Ebert | Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 394 Seiten

Ebert Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution

Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8353-2529-6
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918

E-Book, Deutsch, 394 Seiten

ISBN: 978-3-8353-2529-6
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Fast 29 Milliarden Postsendungen wurden während des Ersten Weltkriegs verschickt, der deutlich größere Teil an die Front. Trotzdem erschienen bisher in Buchausgaben ausnahmslos Briefe »aus dem Felde'. Der vorliegende Band bricht gleich mehrfach mit den Publikationstraditionen: Ausgiebig werden erstmals auch Briefe aus der Heimat berücksichtigt, die von oft schwierigen, ja dramatischen Lebensumständen erzählen. Die Post von Kriegsgefangenen, die viele Jahre in teilweise exotischen Weltgegenden verbrachten (Indien, Afrika, Zentralasien), wird ebenso einbezogen, wie deutschsprachige Feldpost aus der k.u.k. Monarchie. Mehr als 20.000 Feldpostbriefe und -karten hat Jens Ebert in Archiven in Berlin, Stuttgart, Wien, Dresden, Darmstadt und Bremen gesichtet. In seiner Auswahl stehen stilistisch ausgefeilte Briefe aus dem Bildungsbürgertum oder Adel neben fehlerhaften Kurzmitteilungen ungeübter Briefschreiber, die in ihrer Hilflosigkeit und trockenen Offenheit oft besonders berührend sind. Die Kriegserfahrungen lesen sich in diesen Briefen nicht selten ganz anders, als sie zeitgenössisch in der Öffentlichkeit vermittelt wurden. Der Band gibt einen authentischen Einblick in die kollektive Gefühlswelt zur Zeit des Ersten Weltkriegs.

Jens Ebert, geb. 1959, studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Moskau und lebt als Publizist in Berlin. 1989-2001 Lehrtätigkeit an Universitäten in Berlin, Rom und Nairobi. Arbeiten für Presse, Rundfunk und Fernsehen. Veröffentlichungen zur Literatur-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
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1914


.

Flammersbach den 1. August 14

Mein liebes Kind. Deinen Brief erhalten, Du weißt nicht, in was für eine Unruhe wir hier sind, heute Mittag wurde geschellt, daß das 18 Armeekorps Mobilgemacht hätte, das war schon gestern Nachmittag hierher tellephoniert worden aber geheim. Was wird das für ein Elend geben, wenn Feindvolk ins Land kommt, dann sind wir auch dran. Söhne Dich doch noch mit Reinhard aus, wenn Du kannst, und Du bist Morgen noch nicht fort. Tante Anna ihr Gustav muß Dienstag auch schon fort, um die neue Brücke unter Haigar zu bewachen, Du kannst Dir das Elend denken, nun bekommt sie auch noch ein Kind, Albert und Gustav müssen doch auch fort, dann bekommen wir sie alle hierher. Du hättest nun vielleicht besser nicht gelernt [?]. Es müssen auch sonst schon immer Leute fort. Solltest Du nun fortmüssen, und wärst verwundet, so gibt doch ein Lebenszeichen von Dir, wenn auch von sonst jemand. Im Steinbruch ist ein Österreicher der hat sich nicht gestellt. Das ist Sohns Otto und Urschels Theodor mit dem Revolver hin und wollen ihn wahrscheinlich holen. Also bitte lieber Karl schreibe gleich Nachricht, und solltest Du in Feindesland kommen, keine Greueltaten verrichten, immer barmherzig, auch gegen den Feind. Denke daß wir immer an Dich denken, und vergiß das beten nicht, Gott allein kann uns helfen, wenn Du was nötig hast, schreibe und auch wo Du bist. Der Herr wolle es verhüten daß es zum Ausbruch kommt. Muß schließen. So sei nun herzlich gegrüßt von Deiner Mutter.

Reinhard wird wohl dann auch noch fortmüssen.

Mainz-Castel 5/814.

Meine Lieben!

