Ernst / Enst | Publizitätspflichten für schuldenbasierte Übernahmen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 63, 386 Seiten

Reihe: Beiträge zum Insolvenzrecht

Ernst / Enst Publizitätspflichten für schuldenbasierte Übernahmen

E-Book, Deutsch, Band 63, 386 Seiten

Reihe: Beiträge zum Insolvenzrecht

ISBN: 978-3-8145-5607-9
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Restrukturierungs- und Kapitalmarktrecht. Sie untersucht zunächst, inwiefern Investoren die neuen Instrumente des StaRUG zur Durchführung von Loan-to-Own-Transaktionen nutzen können. Ferner werden die geltenden Veröffentli-chungspflichten, vor allem des Kapitalmarktrechts, analysiert. Inwiefern ein Eingreifen des Ge-setzgebers notwendig ist, beantwortet das Werk differenziert und mit besonderem Augenmerk auf den Schutzzwecken der deutschen und europäischen Transparenzvorschriften. Zuletzt stellt die Arbeit Überlegungen zu wichtigen Eckpunkten einer etwaigen Reform an.
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Zielgruppe


Insolvenzverwalter, Kapitalmarktrechtler, Sanierungsberater

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Kapitel 1:
Distressed Debt Investing – der Markt, die Akteure, die Strategien „Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“ – Max Frisch 12  Die Krise – gemeint ist die finanzielle oder unternehmerische Krise einer Gesellschaft – ist ein Stadium, in dem viele Investoren ihre Anlageentscheidung überdenken und sich eher aus einem Investment zurückziehen. Für andere Akteure allerdings ist die Krisensituation gerade das Terrain, auf dem sie ihre Tätigkeit als Anleger beginnen. Distressed Debt Investoren sind spezialisiert auf den Aufkauf von Verbindlichkeiten notleidender Unternehmen, der „distress“ einer Gesellschaft7) ist für sie der Hebel zur Realisierung einer Renditemöglichkeit. Ihre Tätigkeit wird dabei kontrovers beurteilt. Je nach Ansicht tragen sie entweder dazu bei, den katastrophischen Beigeschmack der Krise zu nehmen oder ihn noch zu verstärken. A.  Der Markt für Distressed Debt
13  Am Sekundärmarkt für Fremdkapital hat sich seit den 1980er Jahren international ein besonderes Segment entwickelt: Der Markt für notleidende Verbindlichkeiten, die sogenannten „Distressed Debts“. Der Markt hat sich in jüngerer Vergangenheit stark professionalisiert und institutionalisiert. Banken, Fonds und andere Investoren sind aktiv im Handel mit Fremdkapitalprodukten, die als Non-Investmentgrade, hochspekulativ oder schlicht „junk“ bezeichnet werden. Trotzdem ist der Markt noch stark fragmentiert, ein institutioneller Handel ist nicht durchgehend gewährleistet. Die gehandelten Verbindlichkeiten sind dabei sehr vielfältig und umfassen Forderungen gegen private Unternehmen, öffentliche Institutionen oder gar Staaten. Diese Arbeit befasst sich ausschließlich mit Forderungen gegen privatrechtliche Gesellschaften. Wie sich hier ein Markt für Distressed Debt entwickelte, wie er begrifflich von sonstigen Marktsegmenten abgegrenzt werden kann und wer in diesem Markt aktiv ist, soll in diesem Abschnitt vorgestellt werden. I.  Begriffsbildung
