Eminger / Langthaler / Mulley | Nationalsozialismus in Niederösterreich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 9, 400 Seiten

Reihe: Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern

Eminger / Langthaler / Mulley Nationalsozialismus in Niederösterreich

Opfer. Täter. Gegner
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7065-6186-0
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Opfer. Täter. Gegner

E-Book, Deutsch, Band 9, 400 Seiten

Reihe: Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern

ISBN: 978-3-7065-6186-0
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wie wird das Bundesland Niederösterreich zum NS-Reichsgau Niederdonau? Wie übt der Nationalsozialismus seine Herrschaft in Niederösterreich aus? Wer sind seine AnführerInnen und UnterstützerInnen? Welche Menschen werden verfolgt oder leisten Widerstand? Wie verhält sich die Masse der Bevölkerung? Welche kurz- und langfristigen Veränderungen setzt das NS-Regime in Gang?
Diese und viele weitere Fragen beantwortet die vorliegende Geschichte des Nationalsozialismus in Österreichs größtem Bundesland: leicht verständlich und wissenschaftlich fundiert erzählt – vor allem für junge LeserInnen, aber auch für interessierte Erwachsene.

Über vierzig Kurzbiografien ergänzen die Kapitel: Sie zeigen ganz normale wie auch außergewöhnliche Menschen – Frauen und Männer, die zwischen Zustimmung, Wegschauen und Ablehnung schwanken, Menschen, die verfolgt werden, sich schuldig machen oder auflehnen.
Rund 280 Abbildungen und Fotografien vermitteln ein lebendiges Bild der Zeit. Ein Sach-, Personen- und Ortsregister macht das Buch zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk niederösterreichischer NS-Geschichte.

