Eilers / Olsson / Kamber | Fluchtpunkt Hamburg | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 346 Seiten

Eilers / Olsson / Kamber Fluchtpunkt Hamburg

Texte im Exil
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7427-2145-7
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Texte im Exil

E-Book, Deutsch, 346 Seiten

ISBN: 978-3-7427-2145-7
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eigentlich ganz einfach und selbstverständlich: Der deutsche Schriftstellerverband übt Solidarität mit den Medienschaffenden unter den Flüchtlingen. In dieser Anthologie sind die literarischen Stimmen von 22 Autorinnen und Autoren versammelt, die einen Bezug zu Hamburg haben und von denen die Meisten hier eine neue Bleibe gefunden haben - als Übergang, für eine gewisse Zeit, für immer? Niemand weiß es. Wo, wenn nicht unter Geflüchteten, ist die Welt in Bewegung. Menschen im Exil, die in ihrem Heimatland als Kunstschaffende tätig waren, auch als Journalistinnen, Blogger oder Protestierende, die ihre abweichende Meinung in fundierten Essays öffentlich gemacht haben, finden sich mit einer doppelten Schwierigkeit konfrontiert. Sie haben nicht nur ihr Zuhause und ihren Arbeitsplatz verloren, sondern müssen auch um ihr Handwerkszeug bangen, die Sprache. In der Hansestadt, und damit in Deutschland, bietet der VS Landesverband Hamburg ihnen mit dieser Anthologie eine Plattform, auf der sie sich im fremden Sprachuniversum äußern können. Und sogleich müssen wir bei der Lektüre der Texte feststellen, dass nicht wir die Gebenden sind. Vielmehr werden wir reich beschenkt mit einem die halbe Welt umspannenden Strauß an aufregenden und zutiefst berührenden Einsichten in unsere chaotische, oft undurchschaubare Gegenwart. Die Spannweite reicht von der Elegie, die der persönlichen Tragik ihren Ausdruck verleiht, bis zum geschliffenen politischen Essay. Am Ende ist es beglückend, so viele talentierte und mutige Stimmen zu entdecken, die sich neu in der deutschen Sprache ausdrücken. Die Herausgeberinnen und Herausgeber sind Mitglieder im Vorstand des VS Hamburg. Von der Konzeption, den ersten Aufrufen bei der Suche nach Beiträgerinnen und Übersetzern, über das Lektorat und die Gestaltung bis zum Druck haben sie mehr als zwei Jahre intensiv und mit wachsender Begeisterung an dem Projekt gearbeitet.

Reimer Boy Eilers, geb. 1948, stammt von den Hummerklippen (mit einem Großvater als Leuchtturmwärter). Er ist Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller in Hamburg und Mitglied im deutschen PEN. Im Sommer 2017 veröffentlichte er seine gesammelten Gedichte unter dem Titel: 'Sprechen mit Seezungen' (ca. 300 S., Verlag Expeditionen). Mehr Infos unter Wikipedia, der eigenen Website (eilers.in) oder Amazon Autorenseite.
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Hussam Al Zaher: Geschichte des Menschen, der ein Flüchtling sein musste oder: Wir sind keine Dämonen und die Deutschen keine Engel


Ich bin ein Mensch auf der Welt, aber leider bin ich auch ein Flüchtling, und auf Deutsch gibt es nur einen Flüchtling (männlich), nicht eine Flüchtlingin (weiblich), ich weiß nicht warum, aber auf Deutsch muss der Flüchtling ein Mann sein. Eine Freundin hat mir gesagt: „Seit sehr langer Zeit gibt es alle Worte mit ling am Ende nur als männliches Substantiv. Es bezeichnet damit aber kein bestimmtes Geschlecht - beim Säugling sind es ja auch männliche und weibliche Säuglinge.“

Kritik am Suffix „ling“: Es verdinglicht! Als wäre es ein „Geflüchteter“, und ich glaube, wenn das Wort einen männlichen Artikel hat, dann bedeutet das „Mann“ und nicht „man“. Männlicher Artikel, das bedeutet, die deutsche Sprache hat keine Gleichberechtigung, wie alle anderen Sprachen. Und ich bin ein Mann, und viele Deutsche haben gefragt, warum sind die meisten Geflüchteten Männer?

Ich sage, weil unsere Frauen Angst vor dem Meere haben. Zu Hause konnten sie nicht mit dem Boot auf dem Meer fahren, und sie mussten nicht zur Armee gehen, und sie blieben bei unseren Kindern, und wir fuhren mit dem Boot auf das Meer, und danach sollten unsere Familien mit dem Flugzeug kommen, weil die Geflüchteten das Recht auf die Zusammenführung hätten. Aber fast einer Million Geflüchteter wurde dieses Recht von der Regierung verwehrt.

