E-Book, Deutsch, 118 Seiten
Faber Lateinischer Faschismus
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86393-571-9
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Über Carl Schmitt den Römer und Katholiken
E-Book, Deutsch, 118 Seiten
ISBN: 978-3-86393-571-9
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Studien des Berliner Philosophen und Soziologen Richard Faber zur Schmitt-Forschung stellen einen Extrakt seiner langjährigen Auseinandersetzung mit dem Staats- und Völkerrechtler Carl Schmitt dar. Er zeichnete sein imperiales und cäsarisches Selbstverständnis nach und dessen katholische Herkunft und römische Referenz. Dass auch der Nationalsozialismus römische bzw. lateinische Elemente enthielt und nicht nur in seiner Schmittschen Rezeption ist eine der besonderen Pointen der Faberschen Interpretation.
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II. Carl Schmitt, der Katholik*
In memoriam Alfred von Martin, 1882-1979 Ich wiederhole, daß Schmitt, wenn Katholik, ein »Lefèbvrist avant la lettre« war. Doch ich füge hinzu, daß man sich bei der Exkommunikation der (klerikofaschistischen) Lefèbvristen nicht beruhigen darf. Erst recht wäre es unangebracht, den – im Unterschied zu Lefèbvristen sans phrase — überhaupt nicht marginal(isiert)en Carl Schmitt als »Sektierer« oder »Extremisten« abzutun. Zum einen hat er, wie nur noch Stefan George und Martin Heidegger – doch mehr als diese katholisch geblieben –, Einfluß auf die Weltkultur gewonnen, zum anderen – und darauf kommt es hier an – ist dieser mit allen Wassern gewaschene, auf seine Weise scharfsinnige Intellektuelle als »Pfahl im Fleisch« (nicht nur) des (deutschen) Katholizismus anzusehen. Bernd Wacker hat die spezifisch katholische Verdrängung Schmitts in der Nachkriegszeit erklärt, wie folgt: »Eine Kirche bzw. ein Katholizismus, der sich und seine Tradition als bestimmenden Werthintergrund in den Aufbau des neuen Staates einzubringen gedachte und dessen Soziallehre dann in den 50er Jahren in manchen Teilen gewissermaßen zur offiziösen Staatsphilosophie der Bundesrepublik werden sollte, konnte zu Schmitt nur Distanz halten bzw. auf seine Bekehrung hoffen, d. h. auf seine Rückkehr zu einer Rechtswissenschaft, die sich nicht scheut, ‘von Gott und von gottgegebenem Naturrecht zu sprechen’. Die letzte Chance des Gelehrten sei, so dürfte nicht nur Erik Peterson geurteilt haben, ‘die einer geistlichen Existenz in Buße und Sühne’. – Wieviel individuelle und kollektive Unbußfertigkeit bei solchen ablehnenden Urteilen jeweils mit im Spiel war und wie sehr … katholische Kritiker selbst des ‘Sündenbocks’ bedürftig waren, ist hier nicht zu erörtern«1 – auch von mir nicht. Man kann jedoch die These vertreten – wohl auch im Sinne Wackers: Schmitts sogenannter Extremismus hat in vielfacher Hinsicht (zumindest) den (vorkonziliaren) Katholizismus zur Kenntlichkeit entstellt.2 Auf alle Fälle sind neben den römischen, freilich erst nach ihnen, die katholischen Traditionsbestände Schmitts überhaupt nicht zu übersehen; sie sind bedeutend, ja, neben und vor anderen konstitutiv. Ich möchte im folgenden einige präsentieren und zwar in weltgeschichtlicher, nicht werkgeschichtlicher Reihenfolge.3 1. Konstantinismus im Zeichen eines Christus Pantokrators »Die Einreihung in das Gefolge eines Eusebius ist für mich eine unverdiente Ehrung.«4 So hat Schmitt in seiner gegen Erik Peterson gerichteten »Politischen Theologie II« noch 1970 zu Protokoll gegeben. Peterson war bekanntlich »ein Gegner der ‘politischen Theologie’, obwohl er in peniblen Abhandlungen die Übertragung politischer Topoi in den Raum der Kirche nachgewiesen hatte. Aus Übertragungen dieser Art leitete Peterson (aber) … keine Politisierung der Kirche oder Verkirchlichung der Politik ab. Indem die christliche Kirche die Terminologie des Imperiums auf das Reich Gottes appliziert, behauptet sie nach Peterson, daß ‘das Reich’ nicht von dieser Welt sei: bei Peterson wird die ‘politische Theologie’ zur Politologie des Himmelreiches.