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Weitere Infos & Material


Nationalsozialismus in Niederösterreich
Vor dem „Anschluss“
Welche Auswirkungen hat der Erste Weltkrieg?
Als Ende Oktober des Jahres 1918 in Prag die Tschechoslowakische Republik ausgerufen wird und in Wien im Niederösterreichischen Landhaus die „Provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs“ zusammentritt, glauben am Land nur wenige an den politischen „Umbruch“.1 Die Provinzzeitungen üben sich in Durchhalteparolen. Noch am 10. November 1918, also zwei Tage vor der Ausrufung der Republik im Wiener Parlamentsgebäude, warnt etwa das christlich-soziale „Neue Wochenblatt“ im Viertel unter dem Manhartsberg vor „Betrügern“, die meinten, es gäbe keinen Kaiser mehr: „Wer ein echter Deutscher ist, der bewahrt auch in bösen Zeiten dem angestammten Herrscher Liebe und Treue und jagt zum Teufel, welche mit Lüge und Verleumdung ihre dunklen Geschäfte betreiben.“2 Für die katholische Bevölkerung ist kaum vorstellbar, dass es den Kaiser nicht mehr geben sollte; umso klarer hatten sie vielfach das Feindbild vor Augen: den jüdischen „Kriegsgewinnler“. Feierstimmung herrscht bei der Ausrufung der Republik im November 1918 nur in den Städten, hier in Wiener Neustadt. (Stadtarchiv Wiener Neustadt) Die Nachricht vom politischen „Umbruch“ in Wien verbreitet sich auch am Land wie ein Lauffeuer. Dort hat das harte Regime der Kriegswirtschaft den Ruf der Monarchie zwar arg beschädigt, eine revolutionäre Aufbruchsstimmung gibt es dennoch keine. Die Bauern begeistern sich nicht für die Republik, spontane Kundgebungen finden am flachen Land nicht statt. Die Beendigung des Krieges und der Verzicht des Kaisers auf die Regierungsgeschäfte lassen die Bauern hoffen, endlich von den Fesseln der Ablieferungspflicht befreit zu sein. Die Gräben zwischen Stadt und Land, zwischen Konsumenten und Produzenten, zwischen Arbeitern und Bauern werden noch tiefer, als dies bereits im Krieg der Fall war. Christlichsozial-konservative Politiker, wie der Reichsratsabgeordnete Pfarrer Matthäus Bauchinger, werben bei den Landwirten um Solidarität mit der Stadtbevölkerung. „Der Landwirt“, meint er, „sei auch aus Nächstenliebe schon verpflichtet, für die Ernährung seines deutschen Mitmenschen jedes Opfer zu bringen, wenn es ihm möglich ist, ein größeres Quantum als das Vorgeschriebene abzuliefern, damit wir die kritische Zeit übertauchen können.“3 Die Sozialdemokraten rufen in nahezu jeder Versammlung dazu auf, Ruhe und Ordnung zu bewahren. Heinrich Schneidmadl aus St. Pölten etwa warnt vor der offenbar verbreiteten Ansicht, „weil kein Kaiser mehr regiert, könne Jeder tun, was er will“.4 Sorge machen vor allem die quer durch das Land in ihre Heimat zurückflutenden tausenden ausländischen Kriegsgefangenen sowie die rund 200.000 heimkehrenden Soldaten aus der Armee des Kaisers. Die jüngeren unter ihnen haben kaum etwas Anderes gelernt als das Kriegshandwerk; ihre Eingliederung in ein ziviles Arbeitsleben stößt insbesondere im städtischen Bereich auf Schwierigkeiten. Die noch fehlende Staatsgewalt führt zu unsicheren Verhältnissen, es häufen sich Plünderungen und Flurdiebstähle. Denn in den Industrieregionen des Landes, vor allem aber in Wien, herrschen Hunger und Not. In ihrer Verzweiflung strömt die Stadtbevölkerung aufs Land, um Lebensmittel gegen Wertsachen einzutauschen oder sonstwie ihr Überleben zu sichern. Vor allem in den stadtnahen Regionen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen städtischen „Hamsterern“ und Bauern, die für ihre Nahrungsmittel mitunter sehr viel verlangen. Die Spannungen zwischen „schwarzen“ Bauern und „roten“ Arbeitern, zwischen Stadt und Land kommen in diesem Wahlplakat der Sozialdemokraten von 1920 deutlich zum Ausdruck. (Wienbibliothek im Rathaus) Für Ordnung sorgt neben der örtlichen Gendarmerie eine neue bewaffnete Macht – die „Volkswehr“, gegründet vom sozialdemokratischen Unterstaatssekretär für Heerwesen, Julius Deutsch. Sie soll das Land im Inneren und auch an den Grenzen schützen. Die christlichsozial-katholischen Bauerngemeinden misstrauen diesem republikanischen Heer. Für sie ist die Volkswehr eine „linksgerichtete Organisation“: weil die Mannschaften „Soldatenräte“ bilden, denen kommunistische „Rote Garden“ ebenso eingegliedert werden wie Arbeitslose aus dem Wiener Neustädter Industriegebiet, und es immer wieder zu Konflikten kommt. Vor allem aber, weil die Verwaltung die Volkswehr zu Hilfe ruft, um die Bauern zu zwingen, die vorgeschriebene Menge an Lebensmitteln abzuliefern. Daher gründen die Dorfbewohner Bürger-, Orts- und Bauernwehren. Einige von ihnen bilden später den Kern der niederösterreichischen „Heimatschutzbewegung“. Der geringe Respekt der DeutschösterreicherInnen vor dem Gewaltmonopol des neuen Staates wird zum Geburtsfehler der Ersten Republik. Wie entsteht das Bundesland Niederösterreich?
