Fink | Wie dein Kind scherzen lernt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Fink Wie dein Kind scherzen lernt

(und andere Geheimnisse)
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-6626-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

(und andere Geheimnisse)

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-7578-6626-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn ein Kind viele Fragen stellt, können die Eltern seine geistige Entwicklung verfolgen. Doch wie soll man alle beantworten? Zum einen ist niemand ein Lexikon, zum anderen empfinden die Eltern manche Fragen als indiskret. Solange ein Mensch jung ist und über viel Zeit verfügt, macht er sich darüber keine Gedanken. Und sobald er in die Lage kommt, Kinder betreuen zu müssen, fehlen ihm Zeit und Muße, um einschlägige Vorträge anzuhören. Auf diese Verlegenheit geht der erste im Buch enthaltene Aufsatz ein. Er seziert die möglichen Fragen und veranschaulicht mit Beispielen, wie die Antwort aufgebaut sein könnte. Die anderen drei Aufsätze gehen weit über dieses Thema hinaus. Was ein Scherz ist und wie ein Kind sich die Kunst des Scherzens aneignet, wird in keiner Elternschule erläutert. Ab wann sprechen Rätsel Kinder an? Gegenstand des vierten Aufsatzes ist ein Stilmittel der Kinderliteratur. Der Autor lässt einen törichten Wunsch in Erfüllung gehen und schildert drastisch die unangenehmen Folgen. Er führt den Helden zur Besinnung - und mit ihm den Leser, der sich mit dem Helden identifiziert.

Hans Fink (geboren 1942 in Temeschburg/Timisoara, Rumänien) ist ein rumäniendeutscher Journalist und Publizist. Er studierte Germanistik und Rumänistik und arbeitete viele Jahre als Journalist in Bukarest. Seine Themenfelder waren Unterricht und Erziehung.

