E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Esper / DiMarco Kunst und Handwerk des Schauspielers
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-89581-554-6
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
William Esper lehrt die Meisner-Technik
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-89581-554-6
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Absolut inspirierend und eine brillante Beschreibung der Meisner-Technik.' Mary Steenburgen
Sanford Meisner (1905-1997) gehört zu den weltweit einflussreichsten Schauspiellehrern. William Esper erklärt die Grundlagen seiner legendären Methode, führt diese weiter und entwickelt ein aufeinander aufbauendes Übungssystem, um eine wahrhaftige und überzeugende Darstellung sowohl auf der Bühne als auch bei Film und Fernsehen zu erreichen.
Wie jede Kunst verlangt auch das Schauspiel, dass der Künstler seine Persönlichkeit einbringt, sich 'im Moment' öffnet und seinen Instinkten folgt. Dies schafft die Meisner-Technik wie keine andere Schauspielmethode.
'Ich habe mein Leben damit verbracht, mit Schauspielern zu arbeiten. Dazu braucht man nur einige wesentliche Werkzeuge: geduldig sein, konkret sein, prägnant sein, ermutigen, vorschlagen, loben, zuhören. Zum ersten Mal habe ich diese Werkzeuge durch Bill Esper kennengelernt.' David Mamet
William Esper hat 17 Jahre als Schauspieler und Schauspiellehrer mit Sanford Meisner zusammengearbeitet. 1965 gründete er das William Esper Studio in New York, das mehrfach zu den '25 Best Drama Schools' in den USA gewählt wurde.
Damon DiMarco studierte bei William Esper und arbeitet als Autor und Schauspieler.
William Esper (1932-2019) war Absolvent der Western Reserve University und der Neighborhood Playhouse School of the Theatre in New York City. An der Playhouse School wurde er von Sanford Meisner zum Schauspieler und Lehrer ausgebildet. Danach arbeitete Esper weitere fünfzehn Jahre als Lehrer und Regisseur eng mit Meisner zusammen und war von 1973 bis 1976 Direktor der Schauspielabteilung des Playhouse. 1965 gründete er das William Esper Studio und 1977 das 'Professional Actor Training Program' an der Mason Gross School of the Arts der Rutgers University, das er achtundzwanzig Jahre lang leitete. Diese beiden Schulen sind bekannt dafür, in der Regel nur die qualifiziertesten Schauspieler*innen auf die internationale Bühne und Leinwand zu bringen. William Esper wurde 2006 und 2007 in einer Leserumfrage des Backstage-Magazins zum besten Schauspiellehrer New Yorks gewählt. Auf die lange Liste der Schauspieler und Schauspielerinnen, mit denen Esper zusammengearbeitet hat, gehören u.?a. Kim Basinger, Kathy Bates, Jeff Goldblum, Patricia Heaton, William Hurt, John Malkovich, Paul Sorvino und Mary Steenburgen.
Damon DiMarco (*1971) erwarb seinen Master of Fine Arts an der Mason Gross School of the Arts der Rutgers University nach einem Studium bei William Esper. Er hat als Schauspieler für Bühne, Film und Fernsehen gearbeitet und unterrichtet Schauspiel und Regie an der Drew University. Er schreibt außerdem für Bühne und Leinwand.
