E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Ehmke Das Wunschbüro der Lilith Faramay
1. Auflage, Ungekürzte Ausgabe 2019
ISBN: 978-3-7641-9238-9
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gewissensbisse garantiert
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7641-9238-9
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Nur Idioten lassen sich mit Dschinnen ein', pflegt die mächtige Dschinna Lilith zu sagen. Sie hat in den 273 Jahren ihres Dschinnendaseins schon eine Menge gesehen. Doch ein 14-jähriger Junge, der plötzlich auf ihrer Türschwelle auftaucht, und sich seinen Onkel wegwünscht? Und sich obendrein einfach nicht abwimmeln lässt? Schließlich bietet sie dem Jungen einen Deal an: Rupert soll eine Woche lang als ihr Butler arbeiten. Und wenn er danach immer noch nicht abgeschreckt ist, erfüllt sie ihm seinen Wunsch. Doch wie sagt Lilith immer so schön? Traue nie einem Dschinn ... Eine magische Geschichte der anderen Art!
Geschichten, in denen es magisch, mystisch oder märchenhaft zugeht, sind Jutta Ehmkes Markenzeichen geworden. Nach drei selbst verlegten Romanen erschien 2015 der Jugendfantasyroman 'Eulenland' beim Verlag Saphir im Stahl, im April 2017 ein Zeitreise-Krimi beim gleichen Verlag. Erzählungen und Kurzgeschichten fanden bei verschiedenen Kleinverlagen eine Heimat. Ehmke ist Coach einer Schreibgruppe und Mitherausgeberin einer Fantasy-Anthologie, die im Oktober 2017 erschienen ist.
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»Fett wie ein Elefant«, murmelte Rupert, als er zum ersten Mal Lilith Faramay gegenüberstand. »Wie bitte?« Die Dschinna runzelte die Stirn und stemmte die Hände in die Hüften. »Nett und elegant«, verbesserte er sich und rang sich ein Lächeln ab. Lilith trug eine bunt geringelte Hose und eine verschmierte Malerschürze. Ihre kupferroten Haare hatte sie rechts und links zu kleinen Dutts gebunden, die auf der einen Seite von einem rot getüpfelten, auf der anderen von einem neongrünen Band zusammengehalten wurden. »Sind Sie der Dschinn?«, fragte Rupert. »Ich meine, die Dschinna?« Er deutete auf die herausgerissene Zeitungsannonce in seiner Hand: NEUERÖFFNUNG! Original Dschinnenzauber! Dauerhafte Erfüllung Ihrer Träume. Schnelle Lösung Ihrer Probleme. 100 % Erfolgsgarantie! L. Faramay, Steinplattenweg 34, Hintermondheim Lilith Faramay verzog den Mund und musterte ihn eingehend, dann trat sie beiseite. Rupert schob sich an ihr vorbei in den Flur und weiter ins Büro. Es war fensterlos und erfüllt von grünem Dämmerlicht, dessen Quelle sich dem Besucher nicht erschloss. Der Raum war um ein Vielfaches größer, als es das schmale Haus von außen erwarten ließ. Vollgestopfte Bücherregale schmiegten sich in engen Reihen bis hoch zur Kuppelspitze. Es war ein Ort, der nach Weisheit und Magie roch. Rupert riss die Augen auf. Später, als wir uns besser kannten, erzählte er mir, wie beeindruckt er gewesen war. Genau so hatte er sich das Haus eines mächtigen Zauberwesens vorgestellt! Dschinnen besitzen wirklich die Fähigkeit, kleine Räume riesengroß erscheinen zu lassen, hatte er gedacht und gehofft, dass mit ein bisschen Glück auch alles andere stimmte, was man sich über die Zauberkraft der Dschinnen erzählte. Rupert strich seinen Anzug glatt und setzte sich auf den breiten, samtbezogenen Besucherstuhl. »Sie sehen nicht aus wie ein Dschinn, pardon, eine Dschinna.« »Ach ja? Na, du siehst auch nicht aus wie der typische Junge von nebenan. Wie alt bist du? Dreizehn? Vierzehn?« Rupert war vierzehn, allerdings schmal für sein Alter. Er war ein blasses Kerlchen mit dunklen Schatten unter den Augen und einem Anzug, der aussah, als käme er von einer Beerdigung. Sein Haar kämmte er mit Gel zurück, überzeugt, dass ihm das Würde verlieh. Mit Vorliebe kleidete er sich wie ein Erwachsener, vielleicht weil er gerne einer gewesen wäre. »Ich bin kein kleines Kind mehr, falls Sie das meinen. Sie werden feststellen, dass ich in der Lage bin, meinen Teil des Vertrags zu erfüllen.« Er richtete sich, so gerade er konnte, auf und verschränkte die Finger. Die Dschinna seufzte, umrundete einen breiten, mit Intarsien verzierten Schreibtisch und ließ sich in einen Drehsessel plumpsen, der bedrohlich unter ihrem Gewicht ächzte. Seit sich in der kleinen Stadt herumsprach, dass sich eine freischaffende Dschinna niedergelassen hatte, rannten ihr die Klienten Tür und Tor ein. Erwachsene Klienten wohlgemerkt! Kinder waren normalerweise nicht so töricht, einen Teil ihrer Seele für einen einzigen Wunsch zu verhökern. Kinder sind überhaupt die klügeren Menschen, pflegte die Dschinna oft zu sagen, und ich stimmte ihr zu. Heute aber dachte ich: Wie man sieht, gibt es Ausnahmen. Wäre es nicht gegen ihre Berufsehre gewesen, hätte Lilith Faramay Rupert auf der Stelle nach Timbuktu geschickt. Doch Kunden abzuweisen galt als unschicklich. Man konnte einpacken, wenn es sich herumsprach. »Du weißt, wie die Sache läuft?