Eisenberg | Lachen, Weinen, Hoffnung schenken | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Eisenberg Lachen, Weinen, Hoffnung schenken

Wenn der Rebbe aus seinem Leben erzählt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7106-0559-8
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wenn der Rebbe aus seinem Leben erzählt

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-7106-0559-8
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Paul Chaim Eisenberg ist Kult. Der ehemalige Oberrabbiner Wiens, leidenschaftliche Sänger und Bestsellerautor begeistert das Publikum seit Jahren mit jüdischem Witz und Weisheit. Nun lässt er uns zum ersten Mal tiefer blicken und erzählt aus seinem Leben. Voll von Höhen und Tiefen, von kleinen und großen Begegnungen und vor allem von der Einsicht: Das Wichtigste ist, in schwierigen Zeiten seinen Humor zu bewahren. Warum der Lohn dafür, ein guter Mensch zu sein, zumeist kein vom Himmel herabgefallenes Brathuhn ist, wie Franz Wohlfahrt zur Gründung eines jüdischen Fußballvereins beigetragen hat, warum die Schoah nicht nur so vielen Juden das Leben gekostet, sondern auch das Leben der Überlebenden, ihrer Kinder und Kindeskinder geprägt hat - und warum es gerade deshalb so wichtig ist, dass wir alle Brücken zueinander bauen: Paul Eisenberg schenkt uns Zuversicht. Feiern wir das Leben mit ihm!

Paul Chaim Eisenberg ist Musiker, Bestsellerautor und war von 1983 bis 2016 äußerst beliebter Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.
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MUSIK HABE ICH MEIN LEBEN LANG geliebt und ich liebe sie noch immer.

In meinem Leben hatte ich die verschiedensten jüdischen Lieblingssänger, deren Platten ich gesammelt habe, von denen ich nur einen Teil live gesehen habe. Einmal aber war ich vor etwa zwanzig Jahren in Jerusalem und sah, dass ein Sänger, der längst in der Versenkung verschwunden war, dort ein Konzert gab. Da wollte ich unbedingt hin, weil ich diesen Sänger nie live gehört hatte und er nach seinen Plattenaufnahmen für mich einer der Größten war. Allerdings war er zur Zeit der Aufnahmen, die ich von ihm kannte, ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt gewesen. Inzwischen musste er um die fünfzig sein. Ob seine Stimme gehalten hatte? Ich war gespannt.

Er trat in Jerusalem in einem kleinen Saal auf, was klug war, weil er den Zenit seiner Popularität längst überschritten hatte. Zu seinen Topzeiten hätte er einen Saal mit fünfhundert Leuten leicht gefüllt.

Als ich zum Konzertsaal kam, sah ich, dass mit mir nur vier Zuschauer vor Ort waren. In diesem Moment war ich mir sicher, dass der Sänger absagen würde, und enttäuscht, dass mir damit die wohl letzte Gelegenheit entgehen würde, ihn einmal live zu erleben. Ich dachte mir, er wird jedem seine hundert Schekel zurückgeben und sagen: Tut mir leid.

Er aber ging auf die Bühne und sang mehr als eine Stunde lang so, als ob der Saal voll wäre.

Das ist für mich ein Profi. Oder ein feiner Mensch. Ich erzähle diese Geschichte deshalb, weil sie zeigt, dass man auf den verschiedensten Gebieten des Lebens Beispiele finden kann, die sich auf das eigene Leben anwenden oder übertragen lassen.

So ernst, wie dieser Sänger seinen Beruf nahm, sollten wir alle es tun – oder wir sollten es zumindest versuchen. Zum Beispiel jetzt, in der Corona-Zeit, singe ich auch vor dreißig Leuten, obwohl der Saal Platz für hundert Zuschauer bieten würde.