Das niederösterreichische Landhaus in der Herrengasse 13 in Wien steht am Beginn der Republik im Mittelpunkt. Hier erfolgt die Gründung des neuen Staates „Deutsch-Österreich“ und hier wird auch das Bundesland Niederösterreich aus der Taufe gehoben. (Niederösterreichische Landessammlungen) Niederösterreich ist bis zum Herbst 1918 ein Kronland der k. u. k. Monarchie.5 Wie die Gründung des neuen Staates „Deutsch-Österreich“ erfolgt auch die Schaffung des Landes Niederösterreich im Niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse. Hier treffen sich am 5. November 88 Abgeordnete des letzten Landtages und 32 niederösterreichische Abgeordnete des Reichsrates. Sie bilden die Provisorische Landesversammlung von Niederösterreich, die Vorläuferin des Landtages, und wählen den Wiener Christlichsozialen Leopold Steiner zum Landeshauptmann. Die Großstadt Wien gehört damals zu Niederösterreich. Die drei Stellvertreter sind Mandatare der drei großen Parteien: der Bauer Johann Mayer aus Bockfließ für die Christlichsozialen, der Krankenkassenbeamte Albert Sever aus Wien für die Sozialdemokraten und der Gastwirt und Postmeister Karl Kittinger aus Karlstein an der Thaya für die Großdeutschen. Sie bilden mit Landeshauptmann Steiner die Provisorische Landesregierung. Doch nach den ersten Landtagswahlen in Niederösterreich unter Beteiligung von Frauen am 4. Mai 1919 steht der Sozialdemokrat Albert Sever – das erste und bisher letzte Mal – an der Spitze des Landes. Die sozialdemokratische Partei beendet die Vorherrschaft der Christlichsozialen in Niederösterreich: Von 120 Mandaten erhält sie 64 Mandate, die Christlichsozialen kommen auf 45, die Deutschnationalen auf 8; drei Mandate gehen an die tschechischen Sozialisten in Wien. Der Erfolg der Sozialdemokraten beruht auf deren Stärke in Wien und in den größeren Provinzstädten; die Christlichsozialen sind fast ausnahmslos im ländlichen Raum siegreich. Albert Sever bleibt eineinhalb Jahre lang Landeshauptmann von Niederösterreich. Dann erfolgt die Trennung von Wien und Niederösterreich. Die Vertreter des Niederösterreichischen Bauernbundes wollen nämlich verhindern, dass die Sozialdemokratie das Land regiert, die Christlichsozialen der westlichen Bundesländer, dass das bei weitem bevölkerungsreichste Land ganz Österreich dominiert. Niederösterreich wird dadurch wirtschaftlich ärmer und zum Bauernland, in dem sich eine Kleingemeinde an die andere reiht. Die Wiener Sozialdemokratie sieht auch Vorteile in der Trennung. In einem selbstständigen Bundesland Wien ist sie die unangefochten stärkste politische Kraft. Am 30. November 1920 gibt sich das Land Niederösterreich eine eigene Verfassung, am 29. Dezember 1921 wird das Trennungsgesetz beschlossen. Es beendet die jahrhundertealte Einheit von Wien und dem Land Niederösterreich, wo die Wahlen im Frühjahr 1921 die völlig veränderten politischen Verhältnisse offenbaren. Die Christlichsozialen erringen mit dem Bauernbund die absolute Mehrheit mit 32 Mandaten. Die Sozialdemokraten erreichen nur noch 22 Sitze, die Deutschnationalen lediglich sechs. Am Beginn der Republik ist monatelang nicht klar, wo die Grenzen des Landes, zugleich Staatsgrenzen gegenüber der neuen Tschechoslowakei, verlaufen. Pläne, die deutschsprachigen Gebiete in Südmähren und Teilen Südböhmens an Niederösterreich anzugliedern, scheitern. Tschechoslowakische Truppen besetzen im Dezember 1918 Znaim und andere Gebiete Südmährens. Die Regierung in Prag erhebt sogar Anspruch auf Grenzgebiete des Wald- und Weinviertels. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Zwischenfällen; zeitweilig sind Grenzorte wie Hohenau an der March oder Rabensburg von tschechischen Soldaten besetzt. Klarheit schafft erst der Vertrag von Saint Germain-en-Laye, der am 20. Juli 1920 in Kraft tritt. Das Land Niederösterreich verliert Gebiete um Feldsberg (Valtice) und bei Gmünd mit insgesamt 18.600 Menschen an die Tschechoslowakei. Welche Probleme entstehen in der Wirtschaft?
1918 zerfällt die Monarchie, an ihre Stelle treten Nationalstaaten. Diese Entwicklung verwandelt Niederösterreich fast über Nacht in ein...


Die Bandautoren:

Dr. Stefan Eminger ist Leiter des Referates für Zeitgeschichte im Niederösterreichischen Landesarchiv in St. Pölten. Er forscht insbesondere zur Geschichte des 20. Jahrhunderts in Niederösterreich und zur Geschichte der Zwischenkriegszeit in Österreich.
Univ.-Prof. Dr. Ernst Langthaler ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Vorstand des gleichnamigen Instituts an der Johannes Kepler Universität Linz sowie Vorstand des Instituts für Geschichte des ländlichen Raumes in St. Pölten. Seine Forschung konzentriert sich auf Agrar-, Ernährungs- und Umweltgeschichte seit 1850 (Weltkriege, Nationalsozialismus, Globalisierung usw.).
Dr. Klaus-Dieter Mulley ist Historiker und war bis zu seiner Pensionierung 2019 Leiter des Geschichtsinstituts der Arbeiterkammer sowie Geschäftsführer des Theodor Körner Fonds und des Edith Saurer Fonds. Er forscht über die niederösterreichische Regional- und Lokalgeschichte des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt Nationalsozialismus sowie über die Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung.



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