E-Book, Deutsch, Band 2, 438 Seiten
Reihe: Die Wüsten-Serie
Fischer Wüstenerbe (Die Wüsten-Serie 2)
20001. Auflage 2020
ISBN: 978-3-646-60587-7
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantische High Fantasy
E-Book, Deutsch, Band 2, 438 Seiten
Reihe: Die Wüsten-Serie
ISBN: 978-3-646-60587-7
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christina M. Fischer, Jahrgang 1979, lebt mit ihrer Familie im schönen Main Spessart. Sobald sie lesen konnte, verschlang sie ein Märchenbuch nach dem anderen, später wechselte ihre Leidenschaft zu Fantasy. Mit vierzehn Jahren begann sie mit dem Schreiben eigener Geschichten. Ihre bevorzugten Genres sind Urban Fantasy, Dark Fantasy und Romance Fantasy.
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Prolog
Bevor die Explosionen begannen, nahm man die Veränderung in Sula durch einen unwirklichen Moment der Stille wahr. Die Stadt, sonst gebadet in den monotonen Geräuschen des Marktes und ihrer Bewohner, durchlief eine Veränderung, der sich niemand entziehen konnte. Plötzlich wurde die Stille von mehreren aufeinanderfolgenden Erschütterungen verdrängt, begleitet von Rufen, die sich aufgeregt in den Himmel erhoben.
Den Höflingen fiel es als erstes auf und sie eilten in Scharen zu den Terrassen, um nachzusehen, was los war.
Weskar selbst behielt seine Würde und versuchte sich weiterhin um seine Geschäfte zu kümmern. Seit Renya gestorben war, hatte er sich keine Frau genommen und das musste er, um neue Verbündete zu gewinnen, die ihm dabei halfen, den Thron zu halten. Durch eine Ehe mit ihren Töchtern stieg für ihre zukünftigen Enkelkinder die Chance, nach ihm auf den Thron zu folgen. Doch jedes Mal, wenn er kurz vor einem Treffen mit einer passenden Heiratskandidatin stand, hatte er die kleine Frau mit den grauen Augen im Kopf und sein Innerstes krümmte sich vor Schmerz.
Sie waren Kindheitsfreunde gewesen. Eine ungleiche Freundschaft – sie, die Tochter aus wohlhabendem Hause, und er, der Dieb aus Sulas Gosse. Eines Nachts hatte sie ihn dabei erwischt, wie er ein Brot stehlen wollte, aber sie hatte ihn nicht verraten oder ihn angeschrien, wie es die anderen Höflinge taten. Nein, die neunjährige Renya hatte ihm damals zu dem Brot noch ein Stück Fleisch und Orangen mitgegeben. Außerdem hatte sie ihm zugeflüstert jede Woche am Dienstag wiederzukommen, dann hätte sie weiteres Essen für ihn.
Diese Gelegenheit war zu gut, um wahr zu sein, das hatte ihn das Leben auf Sulas Straßen gelehrt, daher war er sofort misstrauisch geworden und hatte entschieden sie vorerst zu beobachten.
Er hatte es nicht geglaubt, aber sie wartete tatsächlich in dem schattigen Plätzchen hinter der Küche auf ihn. Da er Soldaten in den Nischen vermutete, war er gegangen, ohne sich zu erkennen zu geben, obwohl sein Magen vor Hunger geschmerzt hatte.
Die Woche darauf war sie wieder am verabredeten Treffpunkt erschienen und dieses Mal hatte er sich ihr gezeigt. Keine Soldaten hatten ihn festgenommen, stattdessen konnte er sich endlich seit langer Zeit den Bauch vollschlagen.
Renya hatte ihm auch zu einer Anstellung verholfen. Er hatte alles getan, um sich für diesen Gefallen erkenntlich zu zeigen, arbeitete unermüdlich und vermied jeden Fehler. Sein Eifer war Renyas Vater aufgefallen. Da er Weskars scharfen Verstand sogleich erkannte, nahm er ihn unter seine Fittiche. Er wurde auf teure Schulen geschickt, die ihn zu einem weisen Mann erziehen sollten.