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Wie dein Kind scherzen lernt
Vom Umkehrungsvers zum gutmütigen Witz:
ein langer Marsch
durch Sprache und Egozentrismus
Wenn bei uns im Banat der Werkstoff zu einem Vorhaben nicht ganz reichte – da fehlten z.B. drei Stützstangen beim Paradeis-Aufbinden oder ein halber Topf Tünche beim Weißeln, man brauchte noch ein Knäulchen Wolle oder eine Handvoll Teig –, dann hörte man oft folgenden Kommentar: „Es geht aus wie bei Matzens Hochzeit – der Letzte hat keinen Löffel gekriegt.“ Mit dieser Redensart (die in mehreren Varianten zirkulierte) verscheuchte der Banater Schwabe den Ärger seines Partners über den Fehlbetrag. Wie lässt sich ihre Wirkung erklären? Durch die Bezugnahme auf die Hochzeit wird ein Vergleich vorgenommen. Die Redensart macht deutlich, um wie viel schlimmer es anderen schon ergangen ist. Was für ein Gegensatz zwischen Anlass und Anstalten, wenn bei dem großen Fest, welches gewöhnlich Überfluss und Freigebigkeit auszeichnen, ein Gast ohne Löffel oder gar die Braut als Hauptperson ohne Teller bleibt! Man fühlt sich über den Unglücksraben von Matz erhaben; an seiner Not gemessen erscheint das Pech mit den drei Stützstangen beim Paradeis-Aufbinden als gering. Diese Auftrieb verleihende Einsicht verschmilzt mit einer weiteren Erleichterung. Während die erste Hälfte der Redensart den Zuhörer neugierig macht auf die Ähnlichkeit zwischen Matzens Hochzeit und seinem banalen Missgeschick, löst die zweite Hälfte die Spannung, indem sie eine unerwartete Gemeinsamkeit aufdeckt. Was empfinden wir als komisch? Jeden Widerspruch im Handeln anderer (seltener im eigenen), der sich unserer Meinung nach leicht vermeiden ließe. Das gilt auch für den Fall, dass der Schaden gering, die Aufregung aber groß ist. Der Begriff „Scherz“ steht nicht im Brockhaus, so wenig wie das von Christian Morgenstern erfundene Nasobem. Ebenso wenig bei WIKIPEDIA. Deshalb soll hier zunächst erklärt werden, was ein Scherz ist und wie die Erwachsenen scherzen. Anschließend wollen wir einen Blick auf die Techniken der Sprachbeherrschung werfen, die das Kind sich im Laufe der Jahre aneignet und die es eines Tages zum Scherzen befähigen. Um Missverständnisse auszuschließen, sei vermerkt, dass man auch dann von einem Scherz spricht, wenn eine Aussage als Bedrohung empfunden wird, was aus den Repliken hervorgeht. Zum Beispiel: Das kann nicht Ihr Ernst sein – Sie belieben zu scherzen. – Das ist ein schlechter Scherz. – Ich verbitte mir solche Scherze. Solche Repliken verweisen indirekt auf die Natur des Scherzes als Beitrag zur guten Laune bzw. als Hilfsangebot in einer Notlage. I. Ansätze zu einer Definition
1. Warum das Problem knifflig ist
Wir werfen das Netz der Definition aus nach einem wunderbaren Fisch: dem Scherz. Immer wieder schlüpft er uns durch die Maschen. Kommt der Scherz nur als wörtliche Mitteilung vor? Nein, denn wir scherzen auch dann, wenn wir ein kleines Geschenk überreichen, wie es in den Balkanländern am 1. März geschieht.28 Gebärden und Handlungen vermitteln oft genug eine Information. Wenn die Botschaft aus der Art des Geschenks und aus den Umständen eindeutig hervorgeht, kann man auf eine Erklärung verzichten. Im Folgenden wollen wir uns auf den Scherz als gesprochene Mitteilung beschränken, ohne auf die andere Möglichkeit zu vergessen. Kinder amüsieren sich über Scherze, die dem Erwachsenen kein Lächeln abgewinnen, die er nicht einmal bemerkt, während es umgekehrt Scherze für Erwachsene gibt, die kein Kind versteht. Wie hängen die zwei Kategorien von Mitteilungen zusammen? Beim Versuch einer Definition stört am meisten, dass für den Scherz keine unbeschwerte, fröhliche Stimmung verpflichtend ist. In unserer Vorstellung verbindet sich der Begriff mit guter Laune und Übermut, doch bei näherer Betrachtung tun wir dem Scherz damit Unrecht: Scherzen ist in ernster Lage, bei gedrückter Stimmung, in gespannter Atmosphäre möglich. Ein berühmter, aus dem Altertum überlieferter Scherz wurde unter dramatischen Umständen gemacht. Der Perserkönig Xerxes war im Begriff, mit einem riesigen Heer Griechenland anzugreifen, da verhandelte eine Abordnung aus Sparta, welches die Führung der Griechen übernommen hatte, mit den Persern. Um den Mut der Gesandten zu lähmen, höhnten die Perser, im Kriegsfalle werde man vor ihren vielen Pfeilen die Sonne nicht sehen. Darauf entgegnete ein Spartaner kaltblütig: „So werden wir im Schatten kämpfen!“ Mit dieser Antwort richtete er die Gefährten auf. Er hatte aus der Androhung der ungeheuren Gefahr, durch die Verdunkelung der Sonne veranschaulicht, eine unerwartete Bequemlichkeit für die an Strapazen gewöhnte spartanische Streitmacht abgeleitet. Schon Cicero hat sich mit dem Scherz beschäftigt, das war vor mehr als 2.000 Jahren. Was ich an Gedrucktem zum Thema finden konnte, ist dessen ungeachtet dürftig. Uns interessiert, wie ein Kind scherzen lernt. 2. Der Scherz in Notlage
