E-Book, Deutsch, 340 Seiten
Elvestad Der schwarze Stern (Kriminalroman)
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-0852-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 340 Seiten
ISBN: 978-80-268-0852-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Der schwarze Stern (Kriminalroman)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Sven Elvestad (1884 - 1934) war ein norwegischer Journalist und Schriftsteller, der fast 100 Kriminalromane veröffentlicht hat, bei denen der norwegische Ex-Polizist Asbjørn Krag als Privatdetektiv auftritt. Sven Elvestad ist Begründer des norwegischen Kriminalromans. Aus dem Buch: 'Was Asbjörn Krag in der großen Stadt am meisten interessierte, hatte er zum größten Teile gesehen. Schon gleich nach seiner Ankunft war er mit den Mitgliedern des norwegischen Generalkonsulats zusammengetroffen, die ihn durch Kunstsammlungen und Gemäldegalerien führen wollten. Darum war ihm aber nicht zu tun. Mit größtem Interesse studierte er dagegen alles, was mit dem Polizei- oder Gefängniswesen zu tun hatte.'
Weitere Infos & Material
Der hohe Gast
Inhaltsverzeichnis
Beim Frühstück schnitt der Kapitän das Thema wieder an. »Wäre es nicht das beste, wenn du dich an den Konsul wendetest?« fragte er. »Das hat absolut keinen Zweck«, antwortete Asbjörn Krag. »Schon die erste Bitte des Konsuls, den verhafteten Norweger aus der Haft zu entlassen, würde einen Sturm des Unwillens über eine solche Einmischung hervorrufen.« »Wie denkst du es dir denn, ihn aus dem ›Schwarzen Stern‹ zu befreien?« »Wie ich dir schon gesagt habe: Ich werde ihm zur Flucht verhelfen.« »Das wird dir nie gelingen.« »Es soll mir gelingen. Bist du ängstlich?« »Nein,« entgegnete der norwegische Kapitän, »nicht, wenn du der Anführer bist. Hast du schon einen Plan?« »Ja; aber allein kann ich ihn nicht ausführen.« »Du kannst auf mich zählen.« »Dank dir, alter Freund; ich hab's wohl gewußt. Mir fehlt aber noch ein Mann.« Der Kapitän dachte nach. »Acht meiner Leute sind Norweger.« »Ich kenne sie alle,« entgegnete Krag, »und ich weiß bestimmt, daß jeder einzelne unter ihnen das Abenteuer gern mitmachte; ganz besonders, wenn es sich um einen Landsmann handelt. Ich muß aber einen haben, der die Sprache beherrscht.« »Dann schlage ich John, den zweiten Steuermann, vor«, sagte der Kapitän, indem er schellte. »Er ist ein prächtiger Mensch. Mehrere Jahre war er an Bord einiger Millionärsjachten.« Nach wenigen Minuten stand der zweite Steuermann in der Kajüte. »Setzen Sie sich,« sagte der Kapitän, »und langen Sie zu. Wir haben etwas mit Ihnen zu bereden.« John war sofort einverstanden, als er vernahm, um was es sich handelte. Er war ganz glücklich darüber, am Abenteuer teilnehmen zu dürfen; gleichzeitig war er aber auch verblüfft über die unerhörte Dreistigkeit des Planes. Eine ganz verteufelte Sache! Es war bezeichnend, daß weder der Kapitän noch der Steuermann auf den Gedanken kam, zu fragen, welche Rolle sie denn in diesem Abenteuer zu spielen hatten. Sie verließen sich auf Krag und überließen ihm unwillkürlich alles. Nach beendetem Frühstück begab sich Asbjörn Krag in den ihm angewiesenen Raum, wo er einige Minuten lang herumrumorte. Als er wieder aus der Kajüte heraustrat, trug er einen schwarzen Kasten in der Hand. Diesen Kasten legte er auf den Tisch. Während er ihn aufschloß, sagte er: »Bei meiner Abreise aus Christiania hatte ich es im Gefühl, daß ich in irgendeine Sache mit hineingezogen würde. Aus Klugheitsgründen nahm ich diesen Kasten mit. Niemals darf er fehlen, wenn Asbjörn Krag helfend eingreifen soll.