Ich komme aus der Zivilisation. Aber das war in unserer Geschichte vor 500 Jahren. Jetzt komme ich aus dem Krieg in Syrien. Mein Land ist die Wiege der Zivilisation. Dort wurde die erste Zivilisation der Menschheit geboren, und seither hat Syrien viele Zivilisationen erlebt, von den Hyksos, den Pharaonen, dem Königreich Aram Damaskus, über das assyrische Reich, die babylonische Kultur, byzantinische Zivilisation bis zu den islamischen Zivilisationen. Und weil alle unsere Namen eine Bedeutung haben: „Der Name Syrien kommt aus dem Griechischen, das wahrscheinlich den alten Namen Assur übernommen hat. Nach Ansicht einiger Forscher ist der Name hingegen nicht von Assyria abgeleitet, sondern von Tyros (Sur). In der Antike und im Mittelalter bezeichnete Syrien ein erheblich größeres Gebiet als den heutigen Staat, nämlich in etwa die Region zwischen Mittelmeer, Taurus, Arabien und Mesopotamien. Die syrische Sprache, das Ostaramäische, war sogar noch weiter verbreitet.“ (Wikipedia)

Oder „Syrien“ kommt aus dem Sanskrit. Das bezeichnet die verschiedenen Varietäten des Alt-Indischen. Die älteste Form ist die Sprache der Veden, einer Sammlung religiöser mündlicher Überlieferungen im Hinduismus. Ihre Entstehung wird auf 1200 v. Chr. datiert (laut Wikipeda). Und „Syrien“ bedeutet im Sanskrit „die Sommer“, das meint, ein tolles Wetter, fast immer warm, aber leider gibt es nicht so viel Regen wie in Hamburg, der Stadt des Regens.

In Syrien gibt es alles, was es hier in Deutschland gibt, also Syrien ist ein Land wie Deutschland, dort werden Autos gebaut, man hat Rundfunksender und Verlage, aber wir haben keine Freiheit. Wir haben Tritte, eine Diktatur. Eine Diktatur unserer Präsidenten und unserer Religion und unserer Traditionen. Ich weiß nicht, wer der erste Diktator war, aber immer benutzten unsere Herrscher die Religion, um für immer auf unserer Brust zu bleiben.

Auch heutzutage unterstützt unsere Religion die Regierung. Wir wurden vom Politiksystem, der Religion und den Traditionen in das Gefängnis des Dreiecks gesteckt. Weil wir die Freiheit gefordert und dafür gebetet haben, ist uns der Krieg von unserer Regierung aufgezwungen worden. Unsere Religion hat zwei unterschiedliche Meinungen dazu, ein Teil der Religionsführer, die auf Seiten der Regierung stehen, hat bestimmt: „Gott und der Prophet haben gesagt, dass wir zu unserer Regierung halten und sie unterstützten.“ Aber der andere Teil der Religionsführer hat bestimmt: „Gott und der Prophet haben gesagt, dass wir gegen unsere Regierung aufstehen und kämpfen müssen.“

Ich habe vergessen, was mein Name ist, mein Name bedeutet Schwert, und ich gehöre nur zu einer Stadt: Damaskus, arabisch ???? Dimaschq, DMG Dimašq, französisch Damas, türkisch Sam. Die Hauptstadt von Syrien ist meine Religion und mein Glaube. Damaskus bedeutet für mich Jasmin. Und der Jasmin ist eine schwache und kleine Blüte, aber wer kennt nicht den Jasmin? Alle Welt kennt den Jasmin und das Parfüm, so wie Damaskus die Mutter aller anderen Städte auf der Welt ist. Zart, aber auch stark, hübsch, aber auch bescheiden, alt, aber Zeitgenosse, schnell, aber auch geduldig, nicht reich, aber auch nicht arm. Alle Menschen auf der Welt sind ihre Kinder, sie ist das Herz der Welt. Sie ist die Stadt der Engel und auch der Teufel. Das ist Damaskus, die Stadt der Gegensätzlichkeit.

Ich bin hier in diesem Land seit fast zwei Jahren, aber bis jetzt ist mein Deutsch nicht gut, bis jetzt muss jemand korrigieren, was ich geschrieben habe: Ich weiß nicht warum, dumm bin ich nicht, aber vielleicht kommt es daher, weil die deutsche Sprache sehr genau ist, und ich bin das nicht. Oder vielleicht gibt es auch andere Gründe, aber auf Deutsch gibt es nichts an Vielleicht, nur Sicherheit und ein Genau, aber ich bin nicht in Sicherheit und auch kein Mensch der Sicherheit, weil ich ein Flüchtling bin, weil ich zwischen Vergangenheit und Zukunft verloren ging. Und ich habe nur meine Vergangenheit und mein Land und meine Geschichte und meine Familie und meine Träume in meinem Land. Meine Gedanken gehen so: Wo bin ich? Wohin muss ich gehen? Warum ist mit mir das passiert? Was wird in Zukunft passieren?