Wie könnten wir den wunderbaren Fisch in die Enge treiben? Da ein Scherz darauf abzielt, Heiterkeit zu erregen, ziehen wir keine Situation in Betracht, die sich von vornherein durch gute Stimmung auszeichnet, sondern eine Notlage: Der Gesprächspartner ist bedrückt durch einen Misserfolg oder müde, er wird von Hitze, Hunger und Durst geplagt, er leidet Schmerzen oder fühlt sich bedroht. Trotzdem bringt der Scherz ihn zum Lächeln. Der Scherz verschafft ihm Erleichterung, er lässt ihn die Lage in einem anderen Licht, von einem anderen Standpunkt aus sehen. Bei Misserfolg, Müdigkeit, Schwäche, Schmerz, Furcht usw. neigt der Mensch dazu, sich in sich selbst zurückzuziehen, sich auf die eigene Person zu konzentrieren, er achtet wenig auf die Umgebung und verliert die Bezugsgrößen aus dem Auge. Der Scherz reißt den Gesprächspartner aus einer solchen Isolation. Er bewirkt noch etwas mehr, und gerade dieses Mehr unterscheidet ihn vom Trost. 3. Die Leistung des Widerspruchs
Der Scherz fordert den Verstand durch einen komischen Widerspruch heraus, bei unseren Beispielen ist es der Widerspruch zwischen banalem Missgeschick und Hochzeit bzw. zwischen Bedrohung und Bequemlichkeit. Das Nachdenken über den Widerspruch führt wie eine Rampe zum anderen Standpunkt. Im ersten Fall sieht der Gesprächspartner ein, dass es im Leben Schlimmeres gibt als seinen Fehlbetrag. Durch den Scherz wird hier das aktuelle Missgeschick relativiert, und der Partner distanziert sich von seiner Betroffenheit. Die Entgegnung des Spartaners steht für folgenden Gedankengang: Schatten bedeutet Erleichterung, eine Begünstigung bei der Mühsal des Kämpfens; wenn das griechische Heer den Vorteil des Schattens hat, wird es mehr leisten. Man kann aus der Antwort Standhaftigkeit und Entschlossenheit heraushören. Den anderen Mitgliedern der Abordnung vermittelte sie eine wichtige Einsicht: Wir Spartaner sind Schweres gewöhnt, wir müssen uns durch die Großmäuligkeit der Perser nicht schrecken lassen. Dieser zusätzliche Bedeutungsinhalt macht die Antwort zum Scherz. Sobald der Gesprächspartner den zusätzlichen Bedeutungsgehalt erfasst (sobald der Groschen fällt, sobald es blitzt, sobald ihm die Erleuchtung kommt), hat er ein Erfolgsgefühl. Auch beim Trösten versuchen wir zu erreichen, dass der Gesprächspartner sich von seiner pessimistischen, egozentrischen Ansicht der Lage distanziert, indem wir einen realistischeren Standpunkt anbieten – aber auf andere Weise: wir erinnern an frühere Erfolge, erklären unsere Hilfsbereitschaft oder stellen Unterstützung seitens Dritter in Aussicht. Dieselbe Wirkung wie beim Scherzen können wir dabei nicht erreichen. Die Erleuchtung macht dem Gesprächspartner eine Kraftreserve bewusst. Er wird dazu ermutigt, aus der Isolation herauszutreten, sich den angebotenen Standpunkt anzueignen. Der Scherz ist dem Trost durch die Methode überlegen. Der Einbau des Erleuchtungsmoments erweist sich als genialer Trick der Seelenmassage. Wenn ein Kind sich verletzt hat und die verkrustete Schramme herumzeigt, kann man ihm natürlich sagen: „Es wird schon heilen.“ Das ist ein Trost. In der Mondschein-Gasse, wo ich aufgewachsen bin, pflegten die alten Leute verschmitzt zu kommentieren: „Bis du heiratest, vergeht’s.“ Durch den Zusatz lenkten sie ab – über jenes geheimnisvolle Ereignis konnte man sein dummes Missgeschick vergessen. Durch die Verletzung war ich aus der Gemeinschaft der Gesunden ausgeschlossen. Die Aussicht, dass ich heiraten werde wie alle anderen Leute, machte diesem Zustand ein Ende. Die landläufige Vorstellung von einer spezifischen Scherzatmosphäre hat freilich ihre guten Gründe. Je trübsinniger der Gesprächspartner, umso mehr Takt, je gespannter die Lage, umso mehr Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart sind zu einem guten Scherz notwendig. Das Scherzen über die eigene missliche Lage setzt voraus, dass man klaren Kopf behalten und sich...



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