« Mit hörbarem Ruck gab das Schloß nach; der Kasten war geöffnet. Neugierig betrachteten Kapitän und Steuermann das Ding. »Man möchte glauben,« sagte der Steuermann, »ja, man möchte glauben, Sie wären Einbrecher und nicht Detektiv.« Asbjörn Krag lachte laut auf. Der Kasten war ziemlich groß, größer als ein gewöhnlicher Handkoffer, und besaß zwei Fächer. Aus dem einen Fache glänzten ihnen verschiedene Werkzeuge entgegen. Da waren Bohrer in allen Dimensionen, von der Größe einer Stopfnadel bis zur Länge etwa eines halben Meters. Da waren die verschiedensten Arten Schlüssel, Dietriche und Geräte zum Sprengen von Schlössern, Messer, Brecheisen usw.; sogar ein Diamant zum Glasschneiden fehlte nicht, ebensowenig eine Kruke Teer, um die Scheiben einzuschmieren, damit sie keinen Lärm machten, wenn Asbjörn Krag im Sinn hatte, ein Fenster zu zerschneiden. Krag nahm zwei schmale, flache Werkzeuge aus Stahl aus dem Kasten; einen Bohrer und eine langgezähnte Säge. »Diese Dinge«, sagte er, indem er die Gegenstände in der Hand wog, »sind aus dem härtesten Stahl hergestellt, der sich in den Essener Stahlwerken auftreiben ließ.« »Was willst du damit?« fragte der Kapitän interessiert. »Was ihr hier seht,« entgegnete der Detektiv, »soll noch vor Dunkelwerden im Besitz des verhafteten Norwegers Harald Vik sein.« »Wie willst du das anfangen?« »Das ist eine Kleinigkeit.« Der Kapitän lächelte. »Warum lachst du?« fragte Krag. »Ich lache bei dem Gedanken, daß gerade der tüchtigste Polizeibeamte Norwegens dies in Szene setzt.« Nun wurde Krag jedoch ernst. »Bitte, merke dir,« sagte er, »daß ich erstens kein Angestellter der Polizei Christianias bin. Ich betätige mich privatim. Nicht als Polizeibeamter bin ich Detektiv, sondern aus Interesse an dem Fach an sich und der Spannung, die damit verbunden ist. Mehrfach schon habe ich den Interessen der Polizei entgegengearbeitet, bloß um Leuten aus der Klemme zu helfen. Außerdem bin ich überzeugt, daß der verhaftete Norweger nur durch die Ueberspanntheit seines Naturells in die unheilvolle Affäre hineingezogen worden ist, ohne eigentlich darüber nachzudenken, auf welch verhängnisvollen Wegen er sich befand. Und dann«, schloß Krag, indem er den Deckel des Kastens zuklappte, »suche ich Spannung und Erregung, wo ich sie finde. Vier Monate sind es nun her, seit ich tätig war. Ich habe mich in letzter Zeit furchtbar gelangweilt.« Der Detektiv sah nach der Uhr. »Die Uhr ist schon zehn,« sagte er. »Soll es uns gelingen, den Unglücklichen noch vor zwölf Uhr heute nacht aus dem Gefängnis zu befreien, so müssen wir gleich ans Werk gehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.« »Gib uns deine Befehle«, sagte der Kapitän. »Nun denn,« entgegnete Krag, »Sie, Steuermann, bleiben vorläufig an Bord; der Kapitän geht mit mir.