Und auch, weil alle Angst vor mir haben, und fast alle Länder mich nicht empfangen und aufnehmen dürfen, und sie sprechen über mich und meinesgleichen, als ob wir eine Infektionskrankheit seien. Das haben die Regierungen gesagt, aber die Völker haben anders reagiert, sie haben gerufen: Willkommen, Refugee! Und sie haben uns am Hauptbahnhof empfangen, und sie haben uns ihre Gefühle und ihre Zeit gegeben und ihre Unterstützung und vieles andere. Ich kann es gar nicht beschreiben, weil es keine Worte auf der Welt gibt, die das beschreiben könnten, die Menschlichkeit. Und ich möchte mich bedanken bei ihren Gewissen für all die Gefühle und die Zeit. Sechs Millionen Deutsche haben uns geholfen, sechs Millionen geben uns alles, ein Dankeschön für ihre Menschlichkeit. Mit ihnen können wir Integration schaffen. Sie sind unsere Mütter, unsere Familie, nicht Merkel.

Und auch, weil es jeden Tag ein neues Gesetz gibt, und mit jedem neuen Gesetz hat die Regierung uns, den Flüchtlingen, unsere Rechte weiter genommen oder beschnitten. Dabei müsste ich doch wissen, was ich zu tun und zu lassen habe, aber meine Rechte darf ich nicht erfahren, weil ich die deutsche Sprache nicht verstehen kann. Und natürlich auch deshalb nicht, weil wir der Grund sind, warum die Rechtsextremen in Europa expandieren. Und was macht die Religion?

Natürlich nehmen sie uns unsere Rechte fort, egal, wir sind Flüchtlinge und dürfen nicht wählen, unsere Stimmen haben keinen Wert. Egal, wir werden morgen (in Zukunft, irgend-wann) in unsere Länder zurückkehren, wenn die Kriege in der Heimat beendet sind, aber wann ist das? In der Zukunft, wir müssen Geduld haben, und bis zu diesem Zeitpunkt müssen wir die Integration schaffen, aber was bedeutet Integration? Wer weiß das? Wer bestimmt das? Natürlich weiß es die Regierung, aber es gibt zwei Bedeutungen bei der Regierung, eine vor den Wahlen und eine nach den Wahlen, weil die Regierung nur für Wahlen arbeitet.

Hallo, was? Du darfst das nicht sagen, meine innere Stimme hat mir das gesagt, weil ich nicht die Gewohnheit habe, dass ich die Regierung kritisiere, und auch weil ich ein Flüchtling bin, und meine Meinung ist nicht richtig, und ich darf nichts sagen oder kritisieren, bis ich richtig Deutsch sprechen kann, eine Freundin hat mir das auch gesagt.

Aber jetzt, was ist Integration für die Regierung? Die Geflüchteten müssen die deutsche Kultur annehmen, und nicht nur Respekt haben. Sondern wir müssen auch die deutsche Kultur atmen, weil die deutsche Kultur nun mal die Leitkultur ist, wie der Innenminister geschrieben hat. Und natürlich sind die Geflüchteten von der Regierung unterdrückt worden, weil die Geflüchteten ohne Stress keine Integration schaffen können. Das war vor den Wahlen, aber nach den Wahlen bedeutet Integration für die Regierung, dass die Flüchtlinge einen Job finden und arbeiten, und sie können dann Steuern bezahlen. Erst dann haben sie die Integration geschafft. Alle anderen Sachen sind nicht wichtig.

Aber was bedeutet das für Geflüchtete? Oh, oh, jeder hat eine besondere Weise der Integration, eine Integration ist für mich, wenn ich die deutsche Sprache beherrsche, und mit den Deutschen in Kontakt komme. Etwas Anderes, Integration ist für mich, wenn ich zwischen schnacken und reden vergleichen kann. Ich glaube, dass es keine Unterschiede gibt, aber schnacken ist eine besondere Hamburger Sprache. Anderes, Integration ist für mich, wenn ich weiß, was ist der Unterschied zwischen nicht schlecht und gut? Warum haben die Deutschen nicht schlecht mehr als gut verwendet? Vielleicht gibt es keine Sache, die gut ist, oder vielleicht bedeutet nicht schlecht auch einfach gut, dann haben die Deutschen viel Hoffnung, weil es mehrere Gut gibt oder vielleicht … etwas Anderes?

Integration ist für mich, wenn ich Freunde finde, oder Freundschaft schließen kann, aber Freundschaft ist geöffnet, offen, nicht geschlossen. Kann man also sagen: „Wenn ich Freundschaft öffnen...



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