Vor ungefähr dreißig Jahren gab es in Wien ein Duo, das hier bahnbrechend für Klezmer-Musik war. Sie nannten sich nach den Mädchennamen ihrer Mütter „Geduldig & Thiemann“. Ich habe bei einer Schallplatte, die sie gemacht haben, im Chor mitgesungen und sie immer sehr bewundert. In letzter Zeit trete ich oft mit dem Musiker Roman Grinberg auf, der wirklich ein Tausendsassa, weil sehr vielseitig in seiner Musik ist (Jazz, Klezmer, Russisch etc.). Da habe ich ihm als Namen für unser Duo vorgeschlagen: „Ungeduldig & Roman“.

Auf der Bühne mit Roman Grinberg (links)

Eigentlich bin ich ein ungeduldiger Mensch. Vor allem, wenn es darum geht, die Vorträge anderer anzuhören, finde ich immer eine Entschuldigung. So habe ich schon einige Male Leuten, die mich zu ihren Vorträgen eingeladen haben, mit folgenden Worten abgesagt: „Ich bin ungeduldig, ich gehe in letzter Zeit nur zu Vorträgen, die ich selber halte – und auch da nicht immer.“ In Wirklichkeit will ich selbst auf der Bühne nicht nur Oberrabbiner, sondern immer auch Erzähler und Sänger sein. Ich bin ein großer Fan von Otto Schenk, Helmut Qualtinger, Karl Farkas, Ernst Waldbrunn usw. und versuche, ihnen nachzueifern.

MEINE ERSTEN AUFTRITTE auf dem Feld der Musik fanden zu Hause am Schabbat-Tisch statt. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter hatten eine schöne Stimme, meine Schwester und ich auch, so klang das sehr gut, und wenn dann Gäste kamen, waren sie meist sehr angetan von unserem kleinen Familienchor.

Mein Vater hatte alte Schellacks, die sehr zerbrechlich waren, von Kantoren aus Osteuropa, viele davon noch vor dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen. Die kantorale Art zu singen ist dem Operngesang ähnlich. Und weil ich diese Platten oft hörte und musikalisch war, konnte ich schon mit zehn Jahren einige davon nachsingen. Kinder, die das können, nennt man oft „kantorale Wunderkinder“. Es gab solche, die viel besser waren als ich und sogar als Kinder schon Schallplatten aufgenommen haben. Interessanterweise ist aber dann nur die Hälfte von ihnen als Erwachsene zu Kantoren geworden. Meist waren diejenigen, die später keine Kantoren wurden, jene, die man gezwungen hatte, während des Stimmbruchs Konzerte zu geben. Da kann man sich nämlich leicht „ausschreien“, was die Stimme kaputt macht.

Nachdem ich damals, in diesem zarten Alter, noch keine Konzerte jenseits unseres Esszimmers gegeben hatte, habe ich dann auch im Stimmwechsel auf Ratschlag meines Vaters wenig gesungen oder zumindest meine Stimme nicht angestrengt. Ich bin zwar nie ein berühmter Kantor geworden, kann aber bis heute schön und richtig singen – das sagen zumindest die anderen.

Während der Woche hörte mein Vater gerne die alten Schellacks, und wenn Gäste kamen, spielte er sie ihnen vor. Ein armer chassidischer Rabbi in Wien besuchte einmal im Monat meinen Vater. Nachdem ihm mein Vater dann regelmäßig eine Zuwendung gab, hörte er auch gerne die Schallplatten an. Insbesondere die Platten von Jossele Rosenblatt. Diesen schätzte der Rabbi nämlich als „ehrlichen Jid“, weil er nicht nur schön sang, sondern auch tiefreligiös war. Was man von vielen anderen Kantoren nicht sagen konnte.

