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E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Oberbayern Krimi

Förg Markttreiben


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86358-026-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Oberbayern Krimi

ISBN: 978-3-86358-026-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



In Peiting ist Hollywood ausgebrochen, und die Marktgemeinde ist gespalten: Die einen sehen sich schon als neue Stars, die anderen wettern gegen das dünne Filmchen und die dummen Bayernklischees. Dann wird Leo Lang erwürgt aufgefunden, Mitglied beim Burschenverein und glühender Verehrer der Filmcrew. Er sollte das Equipment der Filmleute bewachen - noch die teuren Kameras sind weg. War es wirklich ein Raubmord? Kommissar Gerhard Weinzirl muss tief hinein - in einen geheimen Stollen im Ammertal, in die alten Zeiten der Hauer und Steiger im Peitinger Bergwerk und am tiefsten in den Sumpf fataler Affären in der so harmlos wirkenden Voralpen-Marktgemeinde. Mit dabei: die kühle Evi, die aufbrausende Jo und der ehemalige Kollege Baier im Unruhestand.

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ZWEI Was geschah? Der Stein trat aus dem Berge. Wer erwachte? Gerhard fuhr aus dem Schlaf hoch, er brauchte ein paar Sekunden, um die Stimme zu erkennen, die sagte: »Er sitzt im Foyer der Raiba, auf geht’s, Weinzirl. Sie sind gefragt.« Das war die Stimme von Baier, von seinem alten Kollegen und Vorgänger. Menschenskind, der gute Baier, wie oft hatte er ihn besuchen und in Baiers Hobbykeller mal wieder Bier und kubanischen Rum verkosten wollen. Aber er kam ja nicht mal dazu, Kontakte zu seinen engsten Freunden zu pflegen, sogar seine Vermieter nebenan sah er oft tagelang nicht. »Baier, altes Haus! Das freut mich ja.« »Schmarrn, Weinzirl. Das freut Sie nicht. Im Foyer, sag ich. Auf, auf!« »Baier …« Gerhard überlegte kurz, ob Baier womöglich senil wurde oder wunderlich oder beides. Er verwarf den Gedanken aber wieder. Selbst wenn der Rest der Welt dem Wahnsinn anheimfallen würde, Baier würde seine Klarsicht bewahren. Und sein brummiges Auftreten, hinter dem sich ein brillanter Beobachter und Kriminalist verbarg. »Baier«, hob er erneut an, »wer sitzt in welchem Foyer? Welcher Raiba?« »Na, der Tote. Er sitzt in Peiting im Foyer der Raiffeisenbank. Sind Sie besoffen? Oder noch nicht wach? Jetzt schwingen Sie die Hufe.« Zweierlei irritierte Gerhard: Baier sprach in ganzen Sätzen, was er selten tat, und »Schwingen Sie die Hufe« war so gar nicht sein Jargon. Gerhard sah auf die Uhr. Baier war ein Witzbold. Es war sechs, es war ja noch nicht mal richtig Tag. Außerdem war Sonntag. War das eine Zeit für Tote? Und was hatte Baier damit zu tun? Er nahm einfach mal an, dass Baier zwar nicht dem Wahnsinn anheimgefallen war, aber doch an seniler Bettflucht litt. Denn wenn da einer tot war, würde der kaum töter werden. Gerhard hatte keine Lust, wie ein Fernsehkommissar zu den unmöglichsten Zeiten durch die Nacht zu pilgern. Auch er hatte so was wie Dienstzeiten. Er sammelte sich langsam. Schwang die Beine zur Seite, während er versuchte, gleichzeitig das Handy festzuhalten. Es entglitt ihm. Er wand sich aus dem Bett; er war in dem Alter, wo der morgendliche Kreuzschmerz einen zu seltsamen Krabbeleien zwang, wo man seitwärts-auswärts robbte, weil das Kreuz energetisches Aufspringen sofort mit Höllenschmerz quittierte. Gut, er wollte sich schon länger mal ‘ne bessere Matratze kaufen; der uralte Futon, den er nie aufrollte, war ein Bandscheibenkiller. Er fummelte nach dem Handy, aus dem Baier plärrte. »Weinzirl? Weinzirl, sind Sie verstorben?« »Nein, ich komm ja schon.« »Gut, in zwanzig Minuten.