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E-Book, Deutsch, 138 Seiten

Fink Wer wen heiratet

Möglich und unmöglich im Märchen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-7544-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Möglich und unmöglich im Märchen

E-Book, Deutsch, 138 Seiten

ISBN: 978-3-7578-7544-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Märchen endet die Handlung oft damit, dass der Held nach mannigfachen Abenteuern sein Ziel erreicht und die Prinzessin heiratet. Der Held ist der Sohn eines armen Bauern, ein Hirte oder ein Handwerker, also jemand, mit dem sich die Zuhörer identifizieren, insbesondere das männliche Publikum. Was nach der Hochzeit geschieht, spielt im Märchen oft keine Rolle. Hans Fink richtet den Blick auf das Leben nach der Hochzeit. Er deckt auf, dass der soziale Unterschied die Ehe des Helden mit der Prinzessin regelmäßig untergräbt. Die Schwänke verdeutlichen, warum Mann und Frau nicht friedlich miteinander leben: entweder, weil sie nicht geprüft haben, ob sie zusammenpassen, oder weil sie sich nicht beherrschen. Zum Beispiel geraten sich der lange Lenz und die hagere Liese in die Haare, weil sie trotz schwerer Arbeit (sie rackern sich ab) auf keinen grünen Zweig kommen. Einen Schwerpunkt bilden Texte, wie Mann und Frau sich prüfen könnten, bevor sie einander das Jawort geben.

Hans Fink (geboren 1942 in Temeschburg/Timisoara, Rumänien) ist ein rumäniendeutscher Journalist und Publizist. Er studierte Germanistik und Rumänistik und arbeitete viele Jahre als Journalist in Bukarest. Seine Themenfelder waren Unterricht und Erziehung.

