E-Book, Deutsch, Band 4, 137 Seiten
Reihe: Western Legenden
Egli Western Legenden 04: Wie Wölfe aus den Bergen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-404-6
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Delgado-Saga No.02
E-Book, Deutsch, Band 4, 137 Seiten
Reihe: Western Legenden
ISBN: 978-3-95719-404-6
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Delgado und die Yavapai-Apachen von Chief Big Rump haben sich in eine unwegsame Bergregion der Apacheria zurückgezogen. Doch die US-Armee hat sich inzwischen mit den Todfeinden der Apachen, den Pima und Maricopa aus dem Tal des Gila River, verbündet. Der berüchtigte Indianerkiller Jim Fletcher führt eine Bande von Pima und einen Trupp Kavallerie unter Lieutenant C.C.C. Carr gegen die Yavapai. Während die Soldaten im Hornitos Canyon eine Höhle belagern, in der die Frauen und Kinder der Yavapai Zuflucht gefunden haben, treffen Delgado und Fletcher aufeinander. Ein großer historischer Roman aus der Zeit der Indianerkriege. Band 2 der erfolgreichen Delgado-Trilogie. Die Printausgabe des Buches umfasst 224 Seiten
Werner J. Egli absolvierte die Primar- und Sekundarschule in Luzern, Schweiz. Danach machte er eine Lehre als Positiv-Retuscheur und arbeitete mehrere Jahre als Grafiker und Werbetexter im Atelier Max Koch in Luzern. In dieser Zeit fing er an zu schreiben. Eglis erste Arbeiten waren erfolgreiche Krimis und Westernromane, die er unter verschiedenen Pseudonymen verfasste.
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PIMA JIM FLETCHER
Der Bighorn-Bock stelzte aus dem Waldschatten heraus, als die Sonne aufging und mit ihren Strahlen den Dunst durchbrach. Das erste Licht floss wie Gold von den zerklüfteten Felsformationen, die am Rande eines Hochplateaus in den Himmel ragten. Im Halbschatten der Kiefern standen sechs Schafe, die mit ihren großen, weit auseinanderstehenden Augen den Bock beobachteten, so als ob sie auf ein Zeichen warteten, mit dem er ihnen erlaubte, den schützenden Wald zu verlassen. Der Bock blieb stehen. Er äugte in alle Richtungen, spielte mit den Ohren und sog die kühle Morgenluft ein. Am Ende des Plateaus, dort wo ein Steilhang in das Tal abfiel, tauchte aus dem Gestrüpp ein kleiner Fuchs auf. Er sah den Bock, drehte sich um und lief mit hängendem Schwanz davon. Hoch über den Felsen flogen zwei Falken, tanzten im Wind, tauchten in die blauen Schatten der Berge ein und stiegen wieder auf, wo der Schnee des letzten Winters glitzerte. Der Bock beobachtete alles. Er wollte sicher sein, denn er kannte die Gefahren, die auf ihn und seine Schafe warteten. Er kannte den Puma, und er kannte die Wölfe als effiziente Jäger. Und er kannte die Menschen als die gefährlichsten aller Feinde. Erst als er nicht die geringste Andeutung einer Gefahr wahrnehmen konnte, ging er zum Rand des Plateaus und blickte hinunter in das enge Tal, in dem noch vereinzelte Nachtschatten nisteten. Ein schmaler Bach schlängelte sich durch satte Wiesen, die mit silbernem Tau bedeckt waren. In den Weidenbüschen unterhielten sich ein Arizona-Cardinal-Weibchen und ein Männchen. Dunkle Spuren von Hasen durchzogen die glitzernden Wiesen. Ein gefleckter Skunk tauchte kurz unter einem Busch auf und verschwand sofort wieder. Der Bock hatte sich nach seinen Schafen umgedreht. Sie kamen aus dem Wald heraus. Ein paar Lämmchen folgten ihnen, staksten auf ihren dünnen Beinchen herum und jagten in noch ungelenken Bocksprüngen ausgelassen hintereinander her. Es war ein friedlicher Morgen. Dort, wo die Sonne hinreichte, wurde es schnell warm. Der Tau trocknete. Dunstschleier hoben sich, strichen an den Hängen entlang und lösten sich