« Baier war ein Witzbold! Sollte er fliegen? Gerhard unterließ alle weiteren Fragen. Was Baier da eigentlich zu suchen habe. Ob denn keine Kollegen vor Ort seien. Was ein Toter in einer Bank mache. Das würde sich später klären, einen Baier ließ man nicht warten. Früher nicht und heute auch nicht. Gerhard schöpfte sich kaltes Wasser ins Gesicht, zog Jeans und T-Shirt an, stürzte zurück ins Bad, wo er schnell noch mit dem Deostick unter dem T-Shirt rumfuhrwerkte. Er griff sich eine Jacke und stolperte über Seppi, der ihn verschlafen ansah. Sein Blick war unmissverständlich: Spinnst du, weißt du, wie spät es ist? »Kumpel, ich weiß, du brauchst deinen Schönheitsschlaf, kannst du nachher selber aufs Klo gehen?« Wieder ein Mitleidsblick, der besagte: Ich bin schon groß, ich kann allein Pipi. »Guter Bursche!« Gerhard stürzte über die Terrasse nach draußen. Seppi hob kurz den Kopf und sank dann mit einem Grunzen in sich zusammen. Gerhard grinste. Mit diesem Hund hatte er das große Los gezogen. Seppi, eigentlich Sir Sebastian, war kein Kleber, der nicht allein bleiben konnte. Im Gegenteil: Der Irish-Wolfhound-Rüde war ein unabhängiger Geist, der gerne mal allein auf der Terrasse saß und ins Land einiblickte. Er spielte auch begeistert mit dem Hund der Vermieter, drehte seine Runden in deren schier endlosem Areal und hatte keinerlei Ambitionen, zu jagen. Es war eher so, als schreite er nachdenklich durch seine Ländereien. In seinen Augen lag eine Spur des Unergründlichen, sein schräg gelegter Kopf machte aus dem Hund den Philosophen. Auch Gerhards Angst, dass er auf die Straße hinausstürmen könnte, hatte sich als unbegründet erwiesen: Er mied sie wie der Vampir das Licht oder den Knoblauch. Wilhelmine hatte ihm erzählt, dass er in Rumänien mal angefahren worden war, das hatte er sich wohl gemerkt. Wilhelmine, erst gestern hatte er mit ihr telefoniert. Wilhelmine, seine schöne Bekannte aus Bras¸ov. Sein Magen machte ein kleines Hüpferchen, ein anderes Teil auch … Das kam ihm alles vor, als wäre es Ewigkeiten her, dabei war es letzten Winter gewesen. Natürlich wollte er Wilhelmine besuchen, und natürlich hatte er sie eingeladen. Aber sie konnte sich das Ticket nicht leisten, und von ihm hätte sie nie ein Geschenk angenommen. Er hatte ihr sogar angeboten, dann eben kein Flugticket zu kaufen, sondern eins für den abenteuerlichen Bus, der von Rumänien nach Fröttmaning fuhr. Ein kalter, zugiger Busbahnhof in Münchens Norden, der nicht mal eine vernünftige Wartehalle oder etwas Gastronomisches dabeihatte. Und da stand man dann allein im Wind, und auf einmal kamen Autos von Abholern, und auf einmal kam auch der Bus relativ pünktlich, wo er doch fünfundzwanzig Stunden unterwegs gewesen war. Gerhard hatte mal einen Kumpel abgeholt – über Fröttmaning lag etwas Frustrierendes, da half die Allianz Arena nebenan auch nichts. Na ja, und Fußballergebnisse hatten ja auch oft was Frustrierendes. Inzwischen durchfuhr er die gesperrte Straße Am Hahnenbühel. Nebel stieg aus den Wiesen, Herbstboten vor der Zeit und Ergebnis der Gewitterschauer, die an den Abenden aufkamen. Am Flugplatz stand wie immer das Wasser auf der Straße, an der Moosmühle glotzten ihn ein paar Kühe an, und in Fendt standen wie immer die Kaltblüter auf der Weide. Bei jedem Wetter, ohne Unterstand, Gerhard fragte sich jedes Mal, ob die bei Platzregen oder sengender Sonne nicht lieber in einem Stall wären. Auch in Peißenberg war es noch still; ein, zwei Autos kamen ihm entgegen. Es schlug genau Viertel vor sieben, als Gerhard in Peiting vor der Raiffeisenbank parkte. Da war allerdings einiges los: ein Polizeiwagen, erste Glotzer, zwei Burschen in Trachtenornat und mit starrem Blick. Als er an ihnen vorbeiging, roch er den Alkohol, der sie streng umwehte. So als wolle der Dunst