Weskar war stolz auf sich gewesen und hatte geglaubt einer glücklichen Zukunft entgegen zu blicken. Sein Magen hatte seit seiner Begegnung mit Renya nicht mehr vor Hunger geknurrt und er trug die kostbarsten Gewänder Sulakans. Nichts erinnerte an den Straßenjungen, der er einst gewesen war.
Nach einigen Jahren begann er zu glauben, dass er dazu gehörte. Seine Lehrer ergossen sich in begeisterten Lobreden und prophezeiten ihm eine glorreiche Zukunft im Palast. Das weckte seinen Ehrgeiz, denn dem König persönlich zu dienen, war, was sich jeder Gelehrte Sulakans erhoffte. Aber für Renya hätte er diesen Traum aufgegeben. Was er wollte, war eine Anstellung, die es ihm ermöglichte, sie zu freien und zu seiner Frau zu machen. Dafür war er sogar nach Ashkan gereist, um zwei Jahre in der berühmtesten Universität Sulakans zu studieren.
Bei seiner Rückkehr hatte er geglaubt in einem Albtraum festzustecken, denn als er nach ihr sehen wollte, um ihr seine Gefühle zu gestehen, war sie schon zur Drittfrau des Königs geworden. Die Welt schien damals für ihn unterzugehen. Gegen jeden Werber hätte er vorgehen können, aber nicht gegen diesen Mann.
Danach war es schwerer geworden, sie zu treffen, da er den Harem nicht betreten durfte. Folglich hatte er nach anderen Möglichkeiten gesucht, sie zu sehen, und war zum Berater ihres Mannes aufgestiegen.
Die Jahre, in denen er in Ashkan für eine Zukunft studiert hatte, die nun nicht mehr eintreten würde, hatten sie verändert. Renya hatte ihre Lebenslust und ihre ungezügelte Wildheit verloren, aber sie hatte dem König dennoch ihr Herz geschenkt. Das war ihr größter Verrat …
»Mein Herr, ist alles in Ordnung?«
Palun, sein Leibwächter, hatte den Blick auf seine Hände gerichtet. Weskar fiel erst jetzt auf, wie stark das Dokument in seinem Griff zitterte. Hastig legte er es beiseite und stand von dem wuchtigen Thron auf, der sich am Kopfende der weitläufigen Halle befand. »Alles in Ordnung.«
Dann wandte er sich den Höflingen zu, die sich auf den breiten Balkon begeben hatten, von dem aus man die Hauptstadt am besten beobachten konnte. Sie drängten sich so eifrig gegen die Brüstung, dass sie fast nach unten gefallen wären. »Was zum Teufel geht da vor sich? Ist ein Gebäude eingestürzt?«
Manche Teile Sulas waren uralt und hätten längst abgerissen werden sollen, doch im Moment interessierten ihn wichtigere Angelegenheiten. Die Aufrüstung seiner Truppen hatte oberste Priorität.
»Ich habe Unket geschickt, um nachzusehen.«
Unket war Paluns rechte Hand und seine Augen, da er selbst niemals Weskars Seite verließ, sobald sie sich außerhalb seiner privaten Gemächer befanden.
Er verspürte den Drang der Neugierde ebenfalls, aber er wollte sich nicht auf eine Stufe mit den Höflingen stellen.
»Ich ziehe mich zurück«, verkündete er laut, doch keiner der Anwesenden reagierte auf ihn.
»Herr, gehen wir«, drängte Palun beunruhigt. »Ich will Euch in Euren Räumen sicher wissen.«
Weskar wusste, warum dem so war. Die Räumlichkeiten des Königs befanden sich an einem leicht zu verteidigenden Ort. Innerhalb des Palastes hatte man verschiedene Bereiche mit hochstehenden Mauern verstärkt, die sie wie Ringe umschlossen. Diese konnte man bei einem Angriff schließen und mit Leichtigkeit verteidigen. Die Angreifer mussten erst diese Barrieren überwinden, um zu seinen privaten Gemächern zu gelangen.
Palun war sich nicht sicher, ob ein Angriff bevorstand, aber er war ein umsichtiger Mann und er würde ihn zuerst in Sicherheit bringen und sich dann erkundigen, um was für eine Gefahr es sich handelte.
