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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Eilenberger Feuer der Freiheit

Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943)

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-608-12037-0
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das abenteuerliche Leben vier außergewöhnlicher Frauen, die in finsterer Zeit für unsere Freiheit kämpften

Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand: Mit großer Erzählkunst schildert Wolfram Eilenberger die dramatischen Lebenswege der einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Inmitten der Wirren des Zweiten Weltkrieges legen sie als Flüchtlinge und Widerstandskämpferinnen, Verfemte und Erleuchtete das Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft.

Die Jahre 1933 bis 1943 markieren das schwärzeste Kapitel der europäischen Moderne. Im Angesicht der Katastrophe entwickeln vier Philosophinnen, Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt, ihre visionären Ideen: zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, von Mann und Frau, von Sex und Gender, von Freiheit und Totalitarismus, von Gott und Mensch. Ihr abenteuerlicher Weg führt sie von Stalins Leningrad bis nach Hollywood, von Hitlers Berlin und dem besetzten Paris bis nach New York; vor allem aber zu revolutionären Gedanken, ohne die unsere Gegenwart – und Zukunft – nicht dieselbe wäre. Ihre Existenzen – als Geflüchtete, Aktivistinnen, Widerstandskämpferinnen – erweisen sich dabei als gelebte Philosophie und legen eindrucksvoll Zeugnis von der befreienden Kraft des Denkens ab.

Ein grandioses Buch über vier globale Ikonen, die am Abgrund des 20. Jahrhunderts beispielhaft und mit bis heute weltweiter Wirkung verkörperten, was es heißt, ein wahrhaft freies Leben zu führen.'Ein Buch, das unter jeden Weihnachtsbaum gehört.'
Denis Scheck, Druckfrisch, Dezember 2020

