E-Book, Deutsch, 228 Seiten
Faust / Plechaty Kleinschmiied und die heile Welt
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7407-9620-4
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 228 Seiten
ISBN: 978-3-7407-9620-4
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chefinspektor Kleinschmied wird vor dem Eingang seines Stamm-Wirtshauses von einem Sportwagen niedergestoßen. Sollte er daran gehindert werden, eine Serie von Frauenmorden aufzuklären? Einige Kundinnen einer Fußpflegerin wurden mit dem Rasiermesser ihrer Gefährten ermordet. Der marode Chefinspektor humpelt, nach kurzem Spitalsaufenthalt, zum Dienst und hat bald einen Verdacht, wer die Morde begangen haben könnte.
Der Autor arbeitete als Entwicklungsingenieur und EDV-Leiter. Geschichten zu schreiben war immer sein Hobby. Nach der Pensionierung begann er seine Geschichten (Satiren und Kriminalromane) unter dem Pseudonym Peter Faust zu veröffentlichen und neue zu schreiben.
Autoren/Hrsg.
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1
Chefinspektor Othmar Kleinschmied, der Leiter der Mordkommission 1 im Landeskriminalamt Wien, war gut gelaunt, er hatte wieder einmal Zeit, seinen Stammtisch zu besuchen, und mit seinen Freunden bei einem guten Glas Wein und einer geschnorrten Zigarre Karten zu spielen. Der Zigarrenlieferant war der Apotheker Magister Karl Kotter. Der Dritte im Bunde war der Allgemeinmediziner Doktor Ferdinand Zahnbrecher. „Es geht nichts über eine heile Welt“, sagte Doktor Zahnbrecher, der mit seinem Arbeitstag sichtlich zufrieden war. Kotter brummte nur Unverständliches. „Was hast du, Karl?“, fragte Kleinschmied. Kotter verzog sein Gesicht und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sonst schilderst du die Wonnen, die du mit deiner neuesten Flamme erlebst. Heute bist du seltsam still“, sagte Doktor Zahnbrecher. „Die Flamme ist erloschen.“ „Jetzt schon?“, riefen Zahnbrecher und Kleinschmied unisono. „Ja.“ „Die Flamme wurde doch erst kürzlich mit mehr Pomp als das olympische Feuer entzündet“, wunderte sich Kleinschmied. „Was hat sie verbrochen, dass du ihr so schnell den Laufpass gibst?“, fragte Zahnbrecher. Kotter schaute nur unglücklich, antwortete aber nicht. „Das muss ein Kapitalverbrechen gewesen sein“, bemerkte Kleinschmied. Kotter fühlte sich gefoppt, schwieg aber weiter. „Wollte sie etwa Geld von dir?“, war Zahnbrecher neugierig provokant. Kotter wurde grantig, schwieg aber weiter. „Hast du deine Augen vielleicht auf eine andere gerichtet?“, wollte Kleinschmiedwissen. „Ihr seid mir die richtigen Freunde“, platzte Kotter endlich heraus. „Dass mir das Mädchen den Laufpass gegeben hat, könnt ihr nicht glauben?“ „Nein“, sagte Zahnbrecher gedehnt, und Kleinschmied ergänzte schadenfroh und scheinheilig: „Niemals.“ „Und doch ist es so. Sie hat mich nur ausgenützt.“ „Erzähle!“, forderte Kleinschmied. „Erleichtere dein Gewissen“, sagte Zahnbrecher übertrieben mitfühlen, um wenig später spöttisch nachzufragen: „Was hast du angestellt?“ „Ich?“ „Ja, du.“ „Sie hat mich reingelegt. Ein Bruder, so erklärte sie mir, studiere Pharmazie. Er habe durch einen unglücklichen Umstand versäumt, eine vorgeschriebene Ferialpraxis zu machen. Ob ich ihn nicht helfen könnte, wurde ich lieb gefragt.“ „Und du hast ihm die Praxis bestätigt?“, fragte Kleinschmied drohend. „Jein“, wimmerte Kotter. „Ich bestand auf einer Woche, in der ich ihm ordentliche Unterweisungen gab. Die drei weiteren Wochen, die er hätte machen müssen, habe ich ihm dann wirklich als absolviert bestätigt.“ „Und der Bruder war der Freund des Mädchens, und du wurdest nach erfolgter Hilfe in die Wüste geschickt“, ergänzte Kleinschmied das Geständnis. „So war es“, bestätigte Kotter. „Das Übelste war aber, dass meine Ex-Frau alles mitbekommen hat, sie ist ja noch immer Partnerin in der Apotheke.“ „Schau endlich, dass deine Welt heil wird. Du ruinierst nur deine Nerven. In deinem Alter musst du schon etwas vorsichtiger sein“, forderte Zahnbrecher. „Du kannst leicht von einer heilen Welt reden“, sagte Magister Kotter zu Doktor Zahnbrecher, „du bist Arzt, das Heilen ist dein Beruf.“ „Was wollt Ihr?“, fragte Kleinschmied, „Meine Welt ist auch heil.“ „Deine Welt?“, staunten die Freunde. „Du kommst doch beruflich nur mit Mord und Totschlag zusammen. Deine Zeugen leiden an Amnesie und deine Verdächtigen sind Weltmeisterim Lügen“, protestierte Kotter. „Meine Welt ist heil, ich gewinne heute im Spiel“, antwortete Kleinschmied. „Das machst du doch immer“, protestierten die Freunde. „Heile Welt“, antwortete Kleinschmied vergnügt lächelnd. Da platzte dem armen Apotheker endlich der Kragen und er fragte zornig: „Was versteht ihr den unter einer heilen Welt?