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Das Vorhaben
In vielen Märchen, unglaublich vielen, ist die Hochzeit des Helden Höhepunkt und Endpunkt der Handlung. Oft genug steht sie unter einem schlechten Vorzeichen: Der Held und seine Braut sind einander nicht ebenbürtig. – Es handelt sich um eine Zwangsheirat unter dem Druck eines Elternteils. – Die Braut muss sich in die Ehe mit einem Mann fügen, der sie in einem Wettkampf überwunden oder auf andere Weise gedemütigt hat: sei es, dass er schlagfertiger war1; sei es, dass sie ein von ihm vorgetragenes Rätsel nicht lösen konnte2; sei es, dass er hinter das Geheimnis der zertanzten Schuhe kam3; sei es, dass er sich vor ihr verstecken konnte4. Was nach der Hochzeit geschieht, erfahren wir in der Regel nicht, und die meisten Leute scheint das auch nicht zu interessieren. Nun hat ein Literaturwissenschaftler dieses Problem angeschnitten. Der Germanist und Märchenforscher Wilhelm Solms veröffentlichte im Jahre 2021 eine Studie über das Bild der Familie in der Märchensammlung der Brüder Grimm.5 Ein Kapitel handelt von Brautwerbung und Hochzeit, ein anderes nimmt die Märchenehe unter die Lupe, ein drittes handelt von Brautwerbung und Ehe im Schwank. An einer Stelle findet sich folgender Kommentar: „Und wenn die Märchen mit Sätzen enden wie und sie lebten vergnügt bis an ihr seliges Ende (Das Mädchen ohne Hände), dann ist auch dies nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern ein Versprechen. Denn mit der Märchenhochzeit lässt der Märchenerzähler den Vorhang fallen. Was hinter dem Vorhang bzw. nach dem Ende der Märchen geschieht, also der Ehe-Alltag, gehört – mit Ausnahme weniger Zaubermärchen – zu den Themen der Schwänke und wirkt dort ganz und gar nicht glücklich. Ob das Eheglück des Märchenpaars tatsächlich von Dauer ist, wie uns der Erzähler verspricht, bleibt also offen.“6 Mich hat dieser Kommentar zu den Recherchen für das vorliegende Buch angeregt. Laut Solms ist die Hochzeit … die höchste Form des Glücks, nicht nur für die Heldin und den Helden, einschließlich ihrer Partner, sondern ebenso für den Erzähler und seine Zuhörer oder Leser beiderlei Geschlechts. Dieses Glück wird nochmals gesteigert, wenn der arme Junge die einzige Tochter des Königs heiratet und damit zugleich die Herrschaft über das Reich und großen Reichtum gewinnt.7 Ähnlich äußerte sich der rumänische Folklorist Ovidiu Bîrlea: Die Entstehung des Märchens als literarische Gattung hängt mit dem Drang zusammen, zu zeigen, wie man das Leben auf der Erde nach gerechten Regeln ordnen soll, wobei der Gute belohnt und der Böse exemplarisch bestraft wird. Die Moral aus allen Märchen veranschaulicht die allgemeinste ethischen Norm: Das Gute siegt immer über das Böse. Um das zu veranschaulichen, beleuchtet das Märchen die häufigsten Konflikte innerhalb der menschlichen Gesellschaft seit jeher. Das Zaubermärchen widerspiegelt diesen Zug am deutlichsten. Trotz des Hintergrundes mit zahlreichen, oft verwirrenden wunderbaren Elementen, spiegelt das Zaubermärchen die großen Probleme der Gesellschaft wider, die Jahrtausende alt sind, und hat diese mit einer idealen Welt verquickt, die frei von Gebrechen ist. Die Länge der Märchenhandlung entspricht den Maßen des irdischen Lebens, doch zum Unterschied vom Epos und vom Roman wird der Held bis zu seiner Hochzeit begleitet, die gewöhnlich mit dem Besteigen des Throns übereinstimmt, und damit nicht nur den Höhepunkt der Märchenhandlung darstellt, sondern auch die höchste Erfüllung, die man sich für ein Menschenleben vorstellen kann.8 Auf zahlreiche Texte treffen diese Einschätzungen nicht zu. Aus der Sicht der ehemaligen Zuhörerschaft mag es gerecht scheinen, dass ein Mann aus bescheidenen Verhältnissen die Königswürde erwirbt und den Thron besteigt, aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Das Märchenkonzept der Brüder Grimm. Wie die Brüder Grimm die Texte für ihre Sammlung besorgten, hat Generationen von Germanisten beschäftigt. Für den Laien ist das Ergebnis schockierend. Sie schöpften nicht (bzw. nicht selbst) aus der lebendigen Überlieferung, ein Teil der Texte stammte aus zweiter oder dritter Hand, ein anderer Teil aus schriftlichen Quellen. Manche Märchen wurden ihnen von den Nachkommen nach Deutschland geflohener Hugenotten mitgeteilt, wurzelten also in der französischen Folklore. Jacob und Wilhelm Grimm nahmen sich die Freiheit, mehrere verwandte Überlieferungen zu einer Geschichte zu kombinieren. Das haben sie im dritten Band dokumentiert. Der Erfolg gab ihnen recht. Doch Wilhelm Grimm ging stillschweigend darüber hinaus – er dichtete hinzu und änderte am Text. Der letzte Absatz von KHM 21 „Aschenputtel“ etwa wurde nach der ersten Ausgabe der Sammlung von Wilhelm Grimm erfunden und angehängt. Hier picken die Tauben den falschen Schwestern, die das Brautpaar auf dem Weg zur Kirche und auf dem Rückweg begleiten, die Augen aus. Das Märchen schließt mit einem moralisierenden Satz: Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag gestraft.9 (Das Aschenputtel-Märchen handelte ursprünglich von der individuellen archaischen Jugendweihe im Gehöft der Eltern.10 Die Stiefmutter ist wie der Königssohn und der Gang zur Kirche eine spätere Hinzufügung.) In vier der bekanntesten Märchen hat Wilhelm Grimm bei der Bearbeitung der Erstausgabe die böse Mutter durch eine Stiefmutter ersetzt.11 Die Stiefmutter war eine soziale Erscheinung. Viele Männer blieben im Krieg, viele Frauen starben am Kindbettfieber oder an den Belastungen durch eine Vielzahl von Geburten und schwere Arbeit. Die Witwen und Witwer verehelichten sich aus praktischen Gründen ein zweites Mal, und dieses Phänomen hat sich in der Folklore niedergeschlagen. Grimms Märchen, vermerkt Solms, haben aber dazu beigetragen, dass Frauen, die es auf sich nehmen, einen verwitweten Mann mit Kindern zu heiraten, als böse Stiefmütter angesehen werden.12 In 48 Texten der Grimm'schen Sammlung ist von einem König, von einer Königin oder von Königskindern die Rede, Solms tut diese Besonderheit mit der Bezeichnung Königskult ab. Sie ist nicht auf das deutsche Märchengut beschränkt und erklärt sich durch das Bestreben der Erzähler, die Aufmerksamkeit des Publikums zu steigern. Man erkennt die Idealisierung anhand eines Vergleichs von mehreren Varianten. Beim Märchentypus AT 402 „Die Katze als Braut“ ist der Held mal der Sohn eines armen Besenbinders (Hans und die Kröte13, deutsch aus Lothringen), mal der Sohn eines Bauern (Die kleine weiße Katze14, deutsch aus Holstein), mal der Sohn eines Müllers (Die verwunschene Katze15, deutsch aus der Steiermark), mal der Sohn eines Königs (Die weiße Katze16, rätoromanisch). Im slowakischen Märchen „Raduz und Ludmilla“ (AT 313) sagt der König, der vier Kinder hat, eines Tages zu seiner Frau: „Du, mein Weib, wir sind zu zahlreich, wir müssen etwas unternehmen, sonst werden wir es nicht weit bringen. Weißt du was? Wir wollen einen unserer Söhne in die Welt schicken, er mag sich einen Dienst suchen und sich zurechtfinden, so gut er eben kann.“17 Dieser König überlegt eindeutig wie ein Handwerker – offenbar wurde er vom Erzähler gekrönt. Die Brüder Grimm folgten dem Trend: Während der Junge im „Vogel Phönix“ der Ausgabe 1812 die Federn für den Verwalter holen muss, wird aus diesem in der Fassung von 1819 ein König.18 Die erste [zweibändige] Ausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ erschien 1812-1815, die Ausgabe letzter Hand (die siebente Ausgabe) im Jahre 1857. Vierzig Jahre lang hat Wilhelm Grimm die Texte immer wieder überarbeitet, nämlich ergänzt, verflüssigt, von anstößigen Ausdrücken gesäubert, mit Redensarten und Sprichwörtern angereichert. Infolgedessen stimmen diese Texte nur thematisch mit dem vormals überlieferten Volksgut überein. Laut Johannes Merkel lassen sich drei Prinzipien festhalten, nach denen Wilhelm Grimm die aus mündlichen oder schriftlichen Quellen erschlossenen Vorlagen redigierte: 1. Mit der für eine Lesefassung erforderlichen ausschmückenden Schilderung wird die Märchenhandlung in ein romantisiertes und stereotypes Mittelalter versetzt. 2. Anspielungen auf Sexualität werden umgedeutet oder ganz ausgeblendet, weibliche Protagonisten zu unschuldigen Mädchen oder bösartigen Hexen gemacht und überhaupt alles entfernt, was bürgerliche Moralvorstellungen hätte verletzen können. 3....



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