schnell auf. Der Bock blieb auf der Wiese stehen, während die Schafe durch die Büsche zum Bach gingen. Der spitze, lang gezogene Schrei eines Falken durchbrach die trügerische Stille. Der Bock hob den Kopf, regungslos, das mächtige Geweih mit den spitzen blanken Enden zurückgelegt. Er blähte die Nüstern, nahm Witterung auf und spürte die plötzliche Gefahr, in die er sein Rudel geführt hatte. Jäh drehte er sich um, stieß ein paar warnende Laute aus und jagte mit weiten Sprüngen davon. Die Schafe und die beiden Lämmer brachen durch die Büsche und hetzten hinter dem Bock her, der einen Vorsprung von etwa hundert Yards hatte. Nur eines der Schafe blieb etwas zurück. Es war das Schaf mit dem krummen Vorderlauf. Und dort, wo der Bach eine große Schleife machte, dort wurde dieses Schaf von einem Pfeil getroffen, der seinen Hals durchbohrte. Blut. Das Schaf überschlug sich mitten im Lauf, blökte, schlug mit allen vieren wild um sich und wälzte sich im taunassen Gras, bis seine Kräfte nachließen und der Widerstand langsam erlosch. Nach einer Weile lag es still, atmete nur noch, und das Blut quoll aus der Wunde und lief über das Fell ins Gras. * Der junge Apache, der den Pfeil abgeschossen hatte, hieß Rana. Er war fast noch ein Knabe. Erst vor vierzehn Wintern hatte ihn seine Mutter geboren. Sein Vater war Cebolleta, ein Bruder von Wah-poo-eta, den die Weißaugen Big Rump nannten. Rana wollte das Fell des Bighorn-Schafes, um damit einen Köcher für seine Pfeile herzustellen und eine Hülle für den neuen Bogen, den ihm Delgado geschenkt hatte. Es war ein guter Bogen, geleimt aus den Herzstücken der Hörner eines mächtigen Bighorn-Bockes, den Delgado im letzten Herbst, kurz vor dem ersten Schneefall, in der Nähe des Baker Butte erlegt hatte. Delgado hatte von den Jicarillas gelernt, wie man Hornbogen herstellt. Er selbst besaß ebenfalls ein Prachtstück, um das ihn viele beneideten. Delgado hatte Rana, der für ihn wie ein jüngerer Bruder war, in die Berge mitgenommen. Zwei Tage und zwei Nächte hatten sie am Rande des Plateaus auf den Bock und seine Schafe gewartet. Und als Rana schon fast die Geduld verloren hatte und weggehen wollte, da brachte der Bock tatsächlich seine kleine Herde zum Bach. Rana wollte zuerst den Bock erlegen, aber Delgado machte ihn auf das lahmende Schaf aufmerksam. Dieses Schaf war magerer als die anderen, und irgendwann wäre es wahrscheinlich von den Wölfen oder von den Kojoten oder einem Puma erlegt worden. Jetzt kam Rana den Tieren zuvor. Er brauchte nur einen Pfeil, und er traf gut. Als er aufsprang, leuchteten seine Augen. Er blickte Delgado, seinen älteren Freund, beinahe herausfordernd an und rief: „Sag mir, Bruder, bin ich dem Bogen, den du mir geschenkt hast, nicht ein würdiger Jäger?“ Delgado lächelte. Er kauerte zwischen den Büschen, halb unter einer dicken Wolldecke, die ihn gegen die Kälte der Nacht geschützt hatte. In der linken Hand hielt er seinen Bogen. Die rechte streckte er Rana entgegen. „Hilf mir hoch, großer Jäger“, spöttelte er. „Meine Gelenke sind vom langen Warten steif geworden.“ „Das ist, weil du alt bist und morsche Knochen hast, Bruder.“ Rana ergriff Delgados Hand und zog ihn auf die Beine. „Einige Winter sind es nur, die uns trennen“, antwortete Delgado dem Jungen. „Dann solltest du vielleicht einmal daran denken, dir eine Frau zu nehmen, die dich in kalten Nächten warm hält.“ „Dazu bin ich noch nicht bereit, mein Bruder.“ Delgado wandte sich ab. Seit dem Tod von Siki war noch nicht genug Zeit vergangen, um die Wunden zu heilen. Sein Herz schmerzte noch immer, wenn er an sie dachte, und manchmal fürchtete er, diesen Schmerz nie mehr loszuwerden. „Entschuldige, Bruder“, sagte Rana. „Ich wollte dich nicht auf düstere Gedanken bringen.