“ „Eine Reihe von normalen Tagen gaukelt jeden seine heile Welt vor“, meinte Kleinschmied. „Die Welt ist nicht heil, kann gar nicht heil sein. Ob ein Tag als normal empfunden wird oder nicht, hängt von den zyklischen Hormonphasen der einzelnen Menschen ab“, sagte Doktor Zahnbrecher. „Wie geht das?“, wollte Kotter wissen. „Zwei Schlechtgelaunte vermiesen einander den Tag, zwei Gutgelaunte machen euphorisch, können aber zur Unachtsamkeit Anlass geben. Ein Schlechtgelaunter und ein Gutgelaunter können die Stimmung neutralisieren oder in eines der Extreme kippen lassen“, erklärte der Doktor. „Hochgerechnet auf die Gesellschaft gibt es also nur heile Inseln, aber keine heile Welt“, schlussfolgerte Kleinschmied. „So ist es“, bekräftigte Zahnbrecher. „Dann spiel ich ein Solo“, sagte Kleinschmied und lachte. „Ich befinde mich nämlich gerade auf einer heilen Insel.“ „Kontra“, rief der Apotheker. Kleinschmied verlor tatsächlich, er war etwas unachtsam gewesen und hatte sich in der Verteilung der Tarocks verschätzt. Dann musste er sich noch gefallen lassen, dass Kotter ihn fragte: „Ist deine Welt noch immer heil?“ „Ja. Aber du schaust nicht so aus, als würdest du dich freuen, mir das Solo verdorben zu haben.“ „Ich musste an die Kessler denken.“ „Beim Soloabfangen?“ „Ja.“ „Wer ist die Kessler?“ „Seine erloschene Flamme“, antwortet Zahnbrecher für Kotter. „Hat sie keinen Vornamen?“, wunderte sich Kleinschmied. „Ich verwende bei meinen Flammen nur die Zunamen. Das geschieht aus Sicherheitsgründen, damit meine Ex-Frau in der Apotheke nicht weiß, mit wem ich telefoniere.“ „Ich kannte einen Kollegen, der so geheißen hat“, sagte Kleinschmied nachdenklich, und seine Welt schien auf einmal nicht mehr heil zu sein. „Erzähle!“, forderte Zahnbrecher, dem Kleinschmieds Stimmungsänderung nicht verborgen geblieben war. „Erzähle!“, forderte auch Kotter, dem das Kartenspielen an dem Tag keine rechte Freude machte. „Der Kollege hatte Eltern, die eines ungewöhnlichen Todes starben“, begann Kleinschmied. „Das war einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Mit den Besatzern kam Rauschgift zu uns und der Schwarzhandel blühte damit. Der Vater meines Kollegen war Kriminalbeamter und mit der Eindämmung des Schwarzhandels mit einer Sisyphusarbeit betraut. Die Mutter meines Kollegen war als Schreibkraft in einem Kommissariat halbtags beschäftigt. Die Rauschgiftszene versuchte den Kriminalisten zuerst zu bestechen und als dies nichts nützte, ihn einzuschüchtern. Der alte Polizist blieb standhaft. Und so verschwand eines Tages am helllichten Tag seine Frau aus dem Kommissariat. Eine Nachbarin brachte einen Brief, der nichts anderes enthielt als den Ehering der Verschwundenen. Am Kuvert stand: ‚Wegschauen bringt Wiedersehen‘.“ „Hat er weggeschaut?“, fragte Zahnbrecher. „Was ist ihm denn anderes übrig geblieben“, meinte Kotter. „Er hat mit seinem Vorgesetzten gesprochen und wurde vom Fall abgezogen.“ „Oje!“, rief Kotter. „Das wird den Verbrechern nicht gereicht haben.“ „Natürlich nicht“, setzte Kleinschmied seine Erzählung fort. „Eine lange Woche geschah nichts. Dann brachte ein kleines Kind einen in einem alten Tuch eingewickelten Gegenstand.“ „Sag nicht, dass das ein Fingerglied war“, versuchte Zahnbrecher, die böse Geschichte zu beeinflussen. „Wie ging es weiter“, forderte Kotter. „Die Polizei hatte ihre Informanden und daher auch einen hochrangigen Verdächtigen, der bei den Obersten der Besatzungsmächte ein- und ausging. Nach einigen Versuchen diesen Mann zumindest einzuvernehmen, die kläglich an den Interventionen der Besatzer scheiterten, gab man tatsächlich für einige Zeit die Kontrolle des Rauschgifthandels auf.“ Kleinschmied griff zum Weinglas. „Ich habe nichts zum Trinken mehr“, stellte er fest, stand auf und wollte nachbestellen. „Was brauchst du Wein, wenn es um Leben oder Tod geht“, schimpfte Kotter. „Hör nicht auf den Apotheker“, sagte Zahnbrecher. „Wenn du die Wirtin siehst, sag ihr, dass auch ein Doktor der Allgemeinmedizin Alkohol braucht.“ „Willst du jetzt auch noch was, Karl?“, fragte Kleinschmied. „Ja“, stöhnte Kotter. „Vielleicht bist du dann geneigt, ohne weitere Unterbrechung die Schauergeschichte bis zum Ende zu erzählen.“ Kleinschmied verließ kurz das Extrazimmer und kam bald mit der Wirtin wieder, die eine Karaffe Rotwein trug. Nachdem die Freunde wieder Wein in ihren Gläsern hatten, war...