Feichtinger | Ankünfte  2 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

Feichtinger Ankünfte 2

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

ISBN: 978-3-99110-448-3
Verlag: myMorawa von Dataform Media GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz



Seltsame Köpfe, kämpfende Krieger, tanzende Hexen: die rot aufgehende Sonne spiegelte sich in dunkel-kristallinen Felsformationen - eine wahre Märchenlandschaft am Roraima-Plateau. Die mehrtägige Erkundung des Tepuis im Dreiländereck von Venezuela, Brasilien und Guyana mit einem indianischen Führer zählt zu meinen einprägsamsten Touren, die in der vorliegenden Sammlung von Erzählungen beschrieben werden. Eine andere unser Fahrten führt In die legendäre Wüste Taklamakan. Riesige Sanddünen, und Regenschauer in einer Gegend, wo jahrelang kein Niederschlag fällt, sind in Erinnerung geblieben. Und neben den Buddhastatuen in Xinjiangs berühmten Grotten 2500 Jahre alte Mumien mit verzerrten eingefallenen Gesichtern ... Wanderungen und Fahrten durch spektakuläre Landschaften, außergewöhnlich Begegnungen, gefährliche Unwetter und andere unvorhergesehene Ereignisse zählen zu den Themen des Buches. Bevor man irgendwo ankommt, muss man aufbrechen. Fünf der zwölf Geschichten handeln vom Aufbruch des Autors in seiner Kindheit und Jugend ...
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DIE RUSSEN KOMMEN … Wir kamen nach Netting. Dies ist ein kleines Dorf am Eingang zur ‘Neuen Welt’. So wird die Senke zwischen Hoher Wand und Fischauer Vorbergen im Niederösterreichischen genannt. Der Sieg der Alliierten in Nordafrika hatte Angriffsziele in der sogenannten Ostmark in den Bereich der US-Bomber gerückt. Am 13. August 1943 war ein Flugzeuggeschwader überraschend über Wiener Neustadt aufgetaucht und hatte die Stadt mit einem Bombenhagel überschüttet. Zahlreiche Todesopfer und Verletzte waren zu beklagen. Die am Rande von Neustadt liegenden Flugzeugwerke – das Luftkreuz Südost des Dritten Reiches – machten meine Heimatstadt zum wichtigen strategischen Ziel alliierter Bomberverbände. In den drei Jahren seit meiner Geburt hatten die Österreicher von den Kriegsereignissen lediglich aus den (zensurierten) Nachrichten mitbekommen – wenn man einmal von den Todesmeldungen gefallener Soldaten absieht. Mit einem Schlag war jetzt der Zweite Weltkrieg mitten in die Heimat gerückt. Und mit dem einen Angriff war es nicht getan. In den nächsten Wochen verging kaum ein Tag, an dem die Sirenen vor weiteren Bomberverbänden warnten und die Bewohner aufforderten, die Luftschutzkeller aufzusuchen. Und oft handelte es sich dabei nicht nur um blinden Alarm. Bei weiteren Fliegerangriffen wurde die Zivilbevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen. Viele Menschen kamen in den Bomben um oder erlitten schwere Verwundungen. Bei Volltreffern boten die Keller nur unzureichend Schutz. Die ‘Flak’, eine damals gebräuchliche Abkürzung für Fliegerabwehr-Kanonen, die nach dem ersten überraschenden Angriff rund um die Stadt Stellung bezog, schoss zwar eine Reihe feindlicher Bomber ab, konnte die fortgesetzte Bombardierung letztlich aber nicht verhindern. Auch die Abfangjäger der Nazis gerieten zunehmend ins Hintertreffen. Ich selbst hatte den ersten Angriff gemeinsam mit meiner Großmutter im Keller unseres Einfamilienhauses am Stadtrand miterlebt. Mehrere Bomben schlugen in der Umgebung ein, doch wir blieben verschont. Bei einem