« Krag betrachtete den Kapitän. »Deine Kleidung ist unmöglich«, sagte er. »Joppenanzug wäre angebracht. Zieh dich bitte um. Der Kapitän nickte. »Es wird mir ein Vergnügen sein«, gab er zur Antwort. Das Umkleiden war schnell besorgt. Als der Kapitän jedoch seine Kajüte verließ, machte ihn Asbjörn Krags verändertes Aussehen stutzig. Der jetzt vor ihm stand, war nicht mehr der norwegische Detektiv, sondern ein angejahrter Gentleman, dem Anschein nach ein Diplomat. Bart und Koteletten waren ergraut; im Knopfloch trug er ein Ordensbändchen. »Donnerwetter!« rief der Kapitän. »Heut spielen wir wohl den noblen Herrn?« Krag zog eine Morgenzeitung aus der Tasche und las den Artikel, der am Morgen seine Aufmerksamkeit gefesselt hatte, laut vor. Es war die Neuigkeit von der Ankunft des bekannten Politikers X. in der Stadt, auf seiner Reise um die Welt. »Ich bin also jetzt der berühmte Diplomat«, sagte der Detektiv. Der Kapitän blickte ihn ganz verdutzt an. »Und welche Rolle habe ich dann zu spielen?« fragte er. »Du bist mein Sekretär.« »Großartig! Nun geht mir ein Licht auf. Der berühmte Diplomat und sein Sekretär werden das Gefängnis aufsuchen.« »Eben.« »Wenn aber nun der wahre hohe Herr von der Sache erfährt, was dann?« »Dann werde ich ihn sehr bald dadurch zum Schweigen bringen, daß ich ihm sage, wer ich bin. Ich habe ihm einst, als er durch Norwegen reiste, einen Dienst erwiesen. Es handelte sich um einen abhanden gekommenen Brief von größter Wichtigkeit. Sieh dir diese Brillantnadel an, Kapitän.« »Ein prachtvolles Exemplar.« »Ich habe sie von ihm. Jedes Jahr erkundigt er sich durch die offizielle Vertretung seines Landes nach meinem Befinden. Sollte sich irgend etwas Unangenehmes ereignen, so kann ich auf ihn rechnen.« Der Kapitän war jetzt ganz im Bilde. »Natürlich müssen wir in einem der ersten Hotels Wohnung nehmen«, meinte er. »Selbstverständlich! Er wohnt im Savoy-Hotel, folglich werden wir auch dort wohnen. Während du dich umzogst, habe ich telephonisch Zimmer bestellt. Im Hotel halten sie uns für zwei vornehme Franzosen, die per Automobil von irgendeiner benachbarten Stadt kommen.« »Aber das Automobil?« »Das können wir uns überall mieten.« Eine halbe Stunde später hielt vor dem Hotel ein prächtiges, grünes Auto. Feierlichst entstiegen Asbjörn Krag und der Kapitän dem Wagen; kaum daß sie die herbeieilenden Angestellten und Portiers anblickten. Sofort wurden die Herren in ihre Zimmer geführt – zwei große Räume im zweiten Stock –, die täglich hundert Dollar kosteten. »Wir beabsichtigen, heute abend dem Melba-Konzert beizuwohnen,« sagte Krag zum Portier, dem er eine Fünfhundert-Dollar-Note gab, »sorgen Sie dafür, daß wir Eintrittskarten bekommen.« Ohne ihn einer Antwort auf seine Frage nach dem Preise der Karten zu würdigen, fertigte Krag den Portier ab. Die Herren begaben sich in die Gartenanlagen des Hotels, um die Musik zu genießen. Krag erkundigte sich nach dem europäischen Diplomaten. Ob er aufgestanden sei? »Schon seit langem«, lautete die Auskunft. »Exzellenz sind augenblicklich beim Gesandten.« »Und sein Sekretär?« »Ist auch beim Gesandten.« »Das Glück ist mit uns«, flüsterte Krag dem Kapitän zu, nachdem der Kellner gegangen war. Der Kapitän genoß die herrliche Musik, die von einem verborgenen Orchester über den Garten flutete, mit ganzer Hingabe. Als er sich nach Beendigung des Stückes mit einer Frage an Krag wenden wollte, war dieser verschwunden. Der Kapitän blieb ruhig sitzen. Er hatte es aufgegeben, sich über Krag zu wundern. Nach etwa einer Viertelstunde kehrte der...