Weitere Infos & Material
Vorbemerkung von André Bolouri
Vorwort von David Mamet
Prolog
Bills Klasse
1. Beginne neu: Leere deine Tasse
2. Die erste Übung: Hast du gehört, was er gesagt hat?
3. Die Wiederholung wird fortgeführt: Hast du wirklich gehört, was er tatsächlich gesagt hat?
4. Konzentration entwickeln
5. Wie man absolut alles rechtfertigt
6. Gürte dich nicht, um zu handeln; öffne dich, um zu empfangen
7. Ziele und Erwartungen: Überleg dir gut, was du willst
8. Handlungsprobleme: Erwecke den Kriminellen in dir
9. Szenenarbeit: Private Gespräche – Textannäherung und das Annehmen von Impulsen
10. Abschied von der Wiederholung: Tu so lange nichts, bis etwas passiert, das dich zum Handeln zwingt
11. Tagträume, Fantasien und dein Innenleben: Die emotionale Vorbereitung
12. Beziehungen: Ich weiß, dass er dein Bruder ist, aber wer ist er wirklich?
13. Die häusliche Übung: Wie sieht's zu Hause aus?
14. Die zweite Runde der Szenenarbeit: Vertiefe dich in den Text
15. Abschließende Fragen: Geschafft! Wie geht es jetzt weiter? Dank Glossar
Prolog
Wenn einer wirklich Meister einer Kunst sein möchte, reicht technische Kenntnis nicht aus. Man muss die Techniken transzendieren, damit die Kunst eine »kunstlose Kunst« wird, die dem Unbewussten entspringt. ZEN-MEISTER D. T. SUZUKI In meinem letzten Jahr am College nahm mich ein Theaterlehrer zur Seite und sagte: »Ich weiß, dass du Schauspieler werden willst und du hast viel Talent. Aber Talent ist wie Wasser. Ohne ein Gefäß ist es nutzlos.« »Was ist das richtige Gefäß für Talent?«, fragte ich. Mein Lehrer antwortete: »Technik.« »Gut«, sagte ich, »dann lerne ich Technik. Wohin muss ich dafür gehen?« »Wenn du dir schon die Mühe machst, lernst du besser bei den Besten und studierst bei einem Meisterlehrer.« »Sagen Sie mir, wo es solche Meisterlehrer gibt, und ich lerne bei ihnen«, sagte ich. Und so kam es, dass ich mir Tage später das Auto eines Freundes borgte und zur Rutgers University in New Brunswick, New Jersey, fuhr, zu der die Mason Gross School of the Arts gehörte, um William (Bill) Esper zu treffen. Er war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Vermutlich hatte ich mir einen Meisterlehrer für Schauspiel als flotte Erscheinung mit Baskenmütze und Mephisto-Ziegenbärtchen vorgestellt. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, einen freundlichen, ruhigen Mann mit graumeliertem Haar zu sehen, der mich in sein enges Büro der Mason Gross School winkte. Das war der berühmte William Esper? Unmöglich. Dieser Mann war ein ganz normaler Mensch, mit einem sauber gestutzten Kinnbart und durchdringenden Augen hinter einer Brille. Wir haben uns ungefähr fünfundvierzig Minuten unterhalten, und ich bin mir sicher, dass ich mich viel zu sehr darum bemüht habe, einen guten Eindruck zu hinterlassen, denn ehrlicherweise kann ich mich an kein einziges Wort von Bill Esper erinnern. Außer an eine Sache: Gegen Ende unseres Gesprächs fragte mich Bill: »Warum willst du gerade hierher kommen? Warum willst du bei mir studieren?« Ich sagte: »Ich habe die Meisner-Technik ein wenig am College studiert und sie hat mir sehr geholfen. Jetzt will ich sie von Grund auf lernen.« Bill antwortete nicht. Er saß einfach nur da und sah mich an. Schließlich sagte er sehr leise: »Wenn du hierherkommst, wirst du nicht die Meisner-Technik lernen. Du wirst meine Technik lernen. Die William-Esper-Technik. Und, so Gott will, verlässt du den Unterricht, wenn du hier fertig bist, mit deiner eigenen Technik. Verstehst du das?« Das habe ich nicht. Nicht wirklich. Aber ich war jung. Ich log. Ich nickte und sagte: »Ja.« *** Jetzt, mehr als zehn Jahre später, bat mich Bill, ihn zu besuchen. Die Tür zu seinem Studio öffnet sich und ich durchschreite einen kleinen Vorraum mit rot gestrichenen Wänden, der direkt in sein Büro übergeht. Es ist ein enges, vollgestopftes, kleines Zimmer, und das Erste, was mir auffällt, ist der Metallschirmständer hinter der Tür. Mit drei Regenschirmen, einem lädierten Varieté-Spazierstock, einem Louisville-Baseballhandschuh und einem Florett. Das ist sicherlich das Zimmer eines Schauspielers. Ich blicke auf. Bücherregale bedecken die Wand hinter Bills Schreibtisch vom Boden bis zur Decke. Die Holzbretter biegen sich unter dem Gewicht seiner Bibliothek. Die Regale sind an unmöglichen Stellen mit Spiralheften vollgestopft. Aktenordner ragen hervor wie ausgestreckte Zungen, jeder zum Platzen voll mit scheinbar lebenslang hingekritzelten Überlegungen. Krimskrams aus aller Welt findet sich ebenfalls in den Regalen. Manches davon hat früher wohl als Requisite in einem Stück gedient: ein mit Glassteinen besetztes Lederarmband, ein Haarschmuck aus Federn, eine weiße Flötenvase mit einer einzigen Seidenrose, die wie ein leuchtend roter Komet