Volltreffer hätten wir keine Überlebenschance gehabt. Mit meinen drei Jahren war ich mir der immensen Gefahr natürlich nicht bewusst; ich kann mich daran auch kaum mehr erinnern. ‘Bum-bum’ soll ich freudig gesagt haben, und mit einer blechernen Proviantdose, die mir die Oma zum Schutz vor Splitter vorsorglich aufgesetzt hatte, wohl ziemlich lächerlich ausgesehen haben. In der Folge setzte eine gewaltige Evakuierungswelle ein. Wer es sich leisten konnte, verließ die gefährdete Stadtregion und zog aufs Land. Mein Vater arbeitete damals im ‘Luftpark’, also in den Flugzeugwerken. Er hatte den Ersten Weltkrieg in jungen Jahren an der russischen und italienischen Front mitgemacht und war nun in der heimatlichen Rüstungsindustrie unabkömmlich. Seinen Anstrengungen war es zu verdanken, dass auch uns die Evakuierung aus der Stadt gelang. Er hatte Quartier außerhalb Neustadts gefunden, eben in Netting. Neben meinen Eltern und mir sollte auch Tante Hella, die Schwester meiner Mutter, sowie meine ein knappes Jahr ältere Cousine Ingrid dorthin übersiedeln. Im Oktober 43 war es dann soweit, dass die Großfamilie mit Sack und Pack Wiener Neustadt verließ. Die Erinnerung mancher Menschen reicht weit in ihre Kindheit zurück. Bei mir bis ins Alter von dreieinviertel Jahren. Das Bild steht heute noch deutlich vor mir: ich sitze im Führerhaus eines Lastwagens, der in der Burgenlandgasse 24 vor der Wohnung meiner Tante im Neuklosterbau parkt. Der Motor läuft und ein Bub steht unten vorm Auto. ‘Schau’, das ist der Hanika Rudi, der Sohn unserer Hausmeisterin. Er ist gleich alt wie du …’, sagte Tante Hella zu mir. Mit dem Lastauto wurde das Übersiedlungsgut in unsere neue Bleibe transportiert. * In Netting bezogen wir dann im Keller einer schmucken Villa eine Zweizimmerwohnung. Das gelb gestrichene, oberhalb des Dorfes am Waldrand gelegene Haus mit Erkern und Türmchen ist mir damals riesengroß vorgekommen. Später, in der Nachkriegszeit, als ich selbst herangewachsen war, hat sich der Eindruck von ‘der Villa’, wie sie von uns stets genannt worden war, auf eine normale Dimension reduziert. An die Küche mit ihrem gekachelten Boden erinnere ich mich noch einigermaßen. Das abseits gelegene Schlafzimmer war kalt und nur durch einen langen Gang erreichbar. Ingrid und ihre Mutter hatten es im ersten Stock besser getroffen. Für sie genügte ein Raum, da sich Onkel Michael an der russischen Front befand. Ich erinnere mich an Kamillentee und Buttercremetorte, die es zu Ingrids fünftem Geburtstag gab. Vom Eckfenster des Zimmers konnten wir die ‘Christbäume’ sehen, welche von den amerikanischen Flugzeugen in manchen Nächten über Wiener Neustadt und Neunkirchen abgeworfen wurden. Uns Kindern gefielen diese Dinge, die tatsächlich an brennende Weihnachtsbäume erinnerten. Dass sie den Städten Tod und Verderben brachten, konnten wir nicht wissen, da sie den Bomberpiloten bei ihren Nachtangriffen halfen, ihre Ziele zu finden. Ich denke zurück an die gelben Primeln und etwas später dann die langstieligen Himmelschlüsseln, die rings um die Villa im Frühling sprossen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Waldwanderung am Kienberg gleich hinter der Villa, bei der mir mein Vater die Pilze erklärt hatte. Dabei ist mir die Geschichte vom Schwammerlkönig in den Sinn gekommen. Das blaue Märchenbuch von Ingrid besitze ich noch heute. Als ich damals nicht mehr weiter konnte, hat mich Papa auf seinen Schultern nach Hause getragen. Komisch, an welche Einzelheiten man sich nach so vielen Jahren erinnern kann … Bei einem der Bombenangriffe auf die Flugzeugwerke erlitt mein Vater eine arge Verletzung der Kniescheibe. Aber kein Bombensplitter war die Ursache, sondern ein Motorradunfall. