Euteneuer / Kerschgens | Neubeginn nach Trennungen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 185 Seiten

Euteneuer / Kerschgens Neubeginn nach Trennungen

Gestaltungs- und Entwicklungswege für Familien

E-Book, Deutsch, 185 Seiten

ISBN: 978-3-17-039276-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Trennung der Eltern ist für alle Familienmitglieder ein einschneidendes Lebensereignis. Wie geht es danach weiter? Wie kann die Bewältigung der Trennung für alle gelingen? Was brauchen Eltern und Kinder für die Entwicklung neuer Lebensformen als Familie? Dieses Buch informiert Eltern über typische Prozesse einer Trennung sowie über Möglichkeiten und Modelle gemeinsamer Elternschaft und zeigt, wie der Übergang zu einer neuen Form des Familienlebens gelingen kann. Dabei werden die Kinder und ihre Bedürfnisse in den Blick genommen, Möglichkeiten der Beratung und Begleitung vorgestellt und rechtliche Aspekte erläutert. (Sozial-)Pädagogische Fachkräfte finden in diesem Buch grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema, die mit Fallbeispielen veranschaulicht werden.
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1 Familienleben heute – Trennungen im Kontext einer neuen Vielfalt
Was Familie ist, wer zur Familie gehört und wie Familienangehörige zusammen leben ist sehr unterschiedlich. Trotzdem gibt es für eine bestimmte Kultur und eine bestimmte Zeit typische Muster des Zusammenlebens. Über die Kulturen und Zeiten hinweg ergibt sich jedoch wieder eine erstaunliche Vielfalt, wie Familie gelebt werden kann. Auch in heutigen westlichen Industriegesellschaften verändern sich die Lebensweisen von Familien laufend – ehemals typische Muster werden fraglich und schrittweise durch neue ersetzt. Die Familienforschung zeigt dabei vor allem, dass Familie in den letzten Jahrzehnten vielfältiger geworden ist: Erwachsene und Kinder leben heutzutage in unterschiedlichen Kombinationen und Rollenmustern als Familie miteinander. Die gesellschaftlich anerkannten Gestaltungsspielräume für Familien sind größer als z.?B. in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre, in denen das Ideal einer Kleinfamilie mit einem erwerbstätigen Vater, einer Mutter als Hausfrau und zwei Kindern besonders stark war. Ob und inwieweit dies nun die Familie in eine Krise führt, oder als Wiederkehr einer historisch ganz normalen Vielfalt von Familie zu bewerten ist, ist nicht nur unter Sozialwissenschaftler*innen umstritten (Peuckert 2019, 2). Auch in öffentlichen Debatten wird diese Entwicklung mal als Befreiung aus Zwängen begrüßt, mal wird etwas skeptischer auf die damit verbundenen Anstrengungen und Belastungen für alle Familienmitglieder verwiesen und gelegentlich wird die Entwicklung immer noch als bedrohlich für den Bestand der konservativ-traditionell gedachten Institutionen der Ehe und der Familie angesehen. 1.1 Offenere Familienvorstellungen – ambivalente Praxis
Unabhängig von der Bewertung kann man jedoch in vielerlei Hinsicht eine Öffnung der Vorstellungen von Familie feststellen. Nicht nur Wissenschaftler*innen thematisieren dies, sondern auch alltäglich und medial wird das Familienleben in seiner Vielfalt sichtbar: Hier sind Alleinerziehende, getrennt lebende und zusammen erziehende Eltern, Pflege-?, Patchwork-?, Stief- oder Fortsetzungsfamilien präsent, ebenso wie Familien mit queeren Eltern, Paare mit neuen Geschlechterrollen, aber auch Familiengründungen durch künstliche