Einsatz von Lektüre erfolgt im Rahmen eines therapeutischen Prozesses, in einem bestimmten therapeutischen Setting (einzeln, in Gruppen) und mit bestimmten therapeutischen Zielsetzungen. (Sedlak/Ehrenberger 1987, 86) Eine profunde und zugleich umfangreiche Definition der Bibliotherapie findet sich bei dem Medizinhistoriker Dietrich von Engelhardt....


Martin Duda, Studium der Theologie, Ausbildung in Existenzanalyse und Logotherapie. Arbeit als existenzanalytischer Berater und Logotherapeut in eigener Praxis sowie als Dozent in der Erwachsenenbildung. Seit vielen Jahren Forschung und intensive Beschäftigung mit dem therapeutischen Lesen in der Psychotherapie und in der Beratung.
Dr. Friedhelm Munzel, Erziehungswissenschaftler und Theologe, ist Professor i. R. für Religionspädagogik an der TU Dortmund. Forschungsschwerpunkte: Leseforschung, interdisziplinäre Bibliotherapie.



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