Ich erinnere mich, dass mein Vater einmal unter großen Schwierigkeiten eine nagelneue Platte des Kantors Zevulun Kwartin aufgetrieben hatte, von der er sehr begeistert war und die er diesem Rabbi gerne vorspielen wollte. Allerdings war Kwartin nicht für einen orthodoxen Lebenswandel bekannt. Als der Freund meines Vaters das nächste Mal zu Besuch kam, spielte er ihm die Aufnahme einfach vor, ohne ihn darüber zu informieren, wer der Sänger war. Der Rabbiner hörte mit geschlossenen Augen tief bewegt zu und sagte dann: „Seht ihr, lieber Kollege, so kann nur ein frommer Kantor singen!“

Manche Rabbiner sagen über mich, ich sei der beste Kantor unter den Rabbinern, weil sie mir nicht zubilligen, dass ich auch ein guter Rabbiner bin. Und manche Kantoren sagen über mich, dass ich der beste Rabbiner unter den Kantoren sei, weil als Kantor nicht gar so gut. Ich weiß natürlich, dass ich beides genial verbinde.

DA ICH ABER NICHT NUR SELBST auf der Bühne stehen kann und will, sondern mich, wie gesagt, auch als Zuhörer für gute Musik begeistere, war es mir ein Anliegen, hervorragende Kantoren nach Wien zu bringen. So stellte ich, gemeinsam mit vielen Helfern, in den Neunzigerjahren eine Reihe von Kantorenkonzerten auf die Beine, die als Teil des Musikfestivals „musica sacra“ über die Bühne gingen, das wiederum ein Teil des weltumspannenden Musiknetzwerkes „Jeunesses Musicales“ ist und von der Stadt Wien bis heute gesponsert wird.

Auftritt bei einem jüdischen Konzertabend

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entstand eine Organisation, die jüdische Topkantoren aus Europa, Israel und Amerika auf eine Reise durch Polen, Ungarn und die Sowjetunion schickte, weil viele Kantoren vor dem Zweiten Weltkrieg von dort aus in den Westen gekommen waren. Das sollte sozusagen ein Ansporn für die osteuropäischen Juden sein, sich wieder mit jüdischen Werten und jüdischer Musik zu beschäftigen. Obwohl Wien bekanntlich nicht hinter dem Eisernen Vorhang lag, als dieser noch zugezogen war, wollte diese Organisation auch hier ein solches Konzert veranstalten – aber die jüdische Gemeinde hatte kein Geld dafür.

Damals ging ich zum Verein „musica sacra“ und fragte sie, ob sie nicht auch ein jüdisches sakrales Konzert finanzieren könnten. Ich wurde ein wenig komisch angeschaut und gefragt: „Was ist ein jüdisches sakrales Konzert? Wir unterstützen nur Konzerte, die ein hohes musikalisches Level haben“, sagten die Herrschaften noch dazu, was der beste Beweis dafür war, dass sie wirklich keine Ahnung von kantoralem Gesang hatten.

Ich packte eine Schallplatte von einem Kantor aus, der Teil der beschriebenen Osteuropa-Tournee war, und spielte sie vor: Da ist den Herren von „musica sacra“, wie man so sagt, der Mund offen geblieben, und sie waren sofort bereit, jährlich ein Kantorenkonzert zu sponsern.

Es wird übrigens erzählt, dass sogar der große Enrico Caruso am Versöhnungstag in Synagogen gegangen sei, um dort die Kantoren zu hören. Caruso war natürlich ein besserer Sänger als sie, aber die Kantoren haben zu Jom Kippur vier Stunden und mehr durchgehend gesungen, und der berühmte Opernsänger wollte sich abschauen, wie sie diese ungeheure Ausdauer erreichten.

In Amerika gab es an der Metropolitan Opera in New York zwei Schwager, einer hieß Richard Tucker und der andere Jean Pierce, die sowohl Toptenöre als auch jüdische Kantoren waren. Die beiden traten nur ein- oder zweimal im Jahr als Kantoren auf, nahmen aber nie eine Rolle an der Met an, wenn sie für diesen Zeitpunkt schon als Kantoren engagiert waren.

Als Rabbiner muss man nicht...


Eisenberg, Paul Chaim
Paul Chaim Eisenberg ist Musiker, Bestsellerautor und war von 1983 bis 2016 äußerst beliebter Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Paul Chaim Eisenberg ist Musiker, Bestsellerautor und war von 1983 bis 2016 äußerst beliebter Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.



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