Befruchtung, Samen- oder Eizellenspende sind präsenter. In der wissenschaftlichen Debatte ist zugleich aber auch umstritten, in welchem Ausmaß und im Hinblick auf welche Aspekte von einer Pluralisierung von Familie gesprochen werden kann. Dies liegt u.?a. an drei Aspekten: Erstens bestehen in der alltäglichen Praxis von Familien traditionelle Elemente häufig gleichzeitig mit neuen Formen – man denke z.?B. an eine Patchworkfamilie mit traditioneller Arbeitsteilung. Zweitens ist nicht nur die Praxis, sondern es sind auch Familienvorstellungen vielfältiger geworden, aber die verschiedenen Formen, Familie zu leben, werden implizit immer noch mit der »Normalfamilie« aus den 1950er Jahren verglichen. So wird alltäglich wie wissenschaftlich z.?B. häufig danach gefragt, ob Kinder in den neueren Familienformen genauso gut aufwachsen können wie in einer »normalen« Familie. Drittens spielen bei Familien immer emotionale Bedürfnisse und Beziehungen eine Rolle, zwischen den Erwachsenen, aber auch zwischen Eltern und Kindern. Familie wird daher nicht (nur) bewusst entworfen und gestaltet, sondern auch unbewusst und ist daher sowohl ambivalent als auch veränderlich. Zudem müssen bewusste Vorstellungen, emotionale Bedürfnisse und die alltägliche Praxis in einer Familie keineswegs übereinstimmen – sei es, weil die Möglichkeiten die gewünschte Praxis umzusetzen fehlen, sei es, weil sich bestimmte Praxen ganz unbemerkt durchgesetzt haben, weil sie unveränderlich erscheinen oder auch weil sich Gefühle verändert haben. Das Familienleben stellt immer eine Kompromissbildung dar: Schließlich müssen zwei Erwachsene gemeinsam ein Zusammenleben mit Kindern unter bestimmten Rahmenbedingungen praktisch umsetzen und dabei Beziehungen gestalten. Als ähnlich kompromisshaft muss man daher auch Familien mit getrennten Eltern verstehen. Auch hier gibt es nicht nur die Lösungen auf der Ebene von Vorstellungen, wie Familie gelebt werden könnte, sondern in die tatsächliche Alltagspraxis fließen (oft unreflektiert) emotionale Wünsche ein. Auch bei getrennten Eltern ist die Alltagspraxis von dem, was möglich und umsetzbar scheint, begrenzt. Die Tatsache der Trennung des Paares erschwert dabei oftmals die Suche nach Lösungen. Sie schränkt die Einigungsfähigkeit und die Fähigkeit gemeinsam zu handeln ausgerechnet zu einem Zeitpunkt ein, an dem komplexe Entscheidungen mit Blick auf das Familienleben gemeinsam angegangen werden müssten. Dies zeigt auch das folgende Fallbeispiel (Euteneuer/Uhlendorff 2020, 290): Fallbeispiel Frau Ehlers – Wünsche und Vorstellungen, unerwartete Dynamiken und das Machbare ? Frau Ehlers ist als Kind in einer aus ihrer Sicht »völlig durchschnittlichen« Familie der 1960er und 1970er Jahre aufgewachsen. Ihre Mutter war die Hauptsorgetragende für sie und ihren Bruder, ihr Vater eine wichtige Bezugsperson im Familienalltag, die aber vornehmlich im Rahmen von Freizeit- und Wochenendaktivitäten präsent war. Als sich ihr Partner, mit dem Sie bereits eine gemeinsame Tochter hat, kurz vor der Geburt eines gemeinsamen Sohnes von ihr trennt, ist für sie selbstverständlich, dass er ins Familienleben eingebunden bleiben soll, »so wie die Meisten das haben, die alleinerziehend sind, die dann irgendwie ne 14-Tage-Regelung haben oder so«. Allerdings gelingt ihr diese erwünschte Einbindung des Vaters trotz Inanspruchnahme eines Mediationsangebotes nicht. Nachdem eine Weile unzuverlässiger Kontakt besteht, »wie zu einem Onkel, der ab und an mal vorbeischaut und dann wieder verschwindet«, bricht der Kontakt ganz ab. Dies missfällt Frau Ehlers: »Ich find's schon scheiße so. Ich glaube, die Kinder bräuchten einen Vater, auch wenn er nur ab und zu da ist. Einfach um zu wissen, was dieses Vaterding ist.