E-Book, Deutsch, Band 8, 500 Seiten
Reihe: Fürstenkinder
- E-Book 36-40
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98757-147-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fürstenkinder Box 8 - Adelsroman
E-Book, Deutsch, Band 8, 500 Seiten
Reihe: Fürstenkinder
ISBN: 978-3-98757-147-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In der völlig neuen Romanreihe 'Fürstenkinder' kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe - ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. E-Book 1: Das Spatzennest von Schloss Goldenes E-Book 2: Kleiner Graf ohne Mutterliebe E-Book 3: Ein Kind sehnt sich nach Liebe E-Book 4: Das Erbe von Malnö E-Book 5: Reite weiter, kleiner Graf
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»Es ist Mumps, nichts weiter als Mumps, Gräfin!« Jan Termeulen lachte ein wenig. Er stand zwischen den Betten der drei Kinder, die mit schiefen, dicken Backen zwischen den Kissen hockten und ihn anstarrten. »Ziegenpeter, wenn ihr es ganz genau wissen wollt!« »Herr Professor!« Die grauhaarige Gräfin von Hoheneichen, die sich immer noch lieber mit ihrem englischen Titel Lady Rutherford anreden ließ, prallte beinahe heftig zurück. »Professor, wie können Sie so etwas aussprechen, so etwas…« Der Mann las den Abscheu der Gräfin gegen das so vulgäre Wort aus ihren Augen. »Nun«, besänftigte er, »nennen wir es Parotitis epidemica! Das klingt vielleicht gesellschaftsfähiger. Gleich aber wie die Krankheit heißt –, Bettruhe für die Rasselbande, Öleinreibungen, ein dickes wollenes Tuch um den Kopf. Ganz wie zu Großmutters Zeiten. Und dann wird auch alles vorübergehen.« »Können wir dann auch wieder etwas essen?« erkundigte sich der kleine, auch ohne Ziegenpeter etwas rundliche Mobby vorsichtig. Vorab schmerzte jede Kaubewegung. »Dir schadet das Hungern gar nicht, kleiner Freund!« Der Mann setzte sich auf des fünfjährigen Mobbys Bettrand. »Aber zur Beruhigung: du darfst essen, was du magst. Und natürlich trinken. Viel trinken gegen das Fieber.« »Zitronensaft?« fragte Mobby. »Zitronensaft!« Der Mann nickte. »Zitronensaft!« echote jetzt aus dem Nebenbett sein Bruder Tobby. Es klang bereits gebieterisch. Tobbys graue Augen streiften die Großmutter, die hochaufgerichtet am Fußende des dritten Bettes stand. In dem lag Betty, schrecklich entstellt mit dem dickgeschwollenen Gesicht. Betty führte sonst das Regiment über die kleinen Brüder. Jetzt war sie still. Die Drüsen schmerzten schrecklich. Das Fieber lähmte den zarten Körper. Fraglos hatte die Krankheit, die in Großmutters Ohren einen vulgären Klang hatte und dennoch eine schreckliche Krankheit war, Betty am härtesten gepackt. »Zitronensaft dürfen wir nie trinken!« flüsterte die Kleine, deren schöne dunkle Augen man in dem häßlich angeschwollenen Gesichtchen kaum noch erkennen konnte. »Großmutter sagt…« »Ich stehe auf dem Standpunkt, daß Kinder sich mit bescheidener Nahrung zufriedengeben sollen. Es ist eine Erziehungsangelegenheit. Es gibt nichts Verhaßteres für mich als anhaltendes Naschen!« Professor Jan Termeulens helle Augen, deren Farbe nicht einmal ein Paßbeamter treffend bestimmen konnte, wanderten von dem langen, hageren Gesicht der alten Gräfin zu den drei Kinderbetten. Plötzlich blinzelten sie im Einverständnis mit den drei Paar Kinderaugen, denen sein Blick begegnete. »Zitronenwasser mit Zucker, ausreichend Zucker, ist bei Ziegenpeter – ah, bei Parotitis epidemica – keine Leckerei. Es ist dringend erforderlich, daß die Kinder etwas trinken. Und nicht nur Tee.