daraus hervorbricht. Ein winziger Blechkasten steht neben einer abgegriffenen, blau gebundenen Ausgabe von Webster’s Unabridged English Dictionary. Hier und da stehen geschnitzte Holzpferde – sie scheinen als kleine Wächter dieser vielseitigen Bibliothek zu dienen. Mein Lehrer sitzt hinter seinem überfüllten Schreibtisch und liest die Tageszeitung. Er schaut auf. »Ich hoffe, das ist ein guter Ort für uns, um zu arbeiten«, sagt er. Keine weiteren einleitenden Worte, obwohl wir uns seit Jahren nicht gesehen haben. »Es ist in Ordnung für mich«, sage ich. Dieses Büro ist offensichtlich eine Zufluchtsstätte für die Fantasie und damit ein geeigneter Ort, um mit der anstehenden Aufgabe zu beginnen. »Ist das für dich in Ordnung?« Bill grinst. »Ich bin mir nicht sicher. Ich habe noch nie ein Buch geschrieben.« »Es ist einfach«, sage ich, »wenn man weiß, wo man anfangen will. Erst einmal sollten wir dich vorstellen.« Ich nehme ein Aufnahmegerät aus meiner Tasche, schalte es ein und stelle es auf Espers Schreibtisch. »Doch zunächst, warum willst du dieses Buch schreiben? Was möchtest du sagen?« Bill denkt lange nach. Dann sagt er: »Ich habe das Glück gehabt, die letzten vierzig Jahre meines Lebens der Fortsetzung von Sanford Meisners Vermächtnis zu widmen. In dieser Zeit war es ein großes Vergnügen – und faszinierend – für mich, seine Technik zu verfeinern und in einigen Fällen zu erweitern. Ich wurde bei Sandy siebzehn Jahre lang ausgebildet, als er auf der Höhe seiner Karriere war. Dann habe ich fast dreißig weitere Jahre daran gearbeitet, mit seiner Technik zu experimentieren, mehr aus ihr herauszuholen und sie in Bereichen anzuwenden, in denen es Sandy nicht möglich war, zum Beispiel bei den klassischen Werken, Stücken mit gehobener Sprache. Sandy hat Stil und Theatralik geliebt, aber er hatte nie die Zeit, sich diesem Gebiet als Lehrer intensiver zu widmen.« »Lass mich für einen Moment den Advocatus Diaboli spielen«, sage ich. »Es gibt da draußen jede Menge Schauspiellehrer1. Was ist so besonders an dem, was du zu sagen hast?« Bill nickt. »Die meisten Leute, die heutzutage von sich behaupten, Schauspiellehrer zu sein, nennen sich so, weil sie Schauspielern, die dringend echte Anleitung brauchen, ein paar Hinweise und Anekdoten anbieten. Das betrachte ich nicht als Unterricht. So wie ich es sehe, haben nur sehr wenige das getan, was Lee Strasberg und Meisner getan haben; sehr wenige Lehrer haben einen konkreten, schrittweisen Ansatz entwickelt, um einen wirklich kreativen Schauspieler auszubilden – ein System, das den Künstler als Rohstoff verwendet und die Fähigkeiten aufbaut, die er braucht, um sich in seiner Kunst hervorzutun. Handwerk – Technik, wenn man so will – ist von entscheidender Bedeutung für die Kunst, aber so viele Leute verstehen das nicht. Das größte Missverständnis, das ich über Schauspieltechnik höre, ist, dass sie das Talent des Künstlers blockiert. Lächerlich! Letztlich schränkt Technik die Instinkte des Künstlers nicht ein, sondern befreit sie.« »Was hat das mit der Meisner-Technik zu tun?« »Schauspielen zu lernen ist wie ein Haus zu bauen. Zuerst muss man ein Grundstück suchen, auf dem man bauen will, und auf dem Gelände Unebenheiten einebnen. Dann muss man ein gutes Fundament bauen und es wind- und wetterfest machen. Das sind die allerersten Schritte; vielleicht sind es auch die wichtigsten. Wird das Fundament des Hauses nicht richtig gelegt, bricht das ganze Gebäude beim ersten kräftigen Wind unter dem eigenen Gewicht zusammen. Bei der Meisner-Technik halten wir an dieser Analogie fest, indem wir eine Reihe von Übungen durchführen, die das Fundament schaffen, einen stabilen Boden, auf dem wir unser Handwerk aufbauen.« »In der Regel arbeitest du mit Schauspielern über einen Zeitraum von zwei Jahren. Wie legst du das Fundament für dieses Training?«, frage ich. »Mit Hilfe der Meisner-Technik«, sagt Bill, »verbringen meine Schüler das ganze erste Jahr ihrer Ausbildung damit, sich zu wahrheitsgetreuen ›Schauspielinstrumenten‹ zu entwickeln. Wenn man will, könnte man sagen, dass das erste Jahr dazu dient, den Schauspieler in den Grundfertigkeiten zu schulen, die für professionelles Schauspielen notwendig sind.« »Lass mich noch einmal Advocatus Diaboli spielen. Viele Schulen betrachten Stimme, Sprechen und Bewegung als die Grundfertigkeiten zum Schauspielen. Was glaubst du?« Bill winkt ab. »Stimme, Sprechen und Bewegung sind äußere Fähigkeiten. Sehr wichtig zum Schauspielen, ja. Aber nicht so wichtig, dass man dafür das Innenleben des Schauspielers vernachlässigt – seinen emotionalen Kern. Ein Schauspieler ohne emotionalen Kern ist eine Pappfigur und kein menschliches Wesen. Heutzutage lautet der häufigste Ratschlag für einen jungen Schauspieler: ›Sei du selbst.‹...