« Ihr Familiennetzwerk reduziert sich im Kern zwangsläufig auf sie und ihre Kinder, allerdings baut sie sich um diesen Familienkern ein Unterstützerinnennetzwerk aus Freundinnen und ihrer Mutter auf, mit dessen Hilfe sie den manchmal anstrengenden Alltag recht souverän meistert. Allerdings bleibt sie nicht nur finanziell auf sich allein gestellt. Auch männliche Bezugspersonen, die sie sich besonders für ihren Sohn wünscht, bleiben »Mangelware«. So versucht sie zwar über eine Familienbildungsstätte einen »Leihgroßvater« zu finden, erfährt aber nach längerer Wartezeit, dass überwiegend Frauen Interesse an der Vermittlung eines solchen Kontaktes haben und viele offener für einen Kontakt zu »vollständigen« Familien sind als zu Alleinerziehenden. 1.2 Trennungen als Bruch mit dem selbstverständlichen Familienmodell
Trennungen werden von den Beteiligten meist nicht nur als markanter Bruch mit dem bisher gelebten familialen Alltag, sondern auch als überwiegend ungewollter Bruch mit dem Selbstverständlichen, den Vorstellungen von Normalität erlebt. So sind z.?B. bewusst geplante Mutterschaften ohne eine Beziehung zum Vater des Kindes selten (Peuckert 2019, 327). Die meisten Mütter und Väter sind ungeplant alleinerziehend bzw. in einer Trennungssituation – wie Frau Ehlers, die kurz vor der Geburt ihres Sohnes nicht mit einer Trennung gerechnet hatte. Sie denken aber zugleich offener wie auch grundsätzlicher über die Frage nach, was ihre Familie eigentlich ausmachen sollte und könnte, nachdem der gesellschaftlich »normale« und oft auch persönlich erhoffte Entwurf einer Kleinfamilie nicht oder zunächst nicht mehr verwirklichbar ist. Nicht selten bieten dabei biographische Erfahrungen Orientierung, sei es als (unbewusstes) Vorbild oder als Negativbeispiel – Frau Ehlers stellt sich zunächst vor, ihren ehemaligen Partner als »Wochenendpapa« zu integrieren, wie sie selbst einen hatte. Getrennte Eltern erleben, dass sie für sich eine neue Familienform finden und erfinden müssen – und das unter Mitwirkung aller Familienmitglieder. Genau an letzterem scheitert die Umsetzung der ersten Ideen von Frau Ehlers trotz Mediation. Alle Familienmitglieder erleben nach Trennungen eine Andersartigkeit, die ihnen auch gesellschaftlich gespiegelt wird – z.?B. im Rahmen von Diskriminierung bei der Wohnungssuche und auf dem Arbeitsmarkt (Beigang et al. 2017), oder bei Frau Ehlers im Rahmen der Suche eines »Leihgroßvaters«. Insofern setzen sich Eltern nach Trennungen oft intensiv mit gesellschaftlichen Normalitätsmustern auseinander, die in Familien vor einer Trennung fraglos gegeben sind oder scheinen – wie viel »männliches Vorbild« braucht Frau Ehlers Sohn, und wo kann er dieses finden (Euteneuer/Uhlendorff 2020, 269)? Wenn eine Trennung einen Bruch mit vorher selbstverständlichen Familienmodellen bedeutet, dann stellt sich zunächst die Frage,...


Prof. Dr. Matthias Euteneuer und Prof. Dr. Anke Kerschgens forschen zu den Themen Familie, Paarbeziehungen, kindliche Entwicklung und Erziehung. Beide lehren an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf im Bachelor Soziale Arbeit.


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