« Des Mannes Augen streiften jetzt die riesige dickbauchige Teekanne, die auf einem Seitentischchen wie eine dicke Glucke stand. »Zitrone enthält die so notwendigen Vitamine, die ganz besonders bei Parotitis epidemica unerläßlich sind.« »Also bestellen Sie Zitronenwasser in der Küche, Miß!« befahl die Gräfin. Sie bemerkte nicht das zwinkernde Augenspiel zwischen dem Arzt und den drei kleinen Patienten. Miß Suppy flüsterte ergeben: »Wie Sie befehlen, Lady!« Die dünne, ältliche Erzieherin, die die alte Gräfin von Hoheneichen eigens aus ihrer Heimat geholt hatte, um die drei Enkelkinder zu erziehen, widersprach ihrer Herrin niemals. Trotz ihrer Schmerzen und des Fiebers blinzelte Betty die beiden kleinen Brüder triumphierend an. Jan Termeulen fing diese Blicke auf. Ein seltsames Krankenzimmer! dachte er. Er erinnerte sich plötzlich all dessen, was ihm sein Onkel gesagt hatte, bevor er ihn für ein paar Wochen in seiner Landarztpraxis vertrat. »Hallo, alter Junge!« hatte der immer joviale alte Herr am Apparat gesagt. »Wenn du nicht so vornehm geworden bist, einen alten Landarzt, der eigentlich auch ein halber Viehdoktor sein muß, zu vertreten, so verschaff mir mal vier Wochen Urlaub. Ich muß mir mal freundlicheren Wind um die Nase wehen lassen als immer den rauhen Wind von der holsteinischen Küste. Wenn man den jahraus jahrein eingeatmet hat, will man mal andere Luft schnuppern!« »Und wohin soll’s gehen?« hatte sich Jan Termeulen, der international angesehene Universitätsprofessor, dessen Privatpraxis berühmt war, erkundigt. »Na, wohin schon!« Der alte Piet Termeulen, dessen breites rotes Gesicht den Neffen immer an einen alten Kapitän erinnerte, hatte schallend durch den Apparat gelacht. »Wind von der Nordsee muß ich haben, mein Junge. Ganz steifen!« Ja, so war er, Onkel Piet. Auf einer kleinen, der niederländischen Küste vorgelagerten Insel war er aufgewachsen, hatte immer Sehnsucht nach Wasser und Dorf gehabt, obgleich er sich später in Amsterdam einen großen Namen gemacht hatte. Aber dann hatte er etwas erlebt, worüber er nicht hinweggekommen war. »Die Liebe, Junge«, hatte er einmal gesagt, »die Liebe ist die gefährlichste und vor allem die unheilbarste Krankheit auf dieser Erde. Und manchen steigt sie sogar in den Kopf!« Jan Termeulen liebte den schrulligen Alten. Zudem hatte der Onkel nicht so ganz unrecht. Es tat gut, von Zeit zu Zeit einmal ländliches Leben um sich zu haben. Ja, ganz einfach hemdsärmelig zu sein. Zudem gab es wenig Patienten im Dorf. Man war gesund, trank mit dem alten Dr. Termeulen lieber eine lütte Lage in Petersens Wirtschaft. Jan Termeulen kam eigentlich hauptsächlich zu seinem Vergnügen ins Dorf. Mit dem Wagen war die See schnell zu erreichen. In den zahlreichen Seen rundum konnte man fischen, Hechte und Karpfen. Und wie das immer war: »Die Dummen haben das Glück!