1.  Distressed Debt 14  Eine national oder international feststehende Definition von Distressed Debts bzw. Distressed Securities existiert nicht.8) Verschiedene Definitionsversuche knüpfen daran an, dass es sich um Forderungen handelt, deren vollständige Erfüllung ungewiss ist. So definiert Richter Distressed Debts als Kreditforderungen, mit deren vollständiger Tilgung samt Zinsen nicht mehr gerechnet werden kann.9) Eine prominente Klassifizierung von Edward Altman qualifiziert eine Fremdkapitalposition als distressed, wenn sie mit einem Aufschlag von 1000 Basispunkten über den entsprechenden Staatsanleihen10) gehandelt werden.11) Dieser Ansatz orientiert sich also weniger am – wie auch immer zu ermittelnden – Ausfallrisiko, sondern nutzt stellvertretend die Risikozuweisung durch den Markt. Der offensichtliche Vorteil dieses Ansatzes ist die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung. Ein gewichtiger Nachteil ist indes, dass Finanzmärkte recht volatil sind, sodass diese Grenze nicht in jeder Zeit gleich aussagekräftig ist. Zudem eignet sich dieses Modell nur für Forderungen, die auf organisierten Märkten gehandelt werden; dies ist aber längt nicht bei allen Fremdkapitalpositionen der Fall.12) Die wohl meisten Autoren versuchen indes nicht, den Begriff weiter zu konturieren, sondern sehen Distressed Debt als eine Art Sammelbegriff für Non-Performing-Loans und Sub-Performing-Loans an.13) 15  Diese weite Definition ist die wohl praktikabelste Lösung und soll daher auch der nachfolgenden Abhandlung zugrunde gelegt werden.14) Die beiden Unterkategorien der Non-Performing-Loans und Sub-Performing-Loans sind nur teilweise fest definiert.15) 2.  Non-Performing-Loan 16  Non-Performing-Loans (kurz NPL) sind Kreditforderungen, bei denen mit einer vollständigen Rückzahlung inklusive aller anfallenden Zinslasten nicht mehr gerechnet werden kann und deren zugrunde liegender Vertrag gekündigt ist oder zumindest gekündigt werden kann.16) Dabei ist ein Kündigungsrecht in der Regel gegeben, wenn es zu wiederholten Zahlungsrückständen oder einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers kommt. Darüber hinaus werden in Unternehmenskrediten sog. Financial Covenants besondere Kündigungsrechte zugunsten der finanzierenden Banken oder Investoren vorsehen, die an bestimmte Unternehmenskennzahlen geknüpft sind.17) 17  Im Anwendungsbereich § 125 SolvV kann ein Non-Performing-Loan trennscharf beschrieben werden. So muss eine Kreditverbindlichkeit als „non performing“ deklariert werden, wenn der Schuldner mit der Erfüllung einer wesentlichen Verbindlichkeit mehr als 90 Tage in Verzug ist oder seiner Kreditverpflichtung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen wird.18) 3.  Sub-Performing-Loan 18  Bei Sub-Performing-Loans ist der Grad der Leistungsstörung zwischen Schuldner und Gläubigern nicht so hoch wie bei NPL.19) Ein Kredit wird dann als sub performing bezeichnet, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass er inklusive Zinsen nicht oder nicht vollständig zurückgezahlt werden kann. In Abgrenzung zu Non-Performing-Loans liegen indes die Voraussetzungen zur Kündigung des zugrunde liegenden Darlehensvertrags noch nicht vor.20) Wann genau diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich abstrakt kaum beschreiben. Wichtige Indizien für eine Gefährdung des Kredits ist ein Absinken des Ratings von Baa3 auf Ba1 (Non-Investmentgrade).21) Auch ohne ein solches Downgrading kann man auf den distress eines Kredits schließen, wenn dieser auf dem Sekundärmarkt nur noch mit deutlichen Abschlägen gehandelt wird.22) II.  Sekundärmarkt für Distressed Debt