Der 1. Kriegstag ist in friedlicher Ruhe und Beschaulichkeit vorüber. Die Fahrt war entsetzlich, um 8 Uhr war ich hier, 10 Leute im Coupé. Nachdem ich mich gemeldet hatte, wurde ich entlassen, da die Ersatzkompagnie noch nicht gebildet ist. Sie wird erst in den nächsten Tagen gebildet u. voraussichtlich 6 Wochen hier gedrillt. Zum Mittagessen war ich im Casino. Die Stimmung famos, vom Krieg wird eigentlich wenig geredet, trotzdem die Situation durch die Einmischung Englands noch kritischer geworden ist. Fröhlichkeit, Heiterkeit u. Scherz hört man hier nicht nur bei jungen Leutnants, sondern auch bei älteren u. alten Offizieren. Schimpfen tuen nur die, welche noch nicht gleich mit hinaus können, darunter auch ich! Ich will versuchen, die Wochen mit Reiten auszufüllen, aber ich glaube, es geht nicht, denn die alten Pferde sind fort, die neuen nicht zugeritten; Niemand hat Zeit. Alles packt, ordnet für den Krieg. Die Begeisterung allenthalben ist gross, keine verzagten Gesichter wie in Butzbach. – Ich habe meine Sachen hier im Anker abgestellt, bekomme aber Quartier hier, was ich mir nachher ansehen will. Hier herrscht Leben, nur Soldaten u. Pferde, Pferde u. Soldaten. So, nun genug für heute.

Hoffentlich hat Euch das Essen so gut geschmeckt wie mir. Meine Adresse teile ich Euch morgen mit. Der Brief soll weg, damit Ihr bald ein Paar Zeilen von mir habt.

Euch allen herzliche Grüsse und Küsse

Euer H.

Heizer SMS »Nürnberg«
Bouape [Ponape ] d. 6. August 14

Liebste Eltern und Geschwister.

Ich muß euch noch ein paar Zeilen schreiben vieleicht die letzten. Denn auch wir hier sind bereit zu jeder Stunde dreinzuschlagen. Da ist es möglich das wir unser Leben opfern müssen und wir uns niemals wiedersehen aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Sollte ich nicht mehr zurückkehren dann lebt alle Wohl. Seid alle herzlich gegrüßt von eurem Sohn und Bruder Arthur. Auch bitte ich euch von Herzen[?] an alle Bekannte und Verwandte einen Gruß zu bestellen ich habe keine Zeit mehr zum schreiben. Hoffentlich geht es euch besser Gott wird uns schon beschützen.

Vor Lüttich, 8. August 1914

Liebe Ida! Heute abend rücken wir in Lüttich ein. Gestern nacht haben erste Gefechte stattgefunden. Lüttich hat sich ergeben. Wir waren noch nicht im Feuer. Befinde mich gut. Nur meine Füße schmerzen sehr. Aber nur Mut, es geht für’s Vaterland.

Herzl. Gruß und Kuß

Hermann

Herrenhausen d. 9. Aug. 14

Lieber Herrmann u. Anna,

Heute Abend rücken wir aus über die Grenze Dienstag sind wir da. Hier hatten wir schönes Quartier nun kommt die schwere Zeit. Betet fleißig für mich daß mich des Feindes Schwert u Kugel nicht verletzte und ich mit Gottes Hülfe gesund wieder in die Heimat zurück kehren würde durch Jesus Christus unsern Herren. Als Landwehrmann fällt es einen doch schwer den vielen Dienst zu machen. Sende Euch zum Abschied herzlich Gruß und Kuß.

Euer Friedrich

Meine Adresse: Gefreiter Müller, Feldlazarett III, X AK

Schwabenheim bei Mainz
10. Mobilmachungstag.