«5 Was er dabei übersah, ist völlig ekklesiologisch, daß die ecclesia triumphans ihre militante Dependance auf Erden hat und diese deshalb – wie Petersons damaliger Freund Schmitt zeigte – auch im politologischen Sinn eine »politische Form« besitzt, d. h. in Auseinandersetzung mit andern – vor allem politologisch wesensverwandten – Kräften steht. Im Dritten Reich, so pointiert Ernst Niekisch, bekam die »römischchristlich-katholische Kirche … ihre nicht weniger römisch-völkisch-katholische Konkurrenz«; gerade der »Lateiner Schmitt konnte sich auch darin zu Hause fühlen und die Exkommunikation« – wegen unpolitischprivater Gründe – »verschmerzen«6. Wer freilich nicht exkommuniziert sein wollte, sondern nach wie vor exkommuniziere«, der mußte – eine Begabung für kirchliche Interessenpolitik vorausgesetzt – nicht wissen, was heute aktenkundig ist, daß Hitler die karolingische und josefinische Kirchengesetzgebung studieren ließ, um Modelle für seine Herrschaft über seine Kirche nach dem Kriege bei der Hand zu haben7; auch ohne dieses Wissen mußte einem kirchenpolitischen Integralisten offenkundig sein, daß die nazistische Konkurrenz eine tendenziell totalitäre, d. h. zumindest cäsaropapistische war: Konsequenterweise konnte dann sein Bündnis mit den Nazis und anderen neopaganen oder auch nur nationalkirchlichen Faschisten allein taktischer Natur sein. Schmitt’s Bündnis mit den Nazis war meineserachtens strategischer, wenn nicht heilsgeschichtlicher, sprich »katechontischer« Art, aber damit greife ich ein weiteres mal vor. Nicht getan habe ich es mit dem Stichwort »Cäsaropapismus«; denn Konstantinismus ist ganz wesentlich Cäsaropapismus (avant la lettre). Und dessen Ingebilde ist – wie das der ihm komplementären Hierokratie – jener Christus Imperator, Rex et Victor, den Schmitt beschwört (wie das bereits die römische Kaiser-Krönungs-Liturgie des Mittelalters getan hat). Zunächst zitiere ich aber Reinhold Schneiders Charakteristik des Christus-»Führers« von 1931; der damals noch nicht revertierte Autor leistet sie in Ansehung des byzantinischen Christus Pantokrators von Cefalu: »Herrscher und Richter, nicht mehr mit dem Ernst des Leidens, sondem mit dem Ernst der Gewalt. Er ist Schöpfer und Erlöser zugleich, Vater und Sohn; Erlöser vielleicht nur, weil er schuf. In seiner Geste, in seinem Blick ist eine gnadenlose Forderung, der die Liebe nicht genügt, vielleicht sogar gleichgültig ist. Er kam, um zu zwingen, Gefolgschaft zu gebieten. Indem er die Schrift aufblättert und weist, den Mantel nur leicht entfaltet: allein indem er sich offenbart, bringt er die Entscheidung herauf, der niemand entrinnen kann.«8 Schneider schaut den Christus, der für Carl Schmitt auch von der römisch-katholischen Kirche repräsentiert wird, ihrem Papsttum zumal: den »regierenden-, herrschenden-, siegenden Christus«9. Es ist jener Christus-Vater, der für Schmitt allein nicht dem Vater-Gott entgegentritt und somit – innergöttlich – mit der Revolution beginnt.10 Es ist der Gott des Papstes Gregor des Großen, den Schmitt denn auch beifällig zitiert: »Gott ist höchste Macht und höchstes Sein. Alle Macht ist von ihm und ist und bleibt in ihrem Wesen göttlich und gut. Sollte der Teufel Macht haben, so ist auch diese Macht, insofern sie eben Macht ist, göttlich und gut. Nur der Wille des Teufels ist böse. Aber auch trotz dieses immer bösen, teuflischen Willens bleibt die Macht an sich göttlich und gut.«11 Der Christus-Pantokrator von Cefalu – zum Beispiel – ist und bleibt vor allem aber jener »byzantinische« vorm abendländischen »Sündenfall« einer »Spaltung der Welt … in den geschichtlichen Dualismus von Heilig und Profan, Papst und Kaiser, Kirche und Reich, Priester und Adel«; diese Spaltung trägt bereits »den Keim zur späteren Entheiligung von Staat und Politik in sich«12 und begründet damit den generellen Autoritätsschwund. Ihm radikal begegnend, d. h. um eine integrale Resakralisierung (von Seiten der Papstkirche) bemüht, beschwört Ludwig Derleth in seinem »Christus Imperator Maximus« (von 1905 bzw. 1919) eben den »Christus von Cefalu«. Seine Soldaten erklären: »Wir unterwerfen uns bedingungslos dem Führer mit dem Feldherrnstab, der mit unauslöschlichem Feuer die Grundfesten des notdürftigen Zwischenreiches endgültig vernichtet, weil er dem Erben des Fischerringes vorausgeht, der auf diesem Felsen seine Kirche baut und erwartet wird als der König und Weltheiland und Retter der Zeit.«13 Christus ist »Führer«, »Feldherr«, »Papst«, »König und Weltheiland«: Alle vergangenen, gegenwärtig und zukünftig relevanten Mon-archen-Titulaturen werden zusammengetragen und auf den einen gehäuft, der – gerade als »complexio oppositorum« – jenen »Führer« antizipiert, nach dem der »Ruf … das nationalgesinnte Volk durchzittert«, wie Eugen Rosenstock-Huessy in seinem (und Joseph Wittigs) »Alter der Kirche« 1928 schreibt. (S. 5) Schmitt ist der letzte, der die cäsaristische Stimmung nicht bemerkt hätte; er hat sie ‘rationalisierend’ gefördert und seine Propheizung der »neuen Ordnung« im »Neuen Reich« des »Augustus« Hitler erfüllt gesehen, jenes – im de Maistre-Schmittschen Sinn – politischen »Papstes«, als – im Max Weberschen Sinn – »charismatischen Führers«. 2. Hierokratie oder...