E-Book, Deutsch, 190 Seiten
Fink Ein Honigfaden der Logik
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-5043-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Grundbegriffe von der heiteren Seite
E-Book, Deutsch, 190 Seiten
ISBN: 978-3-7557-5043-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Während wir über ein Ding sprechen, dürfen wir seine Eigenschaften nicht unvermittelt verändern. So will es der erste Grundsatz der Logik - der Satz von der Identität. Diese Forderung leuchtet auch kleinen Kindern ein. Deshalb gefällt ihnen das uralte Scherzgedicht "Ei der tausend!" so gut. Ich saß auf einem Birnbaum wollt' Gelbe Rüben graben, da kam derselbe Bauersmann, dem diese Zwiebeln waren. "Ach, ach, du Schelm, du Hühnerdieb! Was machst du in den Nüssen!" So hatt' ich all mein Lebetag kein bess're Pflaumen 'gessen.
Hans Fink ist ein rumäniendeutscher Journalist und Publizist. Er studierte Germanistik und arbeitete viele Jahre als Journalist in Bukarest. Zwei seiner Themenfelder waren Erziehung und Unterricht.
Autoren/Hrsg.
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1. Der Satz von der Identität
Der erste Grundsatz der Logik besagt, dass ein Ding identisch ist mit sich selbst und mit keinem anderen. Es unterscheidet sich von anderen Dingen. Ganz kurz formuliert: A = A. In Wirklichkeit verändern sich die Dinge, manche relativ schnell, andere relativ langsam. Das wird einem schon in der Grundschule und dann immer wieder bewusst gemacht. Ein griechischer Philosoph des Altertums, er hieß Heraklit und lebte vor 2400 Jahren, hat diese Erkenntnis in der berühmten Bemerkung festgehalten, dass man nicht zweimal im selben Fluss baden kann. Es geht nicht, weil sich einerseits beständig das Wasser erneuert und sich andererseits Flussbett sowie Uferlandschaft unablässig wandeln. Der menschliche Körper verändert sich von Sekunde zu Sekunde; an diesem Vorgang sind der Stoffwechsel, das Zellenwachstum und die höhere Nerventätigkeit beteiligt. Auch die Sprachen verändern sich – am auffälligsten durch die Erneuerung des Wortbestands –, sodass wir schon Mühe haben, die gewählte Form unserer Muttersprache zu verstehen, die vor 350 Jahren im Schwang war, beispielsweise den „Simplicissimus“ von Grimmelshausen9 zu lesen, dabei bedeuten 350 Jahre bloß vierzehn Generationen. Doch oft genug bleiben wesentliche Eigenschaften eines Dings lange Zeit erhalten. Infolgedessen weisen viele Dinge eine relative Stabilität auf. Die Donau beispielsweise fließt seit Menschengedenken durch dieselben geografischen Zonen. Eine Person behält unabhängig von Stoffwechsel, Zellenwachstum und höherer Nerventätigkeit ihre Erbeigenschaften, ihre Gewohnheiten, ihre Erinnerungen und ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen (Familie, Nachbarschaft, Arbeitsplatzgemeinschaft usw.). Obwohl die Unterschiede zwischen Althochdeutsch und Neuhochdeutsch nach tausend Jahren Sprachentwicklung gewaltig sind – so groß, dass kein Laie das Althochdeutsche versteht –, stimmen der Grundwortbestand sowie die wichtigen grammatischen Strukturen der zwei Formen überein, was uns berechtigt, sie als Entwicklungsstufen derselben Sprache zu betrachten. In der Praxis bauen wir auf diese relative Stabilität. Eben diese Tatsache kommt im Satz von der Identität zum Ausdruck. Unser Denken ist nur dann konsequent, wenn die Forderung erfüllt wird, dass wir den Gedanken einen genauen Sinn verleihen und diesen Sinn beibehalten. Sonst könnten sich die Menschen untereinander nicht verständigen. Mit Rücksicht auf den Satz von der Identität dürfen wir ein Ding A nicht übergangslos mit einer Eigenschaft ausstatten, die es vorher nicht hatte; ebenso wenig dürfen wir ihm übergangslos eine Eigenschaft nehmen. Ein grüner Apfel darf nicht plötzlich als reif, ein heiler Topf nicht unvermittelt leck erscheinen. A muss, während wir eine Überlegung anstellen oder ein Gespräch führen, gleich bleiben mit A. Ein Verstoß gegen diese einfache Forderung ist nicht leicht zu begreifen. Es fällt uns schwer, den texanischen Millionär für voll zu nehmen, der, aus der Schweiz zurückgekehrt, die Nase rümpfte: „Ich verstehe die allgemeine Begeisterung nicht. Man nehme Berge und Seen weg – was bleibt da übrig?“ Dabei ist der Millionär, wenn man mit unserem Problem vergleicht, auf halbem Wege stehen geblieben. Er hat bloß eine, wenn auch naive, Hypothese formuliert. Das ist erlaubt. Nur beim Formulieren von Hypothesen darf man einem Ding bewusst Eigenschaften verleihen oder nehmen, ohne dass ein Verstoß gegen den Satz von der Identität erfolgt. Ein bekanntes Gedicht aus der Folklore-Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ (veröffentlicht 1806-1808 von Clemens Brentano und Achim von Arnim) spielt mit dem Satz von der Identität. Man zählt es zur sogenannten Nonsens-Literatur, doch kann hier von Nonsens keine Rede sein: Der Text veranschaulicht scherzhaft eben die Einsicht, dass A nicht unvermittelt verändert werden darf. EI DER TAUSEND Ich saß auf einem Birnenbaum, wollt’ Gelbe Rüben graben, da kam derselbe Bauersmann, dem diese Zwiebeln waren. „Ach, ach, du Schelm, du Hühnerdieb! Was machst du in den Nüssen?