Meine Lieben

Augenblicklich sitze ich auf dem Katheter der Volksschule zu Schwabenheim, u. schreibe Euch diese Zeilen, vor mir 2 Reihen leerer Schulbänke. Neben dem Schulsaal ein kleines Zimmer, das den Leutnant der Komp. u. mich beherbergt, aber nur 1 Stuhl u. keinen Tisch hat. Quer durch die Schulstube ein Seil, auf welchem unsere Wäsche trocknet, die mein Bursche vorhin so gut er’s konnte, gewaschen hat. 1 Hemd 1 Unterhose 1 Taschentuch 2 Paar Strümpfe. Desgl auf der anderen Seite. Vorgestern Abend kam der Befehl: »Oberarzt Dr. L. zur 1. mobilen Landwehrkomp. kommandiert. Sie sind beritten! Ihr Pferd steht drüben im Stall, ein Rappe – etwas später: die Komp. rückt morgen 8 Uhr aus. – Also ich war plötzlich beritten mit meinem grossen Reittalent! Dann gleich morgens unter Hurra u. Gesang der Mainzer Bevölkerung über die Rheinbrücke zwischen Electrischer, Auto, Motorrädern etc etc – Aber es ging besser wie ich dachte, doch mächtig Dampf hatte ich vor der Sache, das will ich ruhig gestehen. Zum 1. Mal mit Sporen auf einem wildfremden Gaul in der Festung Mainz unter haarsträubendem Getöse. Aber es ging! Wir ritten dann bis mittags 1 Uhr. Dann Rast, abends nochmals 1 ½ Stunden. Dass ich meine Knochen gespürt habe, könnt Ihr wohl begreifen. Abends Essen hier im Frankfurter Hof. Hier liegen ca 2000 Mann Militär u. Arbeitskompagnien – Eben waren Herr Kluge u. Patz von Butzbach hier u. besuchten mich. War sehr erstaunt, dieselben hier zu sehen. – Prof. Opitz soll auch hier sein als Landwehrleutnant. Gestern lernte ich Herrn Lt. Neumann aus Wetzlar kennen, Vater von Linda’s Freundin Ellen Neumann. Wir bleiben voraussichtlich 10 Tage hier oder in der Nähe, was dann kommt, wissen wir nicht. – Was macht Mausi? Ist sie recht gesund? Habt Ihr noch Geld. Nächstens schicke ich Euch etwas, ich habe eben noch mehr wie ich brauche u. bitte Euch inständig, ja nicht zu sparen.

Liebe Emmy! Frau Hauptmann Schildhauer in Mainz-Castel, Eleonorstr. 12 wird mir noch einen Umhang bestellen. Sie hat sehr gut für mich gesorgt u. bin ich ihr grossen Dank schuldig. Morgens gratis Kaffee u. Frühstück. Sie hat 2 kleine Kinder u. ihr Mann steht vor dem Feinde. sie wird Dir meinen Waffenrock zusenden, da ich einen grauen von der Kammer bekommen habe. Ich werde, wenn ich meine Uniform habe von St. u. Giessen, an Dich verschiedenes von hier wegsenden, da ich zuviel Gepäck habe. Briefe und Karten an mich brauchen nicht mehr frankiert zu werden u. tragen die Aufschrift: Feldbrief resp. Feldpostkarte. Adresse:

Oberarzt Dr. Luft
1. mobile Landwehr Komp.
Pio. Batl. 21
18. Armeekorps.

Heute ist dienstfreier Tag! Heute abend wird [?] etwas geritten. L. E. hebe bitte die Briefe auf, sie sind vielleicht eine schöne Erinnerung!

Nächster Tag! Fortsetzung. Über Datum u. Wochentag bin ich nicht orientiert. Gestern abend kam der Lehrer an, dessen Schule u. Wohnung wir geöffnet hatten. Er machte ein süsssaures Gesicht u. schliesslich gute Miene zum bösen Spiel indem er uns zu 2 Flaschen Rotwein einlud. Wir haben gestern noch einen tüchtigen Ritt gemacht in den steinigen, steilen Weinbergswegen. Heute u. auch die erste Nacht sehr wenig geschlafen, weil einen hier die Schnaken auffressen, diese »Eeser«[?]! Hände, Gesicht u. Füsse sind total verstochen, – die Füsse, weil unser »Plumeau« nur vom Nabel bis zu den Knöcheln reicht. Ich glaube, der Herr Lehrer hat ein Kopfkissen erwischt, oder sind seine 2 Töchter, in deren jungfräulichen Betten wir schlafen, von solchem Zwergwuchs.

Kurz und gut, wenn wir nur ein Mittel gegen die Schnaken hätten. – Gestern hatten wir 30° im Schatten! Ist’s bei Euch auch so...


Ebert, Jens
Jens Ebert, geb. 1959, studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Moskau und lebt als Publizist in Berlin. 1989-2001 Lehrtätigkeit an Universitäten
in Berlin, Rom und Nairobi. Arbeiten für Presse, Rundfunk und Fernsehen. Veröffentlichungen zur Literatur-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts.



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