Weskar hatte den Mann für seinen Schutz ausgesucht, weil er ihn an sich selbst erinnerte und nicht aufgrund von reiner Nächstenliebe. Er war Renyas Familie in seiner Jugend so dankbar gewesen und hätte sogar sein Leben für sie gegeben. Diese Dankbarkeit nutzte er nun aus. Er hatte Palun aus Sulas Gassen geholt, nachdem die Gabe des jungen Mannes ersichtlich geworden war. Mit kostbarer Kleidung, einem Haus, in dem mehrere Frauen auf ihn warteten, und guten Dienern hatte er ihn ausgestattet und dafür Paluns Treue errungen. Der junge Mann würde ihn bis zu seinem letzten Atemzug verteidigen und darauf setzte Weskar.
Gemeinsam traten sie den Weg zu seinen Gemächern an. Unterwegs hörte er aus dem Harem die Stimmen der Frauen, die darauf hofften zu seiner Ehefrau aufzusteigen. Keine von ihnen war Renya, also ließ er sie zurück.
Vor seinen Gemächern lief Unket ihnen entgegen. Sein Gesichtsausdruck genügte, um ihn zu beunruhigen.
»Mein Herr, Sula wird angegriffen.«
Weskar erstarrte, doch nur kurz, denn er hatte Vorsichtsmaßnahmen für einen solchen Fall getroffen. »Dann schlagt den Aufstand nieder«, befahl er selbstsicher.
»Herr.« Unket verneigte sich, als wären ihm seine folgenden Worte unangenehm. »Die Rebellen greifen aus der Luft an und sie haben die Unterstützung von Sulas Bewohnern. Unsere eigenen Luftschiffe stehen aufgrund von Sabotage in Flammen und unsere Wachen haben alle Hände voll damit zu tun, die Aufstände in der Stadt niederzuschlagen.«
Sehr lange hatte Weskar dieses Gefühl nicht verspürt, doch nun fühlte er die Angst wie eiskalte Finger über seinen Rücken streicheln. »Aufstände?«
Unket nickte, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Die Menschen laufen auf den Straßen und rufen aus, der rechtmäßige Herrscher Sulakans würde bald zurückkehren.«
Weskar schlug aufgebracht eine Vase vom Sockel, die den Flur zierte. »Welcher Herrscher? Dayorkan ist tot und davor hat er seinen verräterischen Bruder beseitigt. Alle anderen Söhne des Königs sind ebenfalls tot.«
»Herr, sie sprechen von dem jüngsten Spross. Er soll überlebt haben.«
Die Welt verschwand für einige Sekunde vor seinen Augen, als er diese schloss. Er erinnerte sich nur allzu gut an den Knaben mit Renyas Blick. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er sich gewünscht den Jungen zu mögen. Doch jedes Mal hatte er den König in ihm gesehen, obwohl der Prinz vielmehr Renya aus dem Gesicht geschnitten war.
Unruhig ging Weskar weiter zu den Gärten vor seinen Gemächern. Er glaubte keine Luft zu bekommen. Berichte waren in den Palast vorgedrungen, denen zufolge Prinz Falukard in der offenen Wüste sein Ende gefunden hatte. Dayorkan hatte ihnen geglaubt und er hatte keinen Grund zu zweifeln gehabt, denn Renya war untröstlich gewesen.
Weskar schaute in den blauen Himmel, der immer dunkler wurde, da der Abend schnell über Sulakan hereinbrach. »Palun, wir verlassen die Stadt.«
Der junge Mann sah ihn überrascht an. »Herr?«
Bei all seinen Plänen hatte er eine Sache nicht bedacht. Er hatte nicht erwartet, dass die Bewohner Sulas sich gegen ihn wenden würden. Er hatte seine Flotte verloren und seine Wachen hatten gegen den wütenden Mob keine Chance, aber er würde den Krieg um die Herrschaft nicht verlieren. Sula war nur eine Stadt, er hatte Verbündete, die ihm dabei helfen würden, die Krone zurückzuerlangen. Und dann würde er...