'Gleichgültig, was man bisher über das Denken im 20. Jahrhundert wusste: Hier wird man auf aufregende Weise klüger.'
Elke Schmitter, Der Spiegel, Oktober 2020
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»Gewöhnlich habe ich doch da immer jemand vor mir sitzen, da sehe ich bloß nach, dann weiß ich schon, was das ist. Aber, was tue ich mit Ihnen?«[1] Offenbar war ihr Name noch in keiner Gestapo-Kartei erfasst. Und selbst wenn sie dem jungen Kommissar auf die Sprünge hätte helfen wollen, ganz genau vermochte auch Hannah Arendt nicht einzuschätzen, weshalb sie und ihre Mutter an diesem Maimorgen während des Frühstücks in einem Café nahe dem Berliner Alexanderplatz in einen Wagen gezerrt und zum Verhör gebracht worden waren. Gründe gäbe es genug. Den ganzen Frühling über hatte ihre Wohnung in der Opitzstraße als Versteck für politisch Verfolgte gedient. Und dann war da ja noch die Bitte ihres um eine Generation älteren Freundes Kurt Blumenfeld, für den nahenden Zionistenkongress in Prag »eine Sammlung aller antisemitischen Äußerungen auf unterer Ebene« anzulegen, die sie Tag für Tag in die Zeitungsarchive der Preußischen Staatsbibliothek führte. Auch derartige Materialien zu sammeln, war mittlerweile illegal. Womöglich arbeitet man zur Abschreckung aber auch einfach nur Namenslisten ab – sowie Listen, die auf solchen Listen beruhten. Wie etwa dem Adressbuch Bertolt Brechts. Bereits wenige Tage nach Hitlers Machtübernahme hatte es die Gestapo aus dessen Wohnung konfisziert. Ein Who’s who der kommunistisch gesinnten Intelligenzija Berlins, zu der auch Arendts Ehemann Günther Stern gehörte. Aus Furcht, der frisch gegründeten preußischen Hilfspolizei in die Hände zu fallen, war er bereits Anfang Februar aus Berlin nach Paris geflohen. Und tatsächlich, nur zwei Wochen später, als hätte der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 das lang vereinbarte Startsignal gegeben, begannen die Wellen: willkürliche Verhaftungen, Verschleppungen in provisorische Konzentrationslager im Umland, selbst städtische Turnhallen wurden zu Folterkammern umfunktioniert. Allein in Berlin gab es mit diesem Sommer mehr als 200 solcher Orte. Der Naziterror hatte den Alltag erreicht. Die Zahl der Opfer ging bereits in die Tausenden. Mehr als wahrscheinlich, dass eine Einheit der Gestapo just in diesem Moment ihre Wohnung durchsuchte. Aber was würden die Tölpel dort schon finden – außer Dutzende Notizbücher mit transkribierten griechischen Originalzitaten, die Gedichte Heines und Hölderlins sowie unzählige Werke zum Berliner Geistesleben des frühen 19. Jahrhunderts? Soweit es die öffentlichen Register betraf, war sie eine unbescholtene Doktorin der Philosophie mit einem erst im Vorjahr ausgelaufenen Stipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft. Die klassische Berliner Existenz: Akademikerin ohne Einkünfte, Publizistin ohne Abnehmer. Natürlich verbringe sie jeden Tag in der Bibliothek. Was denn sonst? Schließlich ruhe die Forschung nie. Selbst aus Arendts Mutter war, wie sich erweisen sollte, nichts Verwertbares herauszubekommen. Befragt auf die Aktivitäten ihrer Tochter, gab Martha Beerwald (verwitwete Arendt) während ihres Verhörs vielmehr einen Elternsatz von schönster Solidarisierung zu Protokoll: »Nein, ich weiß nicht, was sie tut, aber was sie auch getan haben mag, es war richtig, und ich hätte es auch gemacht.«[2] Noch am Tag der Festnahme[3] kommen beide wieder frei. Nicht einmal einen Anwalt hatten sie einschalten müssen. Glück gehabt. Für dieses Mal. Dennoch, auch Arendts Entschluss ist nun getroffen. Es gab in diesem Land keine Zukunft mehr. Jedenfalls nicht für Menschen wie sie. Rahels Fall
Dass es keineswegs nur an einem selbst lag zu entscheiden, wer und was man sei, wenige dürften in diesem ersten Sommer nach Adolf Hitlers Machtübernahme dafür ein klareres Bewusstsein besessen haben als Hannah Arendt. Am Beispiel der Berlinerin Rahel Varnhagen ging sie seit drei Jahren den komplexen Identitätsdynamiken einer deutschen Jüdin und Intellektuellen zur Wende des 18. zum 19. Jahrhundert nach. Entstanden war so das Psychogramm einer Frau, in deren Existenz sich die spannungsreiche Geschichte des gebildeten deutschen Judentums beispielhaft verdichtete – vor allem in Bezug auf die Frage der Assimilation. In weiten Teilen collagenhaft als Zitatsammlung angelegt, zeichnet Arendt in diesem Buch den Bewusstseinsprozess einer Frau nach, der es durch die offensive Verneinung ihrer jüdischen Herkunft lange unmöglich bleibt, überhaupt ein stabiles Selbst- und Weltverhältnis aufzubauen. Als Mensch ihres Zeitraums, wie Arendt ja auch, in eine Situation dreifacher Marginalisierung geworfen – Frau, Jüdin, Intellektuelle –, führt Rahels Weigerung, sich sozial als das anzuerkennen, was sie in den Augen der anderen unweigerlich ist und bleiben muss, zu einer Situation leidvoll erfahrener Selbstlosigkeit: »Rahels Kampf gegen die Fakten, vor allem gegen das Faktum, als Jude geboren zu sein, wird sehr schnell zum Kampf gegen sich selbst. Sich selbst muß sie den Konsens verweigern, sich selbst, die Benachteiligte, verleugnen, verändern, umlügen, da sie ja nicht sich selbst einfach die Existenz bestreiten kann. … Es gibt – hat man erst einmal nein zu sich gesagt – keine Wahl. Es gibt nur eins: immer gerade und im Augenblick anders zu sein, als man ist.