« sagte der alte Landarzt. Er selber kam trotz langjähriger Erfahrung immer nur mit bescheidener Beute heim. Der Neffe aber hatte immer Petri-Heil, brauchte kaum zehn Minuten die Angel ins Wasser zu halten. Ganz gleich an welcher Stelle. In diesem Jahr aber schien es mit dem Petri-Heil nichts zu werden. Kaum hatte Jan den eleganten, maßgeschneiderten Anzug mit einem bunten Hemd und Hosen, die man in Schaftstiefel steckte, vertauscht, als fast alle Kinder im Dorf dicke Gesichter bekamen, Fieber, und so entstellt aussahen, daß sogar kleine Bauersfrauen, die sonst ängstlich mit dem Pfennig rechneten, den Arzt holten. Ziegenpeter, ja, Ziegenpeter, wohin man in Kindergesichter schaute. Ziegenpeter steckte nun einmal an. Die Schule wurde geschlossen. Aber es war schon zu spät. Die Krankheit griff wie eine Epidemie um sich. Und Jan Termeulen fuhr von morgens bis abends durch das weit auseinanderliegende Dorf und verordnete alte Hausmittel. »Das hätten wir auch selber gewußt!« sagte dann eine alte Großmutter. »Das hättet ihr euch früher überlegen können!« knurrte Jan Termeulen dann. »Mir ist nichts daran gelegen, in eure abseits gelegenen Katen zu kommen. Mir liegt wahrhaftig nichts daran, einen ganz vulgären Ziegenpeter festzustellen, statt mich mit dem Angeln zehnpfündiger Karpfen zu beschäftigen, von denen nachher das ganze Dorf spricht und es noch dem guten Onkel Piet erzählt.« Jan konnte oft genauso barsch sein wie sein Onkel mit dem holländischen Kapitänsgesicht. Er selber hatte zwar ein schmales, sehr scharfgeschnittenes Gesicht. Es war auch nicht rot. Aber braun und erinnerte, obgleich der Mann seit Jahren in der Stadt wohnte, an salzige Seeluft, steifen Wind. Jan mochte die Leute aus dem Dorf gut leiden. Schon weil sie immer gesund waren und er deshalb seiner Anglerleidenschaft nachgehen konnte. Und nun machte ihm der Ziegenpeter, dieser ganz gewöhnliche Ziegenpeter, einen Strich durch die Rechnung. »Wie meine Enkel sich eine solche Krankheit holen konnten, verstehe ich nicht recht!« sagte die ehemalige Lady Rutherford. »Sie kommen doch mit den Dorfkindern gar nicht in Berührung. Miß Suppy unterrichtet sie selbst. Miß Suppy geht mit ihnen spazieren. Miß Suppy…« »Sie soll zusehen, daß sie sich nicht auch noch ansteckt!« Jan Termeulens Stimme klang jetzt grob und beinahe bösartig. Einen Vater hatten die drei Kinder nicht mehr. Piet Termeulen hatte die ganze tragische Geschichte von Schloß Goldensee einmal erzählt. An einem Wintertag. Mit viel Grog und nie ausgehender Pfeife. Die Luft im Zimmer war zum Zerschneiden gewesen. Auch sein Neffe Jan liebte Grog und Pfeife. Man konnte in einem solchen Zimmer Dinge aussprechen, die man sonst verschwieg. Und wenn man sich über die Augen fuhr, brauchte keiner an Mitleidstränen zu denken. Die Feuchtigkeit rührte gewiß vom Rauch her. Einmal hatte er dem Neffen denn auch die ganze Geschichte erzählt, die Geschichte von dem jungen Grafen Hubertus, der gegen den Willen seiner Mutter ein bettelarmes Mädchen heiratete. Und dazu noch die Tochter eines Schauspielers! Man denke – ein Graf von Hoheneichen und die Tochter eines Schauspielers. Daß der Name dieses Schauspielers bekannter war als der des holsteinischen Grafen, spielte keine Rolle. Ein Schauspieler war eben immer nur ein Schauspieler. Zudem – waren nicht alle üblen Prophezeiungen der alten Gräfin von Hoheneichen eingetroffen? Diesem Schauspieler waren seine gewiß nicht unerheblichen Einnahmen durch die Finger geronnen wie anderen Leuten einfaches Wasser. Und als er starb, war er eben bettelarm. Seine Tochter Michaela brachte nichts mit in die Ehe. Nichts wenigstens, was in den Augen ihrer künftigen Schwiegermutter als Wert auf die Waage gelegt werden konnte. Keinen Namen, kein Geld, keine Internatserziehung. Keinen Beruf, mit dem sie sich sehen lassen konnte. Tierpflegerin hatte sie werden...