«, fragte die Dschinna daher. »Ich erfülle einen Wunsch, nur einen einzigen, und es muss ein tiefer, lange gehegter Herzenswunsch sein. Im Gegenzug verlange ich zehntausend Euro in bar und ein Jahr deines Lebens. Außerdem gibt es Risiken und Nebenwirkungen, für die ich keine Garantien übernehme. Je eigennütziger der Wunsch, desto schlimmer die Folgen.« Rupert verzog die Mundwinkel zu einem Siegerlächeln. »Sie beziehen Ihre Kraft von einem Dämon und dieser fordert seinen Preis. Ich weiß, wie das läuft, und es schreckt mich nicht. Das Geld habe ich mitgebracht.« Er deutete auf einen Aktenkoffer. Missfallend spitzte Lilith die Lippen. Immer hoffte sie vergeblich, ein hoher Preis würde potentielle Kunden abschrecken. »Woher hat ein Vierzehnjähriger so viel Geld? Bist du ein Dieb?« Rupert schaute empört. »Wo denken Sie hin? Meine Familie ist seit jeher vermögend. Dass ich den Schlüssel zu einem Wandsafe meines Vaters habe, geht keinen was an. Schon gar nicht meinen Vormund, der würde mir nur mein Erbe streitig machen.« »Na, egal, das ändert nichts. An Geschäften mit Kindern bin ich nicht interessiert. Mit einem Wunschvertrag lädt man sich eine schwere Bürde auf die Seele, damit ist nicht zu spaßen.« Rupert sank in sich zusammen. Ihm fehlte offensichtlich ein Plan B. Doch nicht lange und er reckte angriffslustig das Kinn nach oben: »Sie dürfen mich nicht meiner Jugend wegen diskriminieren«, sagte er. »Das wäre unfair.« »Hat jemand behauptet, Dschinnen wären fair? Nur ein kompletter Vollidiot lässt sich mit einem Dschinn ein, lass dir das gesagt sein.« Rupert zog die Brauen hoch, seine Stimme klang trotzig. »Stimmt nur die Hälfte von dem, was man sich erzählt, haben Sie eine Menge Kunden.« Lilith lachte, aber es klang nicht froh. »Oh, die habe ich! Aber zufriedene Kunden? Nicht die Spur! Jeder Wunsch muss gebüßt werden. Schwarze Magie ist kein Pappenstiel, das kannst du mir glauben! Wer sich auf das Spiel einlässt, zahlt seinen Preis. Ich warne alle, die zu mir kommen. Aber jeder Hanswurst denkt, er wüsste es besser. Nur hinterher, ja, da ist die Reue groß!« Rupert musterte die Dschinna aus ernsten Augen. »Es ist mir egal, was Sie sagen. Ich verlange, dass Sie mich mit demselben Respekt behandeln wie jeden anderen Kunden. Ich bestehe auf meinen Wunsch.« Die Dschinna verschränkte die Arme und seufzte resigniert. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie sich zurücklehnte. »Also meinetwegen, lass uns annehmen, ich wäre einverstanden – nur annehmen, okay? Was wäre es, das du so dringend begehrst?« Rupert richtete sich auf, bis er kerzengerade saß, und sagte mit fester Stimme: »Ich wünsche den Tod meines Vormunds, Hartmut von Klauberstein.« Lilith Faramay schnappte nach Luft. »Den Tod von … Wie bitte? Ich muss mich verhört haben. Das ist nicht dein Ernst?« »Er ist ein Scheusal und hat nichts Besseres verdient.« Die Dschinna klappte ihren Mund auf und wieder zu. »Du kommst hier rein und bestellst einen Auftragsmord wie andere Kinder eine Zuckerwatte?! So etwas habe ich in meiner gesamten Laufbahn noch nicht erlebt!« »Sie können ihn auch auf den Mond schießen, auf Atomgröße schrumpfen oder zu Staub zerreiben, mir ist das gleich. Hauptsache, er verschwindet auf Nimmerwiedersehen.« »Als ob das einen Unterschied machen würde!« Die Dschinna schnaubte und dachte an die vergleichsweise harmlosen Wünsche ihrer anderen Kunden. Selbst bei denen verwandelte sich die Wunscherfüllung oft genug in einen Albtraum, wie viel schlimmer würde es erst den Jungen treffen! Aber der saß da, ruhig, fest entschlossen und mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen suchte. »Lass mich deinen Vormund in ein Kamel verwandeln. Nach ein paar Tagen wäre er bestimmt kuriert.« Für eine Sekunde zögerte Rupert. »Könnte er für immer ein Kamel bleiben?« »Nein, natürlich nicht. Aber um ihm eine Lektion zu erteilen, die sich gewaschen hat, reicht es allemal, und du hättest ein paar Tage deine Ruhe. Na, was sagst du?« Rupert schüttelte den Kopf. »Nein, ich brauche eine dauerhafte Lösung.« »Ach, komm schon, es gibt so viele witzige Ideen! Sei kreativ! Stell dir vor, er müsste jeden Montag in Unterwäsche zur Arbeit gehen.« »Das ist albern.« »Oh, oh, ich hab’s: Wir setzen ihm den Mund verkehrt herum ins Gesicht! Je tiefer er die Mundwinkel zieht, desto mehr scheint er zu lächeln. Was meinst du?« »Geben Sie sich keine Mühe. Ich habe die Sache gründlich durchdacht. Mein Vormund ist der gehässigste Mensch, den man sich vorstellen kann. Die ganze Stadt wird aufatmen, wenn er verschwindet. Jedem wird es besser...