“ Delgado drehte sich ihm wieder zu. Er lächelte. „Ich weiß, es gibt tatsächlich einige sehr hübsche Mädchen in unserem Dorf, mein Bruder. Vielleicht werde ich demnächst beginnen, einem von ihnen Zeichen zu geben.“ „Du könntest sie alle haben.“ „Findest du das gut oder schlecht?“ „Ich weiß es nicht. Eher schlecht, denke ich, weil jede von ihnen ihre Vorzüge hat, aber auch ihre Nachteile. Ich bin froh, dass nicht ich es bin, der sich an deiner Stelle befindet.“ „Bald, mein kleiner Bruder, wirst auch du die Qual der Wahl haben.“ „Ich weiß schon, wer es sein wird.“ „Du kümmerst dich jetzt besser um das Schaf, welches du erlegt hast, Rana. Komm, machen wir uns an die Arbeit.“ Delgado war fast einen Kopf größer als Rana und wirkte deshalb massiver und stärker. Er hatte ein ebenmäßiges dunkles Gesicht. Das schwarze Haar trug er in der Mitte gescheitelt. Es hing ihm in glänzenden Strähnen bis auf die Schulter nieder. Über dem linken Auge hatte er eine kleine Narbe. Obwohl er noch keine zwanzig Jahre alt war, wirkte er wie ein erfahrener Mann, den das Leben in einem wilden Land bereits gezeichnet hatte. Delgado war der Sohn von Mangas Coloradas, dem großen Mimbreño Chief, der von Soldaten der US-Armee ermordet worden war, als er nach Fort McLean eingeladen wurde, um einer Friedensverhandlung beizuwohnen. Seine Mutter war eine Yavapai gewesen, die von mexikanischen Skalpjägern getötet worden war. Seit mehr als einem Jahr war Delgado bei den Yavapai von Chief Big Rump zu Gast, und eigentlich hatte er Siki, eine Tochter des Chiefs, zur Frau nehmen wollen. Aber Siki war beim Angriff auf das Dorf am Dead Horse Wash ums Leben gekommen, und seither fühlte sich Delgado wie ein Blatt im Wind. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Er konnte keinen Pfad finden, der sich ihm anbot, kein Ziel, das ihn lockte. Er hatte fast zur gleichen Zeit Siki und seinen Freund und Lehrer, den alten Weisen Pajaro Pinto, verloren. Beide waren so sehr ein Teil von ihm selbst gewesen, dass Delgado sich seither fühlte wie ein Mann, dem ein Stück des Herzens weggenommen worden war. Delgado war froh, dass er in Rana einen Freund gefunden hatte, der ihn brauchte. Rana war fast immer bei ihm. Oft verließen sie gemeinsam das Dorf und trieben sich wochenlang in der Wildnis herum. Sie erkundeten das ganze Gebiet rund um das neue Dorf von Chief Big Rump, das von den Amerikanern, den Weißaugen, wie die Apachen die Eindringlinge nannten, noch nicht entdeckt worden war. Delgado lehrte Rana viel von dem, was er selbst von Pajaro Pinto gelernt hatte. Und Rana war ein guter Schüler. Er versuchte, mit den Tieren zu reden, versuchte, seinen Geist selbstständig zu machen und ihn davonfliegen zu lassen, irgendwohin, denn, so hatte es Pajaro Pinto einmal Delgado erklärt, nur dem Körper waren Grenzen gesetzt, nicht aber dem Geist eines Menschen. Der Geist konnte mitten in die Sonne hineinfliegen oder eine Ewigkeit mit Steinen im Flussbett liegen, oder er konnte mit den Herbstblättern tanzen und mit den Falken hoch über der Erde kreisen. Der Geist war es, der lebte, und er brauchte dazu nicht den Körper, der schwach und verwundbar war. Delgado und Rana liebten die Stille entfernter Täler, in denen es noch keine Spuren von Weißaugen gab, die klare Sprache des Windes und die Wärme des Himmels, der sich wie eine Decke über ihrem Land ausbreitete. Unten in den Tälern war alles anders. Schatten lagen über dem Land. Als der Schnee des letzten Winters wegschmolz, gab er die Gräber derjenigen frei, die im letzten Jahr von den Weißaugen umgebracht...