1.  Marktsituation und Entwicklung 19  Ein Markt für notleidende Verbindlichkeiten hat sich im deutschen und europäischen Raum23) Anfang der 2000er Jahre entwickelt.24) Seitdem ist das Marktumfeld für Distressed Debt zunehmend größer geworden. Schon 2005 schrieben Kestler/Strigel/Jesch, Distressed Debt sei „en vogue“.25) Etwa um diesen Zeitraum waren im deutschen Raum auch die ersten Transaktionen mit Volumina über 1 Mrd. Euro zu beobachten.26) Die Gesamtgröße des deutschen Marktes konnte nur sehr grob geschätzt werden. Allein für das Jahr 2006 existieren Schätzungen über von jeweils 14,4 Mrd., 160 Mrd. und 300 Mrd. Euro.27) Auch lässt sich nicht genau sagen, wie hoch das Volumen für Distressed Debt Transaktionen heute ist. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC gab das Volumen des NPL-Marktes in Deutschland für 2016 mit 135 Mrd. Euro an.28) Da sich diese Zahlen nur auf Non-Performing-Loans beziehen, dürfte die Gesamtgröße des Distressed Debt Marktes erheblich größer sein.29) Eine Erhebung von Preqin zeigte, dass Distressed Debt Fonds Mitte 2021 rund 277 Mrd. US-Dollar verwalteten und auf ein dry powder von 131 Mrd. US-Dollar zugreifen konnten.30) Diese Zahlen beziehen sich wohl auf den weltweiten Markt, zeigen jedoch, dass auf Distressed Debts spezialisierte Fonds über beachtliche Investitionsmittel verfügen. 20  Die beachtliche Streuweite der eben genannten Schätzungen verdeutlicht, dass es schwierig ist, genaue Zahlen über das Transaktionsvolumen zu ermitteln. Das liegt sowohl an den gehandelten Produkten als auch an der Marktstruktur. Zum einen ist die Definition von Distressed Debt, wie oben gezeigt, uneinheitlich. Zum anderen handelt es sich bei den erfassten Verbindlichkeiten nicht nur um öffentlich gehandelte Anleihen wie etwa High Yield Bonds.31) Die gehandelten Debts umfassen auch einen breiten Fächer aus derivativen Finanzprodukten mit einer Anleihe als Underlying32), Schuldverschreibungen, normalen Bankdarlehen und auch syndizierten Krediten.33) Diese werden nur teilweise auf organisierten Märkten und Handelsplattformen umgesetzt. Viele Forderungen können die Investoren auch direkt bei den finanzierenden Banken, Private Debt-Anbietern oder over-the-counter bei Brokern und Banken mit entsprechenden Trading Desks erwerben.34) 21  Gerade die Private Debt-Anbieter könnten dazu beitragen, dass der Distressed Debt Markt auch in Zukunft angeschoben wird. Private Debt bezeichnet die Vergabe von Darlehen wie collateralized loan obligations (CLO)35) oder Unitranche-Finanzierungen36) durch darauf spezialisierte institutionelle Investoren.37) Auf diese Weise wird neben Kapitalmärkten und Banken eine weitere Quelle zur Aufnahme von Fremdkapital geschaffen. Diese alternative Form der Finanzierung wird vor allem zur Akquisitionsfinanzierung im Bereich von Private Equity-Übernahmen eingesetzt.38) Als Kapitalnehmer kommen aber auch Unternehmen in Betracht, die kein Investmentgrade-Rating aufweisen können.39) Der Private Debt-Markt hat sich in jüngster Vergangenheit rasant entwickelt, neben langjährigen Distressed Debt Investoren wie Oaktree und Apollo legten auch viele Private Equity-Häuser wie KKR oder Blackstone eigene Debt Fonds auf und sind mit hohen Marktanteilen engagiert.40) Die Private Debt Anbieter benötigen keine Banklizenz,41) sodass sie auf regulatorischer Ebene nur wenigen...


Ernst, Patrick
Dr. Patrick Ernst studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und an der University of Virginia, USA (LL.M.). Während seines Promotionsstudiums arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Insolvenzrecht der Universität Bonn und in der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn. Seit Mai 2020 absolviert er sein Referendariat am Landgericht Bonn mit Stationen unter anderem bei den Kanzleien Noerr und Kirkland & Ellis.

Dr. Patrick Ernst, Bonn


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