«[4] Exemplarisch für ein gesamtes Zeitalter ist Rahels Fall für Arendt auch insofern, als in ihrer Lebenssituation zwei Formen erforderten Mutes miteinander kollidieren: der aufklärerische Mut, sich des eigenen Verstands zu bedienen und sich in diesem Sinne als Vernunftwesen autonom zu bestimmen, sowie der Mut anzuerkennen, dass die Freiheit dieses Selbstentwurfs stets von geschichtlichen wie kulturellen Verhältnissen bedingt bleibt, von denen sich kein Individuum völlig distanzieren kann. In Rahels eigenem Zeitraum drückt sich dies im Spannungsfeld zwischen aufklärerischen und romantischen Selbstwerdungsidealen aus: zwischen Vernunft und Geschichte, Stolz und Vorurteil, Denken und Gehorchen, zwischen dem Traum von der vollkommenen Selbstbestimmung des Ich und der letztlich unhintergehbaren Fremdbestimmung durch die anderen. Nach Arendt kann die aufklärerische Vernunft zwar »von den Vorurteilen der Vergangenheit befreien, und sie kann die Zukunft des Menschen leiten. Nur leider genügt das offensichtlich nicht: sie kann nur individuell befreien, und nur die Zukunft von Robinsonen liegt in ihrer Hand. Das solchermaßen befreite Individuum stößt doch immer wieder auf eine Welt, eine Gesellschaft, deren Vergangenheit in Gestalt von ›Vorurteilen‹ Macht hat, in der ihm bewiesen wird, daß gewesene Wirklichkeit auch Wirklichkeit ist. Als Jüdin geboren zu sein, das mag für Rahel nur auf längst Vergangenes hindeuten, mag im Denken ganz und gar ausgelöscht sein; als Vorurteil in den Köpfen anderer wird es doch zur leidigsten Gegenwart.«[5] Kein Mensch entkommt der Geworfenheit in diese Spannung – und sollte nicht einmal vernünftig wünschen, es zu können. Wäre der Preis dafür doch in Wahrheit kein geringerer als der Verlust dessen, was überhaupt Welt und Wirklichkeit genannt zu werden verdient. Aufgeklärt
Das Risiko des Weltverlusts im Namen einer sich als allzu rational gebärdenden Selbstbestimmung, mit dieser Mahnung an Rahel stellt sich Arendt ganz bewusst in die philosophische Spur ihrer beiden prägenden akademischen Lehrer: Martin Heidegger und Karl Jaspers. Bereits als Studentin in Marburg wurde Arendt durch Heidegger, mit dem sie ab 1925 auch ein über mehrere Jahre andauerndes Liebesverhältnis verband, für die blinden Flecken des modernen Welt- und Menschenbilds sensibilisiert. Denn der Mensch, wie Heidegger ihn in seinem epochalen Werk »Sein und Zeit« beschrieb, war mitnichten ein vorrangig vernunftbegabtes »Subjekt«, sondern vielmehr ein grundlos in die Welt geworfenes »Da-Sein«. Er lebte als denkendes und vor allem handelndes Wesen auch nicht in einer stummen »Realität«, die er erst mit Sinngehalt zu versehen hatte, sondern in einer »Umwelt«, die für ihn schon immer bedeutungsvoll war. Wie auch wahre menschliche Autonomie für Heidegger fast nichts mit rein rationalen Entscheidungen, Berechnungen oder auch nur Regelvorgaben zu tun hatte, sondern mit dem Mut, sich in existentiell ausgezeichneten Grenz- und Sondersituationen selbst zu ergreifen. All diese Motive trieben in den zwanziger Jahren auch Heideggers damals engsten...


Eilenberger, Wolfram
Wolfram Eilenberger, geboren 1972, war langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, moderiert die 'Sternstunde Philosophie' im Schweizer Fernsehen und ist Mitglied der Programmleitung der ›phil.COLOGNE‹. In zahlreichen Talkshowauftritten im Deutschen Fernsehen gibt er der Philosophie eine Stimme und ein Gesicht. Sein Buch 'Zeit der Zauberer' stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde 2018 mit dem Bayerischen Buchpreis und 2019 mit dem in Frankreich renommierten Prix du Meilleur Livre Étranger ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Bestseller 'Feuer der Freiheit'.

Wolfram Eilenberger, geboren 1972, war langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, moderiert die 'Sternstunde Philosophie' im Schweizer Fernsehen und ist Mitglied der Programmleitung der ›phil.COLOGNE‹. In zahlreichen Talkshowauftritten im Deutschen Fernsehen gibt er der Philosophie eine Stimme und ein Gesicht. Sein Buch 'Zeit der Zauberer' stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde 2018 mit dem Bayerischen Buchpreis und 2019 mit dem in Frankreich renommierten Prix du Meilleur Livre Étranger ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Bestseller 'Feuer der Freiheit'.


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