“ So hatt’ ich all mein Lebetag kein’ bess’re Pflaumen ’gessen. […] GANTER UND GÄNSE „Oho“, sprach Schwärmum, „wie viele Ganter sind unter einem Flug fünfzig wilder Gänse?“ Jener sagte: „Keiner.“ DAS VERSPRECHEN „Mama, ich gehe mal für zehn Minuten in den Park spielen. In einer Stunde bin ich wieder zurück.“ DER AUFTRAG „Männe“, sagt Frau Brösel zu ihrem Mann, „ich gehe mal für fünf Minuten zur Nachbarin. Vergiss nicht, jede halbe Stunde die Suppe auf dem Herd umzurühren.“ Der Volksmund hat die Binsenweisheit des ersten Grundsatzes der Logik in Redensarten, Schwänke, Witze und Anekdoten eingebaut, die verschiedene Ursachen für Abweichungen erkennen lassen. Mögliche Ursachen sind Geistesverwirrung, Gedächtnisschwäche, unlautere Absicht und Mangel an Aufmerksamkeit. Der Sprecher macht nur im letzten Fall einen Fehler. Der Zuhörer oder Gesprächspartner aber macht einen Fehler, sooft er einen solchen Verstoß durchgehen lässt. Ich beginne mit der Geistesverwirrung, weil diejenige Gruppe der sogenannten Narrenwitze, die sich auf sie bezieht, gleichzeitig die Beachtung des Satzes von der Identität als normal und selbstverständlich betont. Der Witz mit dem eingebildeten Licht lässt uns das Schema erkennen, welches für die ganze Gruppe kennzeichnend ist. EINE LAMPE Der Krankenhausinspektor entdeckt in einem Saal der Irrenanstalt einen Mann, der mit dem Kopf nach unten von der Decke hängt. Er fragt den ihm zunächst stehenden Patienten nach dem Grund. „Ach“, antwortet jener, „Otto bildet sich ein, dass er eine Lampe ist.“ „In dieser Lage wird er einen Hirnschlag erleiden – holt ihn sofort herunter!“ „Runterholen? Das geht nicht, sonst haben wir kein Licht mehr.“ Der Patient sagt zuerst, dass Otto sich einbilde, eine Lampe zu sein, gleich darauf handelt er so, als ob Otto tatsächlich eine Lampe wäre. Ein Geisteskranker kann nichts für solche Verstöße. Bei Gesunden dagegen wiegen sie als Fehler. Spaßhalber werden dieselben Verstöße auch Ärzten und Krankenschwestern angelastet, wobei man stillschweigend voraussetzt, dass ihre Umgebung auf sie abgefärbt hat. DIE NIAGARAFÄLLE Ein Psychiater beklagt sich bei seinem Kollegen: „Ich weiß nicht mehr, was anfangen. Ein Patient bietet mir täglich die Niagarafälle zum Kauf an.“ „So nimm sie doch!“ „Ich kann nicht – er verlangt einen viel zu hohen Preis!“ Es ändert nichts am Wesen eines Dings, dass man ihm einen neuen Namen gibt, doch wenn der Namenswechsel in böser Absicht erfolgt, verdient der Urheber zumindest Spott und Hohn. DER ERFINDER „Wo ist eigentlich unser Küchenchef?“ „Er sucht einen neuen Namen für die gestrigen Schnitzel.“ GARIBALDIS10 MEMOIREN „In diesem Zimmer“, erklärt der Museumsführer, „hat Garibaldi seine Memoiren geschrieben.“ „Vor einem Monat sagten Sie dasselbe über einen Raum im ersten Stock.“ „Das stimmt, aber jenes Zimmer wird jetzt renoviert.“ DER NEUESTE STOFF „Das also ist der neueste Stoff, den Sie haben?“ „Die Fabrik hat ihn gestern geliefert.“ „Wird er auch nicht ausbleichen?“ „Ich bitte Sie, er liegt schon zwei Monate im Schaufenster!“ EINE SCHWIERIGE GRENZE „Nächste Woche werde ich dreißig!“ „Das hast du vor einem Jahr auch schon behauptet!“ „Ich bin eben keine Frau, die heute dies sagt und morgen jenes!“ ZU GUTES PLÄDOYER Beim Prozess schildert Vogels Anwalt seinen Mandanten als ausgezeichneten Charakter, korrekt, gewissenhaft, ehrlich und gütig. Schließlich hält Vogel nicht mehr an sich, springt auf und unterbricht den Redner: „Hohes Gericht! Ich habe diesem Kerl ein Heidengeld gezahlt, damit er mich verteidigt, und jetzt spricht er seit einer halben Stunde von einem anderen ...!“ JE NACHDEM „Mademoiselle, kann ich den Direktor sprechen?“ „Wer sind Sie: der Vertreter einer Firma, der Inkassator oder ein Bekannter?“ „Sowohl das eine wie das andere und das dritte.“ „Erstens ist der Direktor in einer Sitzung, zweitens ist er für drei Wochen verreist, und drittens werde ich Sie gleich anmelden.“ Wenn ein Mensch sich in widersprüchlichen Erklärungen oder Entschuldigungen verhaspelt, zitiert man gern folgende Redensart: Erstens habe ich den Topf heil zurückgebracht, zweitens hatte er schon ein Loch, als ich ihn kriegte, und drittens habe ich ihn gar nicht geborgt. Noch eine mögliche...