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter – er hieß Puchegger – war mein Vater in einer Beiwagenmaschine aus dem Luftpark geflohen. Nahe Bombeneinschläge bewirkten, dass der Lenker des Fahrzeuges im Straßengraben verunglückte. Dabei bohrte sich die Nummerntafel des Motorrads in meines Vaters Knie. An sein Gipsbein erinnere ich mich noch und an ein Plakat, auf dem der Unfall dann mit spaßigen Versen karikiert wurde. Bei einem Besuch sollte ich das Gedicht aufsagen und habe es auch brav getan (‘Puchegger, was hast du getan – schau’ dir nur diese Kniescheibe an …’). Noch vernehme ich das Rauschen des Windes in den Föhren und höre meine Großmutter, die uns oft in Netting besuchte, wie sie mir das Märchen von ‘Genoveva und Billemann’ erzählte. Kurz vor meinem 4. Geburtstag ist sie an Hirnhautentzündung erkrankt und bald darauf gestorben. Angeblich Opfer eines Zeckenbisses. Später ging das Gerücht um, dass die Infektion von Ausländern eingeschleppt worden war, die aus dem Osten vor den Russen geflüchtet waren. * Und dann kamen sie, die Russen … In den Jahren unseres Aufenthaltes in Netting glaubten nur noch wenige an den sogenannten Endsieg. Mein Vater hat mir später erzählt, dass er nach Stalingrad den ‘Feindsender’ BBC abhörte, was bei Todesstrafe verboten war. Er konnte sich also ein Bild machen, wie es stand. Und wenn Ingrids Vater, Onkel Michael, von der Ostfront auf Heimaturlaub kam, wird er der Familie wohl auch reinen Wein eingeschenkt haben. Nachdem sie die ungarische Grenze überschritten hatten, tauchten Anfang April russische Truppen in der Buckligen Welt auf. Eine ungeheure Hektik setzte in der Villa ein, die wir Kinder natürlich nicht verstehen konnten. Mein Vater hatte die Aussichtslosigkeit der Lage richtig beurteilt, seine Dienststelle heimlich verlassen, um sich in der turbulenten Zeit seiner Familie zu widmen. Wie schon zuvor den Auszug aus Neustadt organisierte er nun auch jenen aus der Villa. Ihre einsame Lage schien ihm nicht genug Sicherheit vor den anrückenden Russen zu bieten. Die Eltern rafften Hausrat – Geschirr, Kleider, Bettwäsche – zusammen und verluden es auf Hand- und Leiterwagen. Mit Sack und Pack ging es über einen Waldweg bergauf und bergab weg von der Villa. Ihre Bewohner hatten Angst, dass die Russen dort ‘hausen’ würden, wie es hieß. Die Nazi-Propaganda hatte von Mord, Vergewaltigung und Raub der ‘mongolischen Horden’ gesprochen und entsprechend verängstigt waren natürlich die Leute … Die überhastete Flucht aus unserer bisherigen Bleibe, in der wir keine schlechte Zeit verbracht hatten, ist mir bruchstückhaft in Erinnerung geblieben. Unser Wagen – ‘Zager’ im Dialekt genannt – kippte am unebenen Weg um und die am Waldboden verstreuten Sachen mussten wieder eingesammelt werden. Mit von der Partie waren mittlerweile auch mein Großvater und Tante Franzi, die dritte, jüngere Schwester meiner Mutter. Beide waren aus der Stadt zu uns gestoßen. Seit damals bin ich diesen Weg oftmals gegangen und habe an die Tage kurz vor Kriegsende zurückgedacht. Ziel unseres Exodus – ich glaube er fand unmittelbar vor...


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