sie nicht loslassen. Und da war Baier. »Gut schauen Sie aus, Baier«, sagte Gerhard. »Sie nicht«, antwortete Baier und machte lediglich eine Kopfbewegung in Richtung Tür. Gerhard grüßte die beiden Schongauer Kollegen, die am Fuße der Treppe standen, ging hinauf, Baier hinter ihm. Er betrat den Raum und sah sich um. Rechts ein knallroter Postkasten von allgäu mail, was immer das war. Er kannte nur die gute alte gelbe Post, die sich nach und nach aus den Städten geschlichen hatte und nun gerne in Getränkemärkten unterkroch. Es gab ein paar Aufsteller, einige Poster an den Wänden. Gerhard registrierte, dass die Tür unentwegt auf- und zuging. Er trat weiter in den Raum, vor ihm schirmte ein halbhoher Paravent den Geldautomaten ab. Zumindest nahm Gerhard an, dass sich der Automat da verbarg und damit die Milliardentransaktionen verdeckte, die der Peitinger so durchführte. Baier machte wieder eine Kopfbewegung, Gerhard umrundete die Holzbalustrade. Zwischen Geldautomat und Holzwand hing ein Mann. Vor ihm stand ein leerer Bierkasten. Eine Flasche schien seiner Hand entglitten zu sein und schwamm in einer Pfütze. Man hätte meinen können, der Typ wäre im Alkoholdelirium, was angesichts der Biermenge ja nicht unwahrscheinlich war. Wäre da nicht an seiner Kehle eine ungute Färbung gewesen. Ein blutunterlaufener Ring umgab seinen Hals. Gerhard beugte sich hinunter. Der Typ roch ebenfalls sehr ungut, nach Alkohol und angetrockneter Kotze, die sein Hemd und die selbst gestickten Hosenträger befleckte. Er war erwürgt worden, keine Frage. Die Male ließen auf dünnen Draht schließen oder etwas Ähnliches. So wie er da in sich hineingesackt war, schien er auch wenig Gegenwehr geleistet zu haben. Kein Wunder bei dem ganzen Alk! »An Derwürgten hatten wir schon länger nicht mehr«, brummte Baier. »Den letzten, kurz nachdem Sie hier aufgeschlagen sind, Weinzirl. Der Schnitzer am Döttenbichl.« Der Schnitzer, ja. Der Viergesang, alle viere tot. Ein atonales Ende für die einst so harmonischen Sänger. Das war Gerhards erste Begegnung mit dem Oberland und seinen neuen Kollegen gewesen. Sein erster Fall, und in der Rückschau war das sein liebster gewesen. Wenn man bei Mord und Totschlag überhaupt Wertungen abgeben konnte. Aber vor vier Jahren hatte er Baier schätzen gelernt und den Mann leider an dessen Rentnerdasein verloren. Baier fehlte ihm, das traf ihn für den Moment wie ein Hammerschlag. Weil er seit Baiers Weggang einfach von zu vielen Weibern umgeben war, weil er keinen zum gemeinsamen Schweigen hatte. Generell waren ihm tote Männer lieber, tote Frauen oder gar tote Kinder erschütterten sein sonst relativ unerschütterliches Gemüt. Der hier war eindeutig ein Mann, ein übergewichtiger, gewamperter Typ, den der Erstickungstod ziemlich entstellt hatte. Allerdings wäre er ohne das Aufgedunsene wohl auch keine Schönheit gewesen. Gerhard richtete sich auf. »Okay, Baier, dieser Kamerad hier ist tot. Derwürgt, ohne Zweifel. Was macht er hier? Was machen Sie hier? Was haben Sie damit zu tun?« »Erste Frage: Er war der Wächter. Zweite Frage: Der Winnie hat mich geholt. Dritte Frage: Ich bin überall, wo ich gebraucht werde.« Er lachte trocken auf. Gerhard atmete tief durch. Es war kurz vor sieben Uhr. Da hing...


Nicola Förg ist im Oberallgäu aufgewachsen und studierte in München Germanistik und Geographie. Sie lebt mit fünf Pferden, drei Kaninchen und einer wechselnden Zahl von Katzen in einem vierhundert Jahre alten denkmalgeschützten Bauernhaus im Ammertal. Als Reise-, Berg-, Ski- und Pferdejournalistin ist ihr das Basis und Heimat, als Autorin Inspiration, denn hinter der Geranienpracht gibt es viele Gründe zu morden - zumindest literarisch.



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