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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Fofi Was gut war

Alexander Langers Vermächtnis
1. Auflage 2025
ISBN: 978-88-7223-450-1
Verlag: Alphabeta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Alexander Langers Vermächtnis

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-88-7223-450-1
Verlag: Alphabeta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alexander Langer (1946-1995) war der Gründer der italienischen Grünen, ein visionärer Intellektueller, Menschenrechtsaktivist, Wegbereiter des Umweltschutzes auf europäischer Ebene und überzeugter Verfechter des friedlichen Zusammenlebens der Völker. Goffredo Fofi zeichnet Langers politische und menschliche Geschichte zwischen Utopien und Widersprüchen nach. Er zeigt auch, was von Langers zivilem Engagement übrig ist, welche seiner Leitsätze noch heute Bestand haben. » umfassender Blick auf Langers Lebenswerk 30 Jahre nach seinem Tod » Nachworte von Soziologe Peter Kammerer und Journalist Gad Lerner » Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit, Wegbegleiter Langers im EU-Parlament

Goffredo Fofi, geboren 1937, Essayist, Journalist, Film-, Literatur- und Theaterkritiker, ist einer der maßgeblichen Intellektuellen Italiens und eine laute Stimme des zivilen Ungehorsams. Als redaktioneller Berater schreibt er auch im hohen Alter für verschiedene Zeitungen und setzt seine unermüdliche Tätigkeit als politischer Beobachter und Kulturförderer fort.
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Eine besondere Art des Menschseins
Giorgio Mezzalira


Giorgio Mezzalira (* Padua, 1954), Historiker, ist Gründungsmitglied der Forschungsgruppe Geschichte und Region / Storia e Regione (die die gleichnamige Zeitschrift herausgibt), Präsident des Lenkungsausschusses der Fondazione Museo storico del Trentino, Co-Kurator des Alexander Langer Archivs der Fondazione Alexander Langer Stiftung und Mitglied des wissenschaftlichen Ausschusses der Zeitschrift »Qualestoria« in Triest. Er kann auf wissenschaftliche Kooperationen mit Universitäten, Museen, Forschungsinstituten und verschiedenen öffentlichen Einrichtungen verweisen und ist Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts im regionalen Kontext, darunter Trentino, Alto Adige, Sudtirolo. Tre sguardi, una storia (mit M. Marcantoni und G. Postal, IASA, 2024) und La Regione Trentino-Alto Adige/Südtirol nel XX secolo, vol. IV: Espressioni e forme di identità culturali (mit Q. Antonelli, J. Berghold und C. Poppi, Fondazione Museo storico del Trentino, 2024). Vor Kurzem sind von ihm erschienen: Der identitäre Rausch. Rechtsextremismus in Südtirol / Ubriacatura identitaria. L’estrema destra in Alto Adige (mit G. Pallaver, Edition Raetia, 2019) und La difesa dell’italianità. L’Ufficio per le zone di confine a Bolzano, Trento e Trieste (1945–1954) (mit D. D’Amelio und A. Di Michele, il Mulino, 2015). Für den Edizioni Alphabeta Verlag gab er zusammen mit Siegfried Baur den Band von Alexander Langer Südtirol ABC Sudtirolo (2015) heraus.

Ich möchte bitten, dass mein Diskussionsbeitrag als Beitrag eines Privatmannes und nicht einer Organisation gesehen wird. Ich selber werde mich bemühen, so wenig wie möglich polemisch zu werden, um nicht allzu sehr die Meinung einer Kulturrevolution in Südtirol hervorzurufen, auch um nicht auf der Gegenseite entsprechende negative Reaktionen noch mehr zu provozieren. Aber ich glaube, dass wir uns doch, gerade heute bei dieser Gelegenheit und in Aussicht auf die Eröffnung des sogenannten „Haus der Kultur“, erstens einmal fragen sollten, was überhaupt Kultur ist.

Dies ist der Auftakt zu einer Rede des gerade mal zwanzig Jahre alten Alexander Langer im April 1967 kurz vor der Einweihung des „Hauses der Kultur“ in Bozen. Dort sollte die deutsche Kultur Südtirols im Zeichen der Tradition und im Rahmen des offiziellen Denkens gewahrt und gepflegt werden. Zwar gehörte Alexander Langer dem Vorstand der Südtiroler Hochschülerschaft an, die zusammen mit anderen Jugendgruppen diese öffentliche Kundgebung organisiert und ein Manifest mit einem Aufruf an die Jugend verfasst hatte, sich für einen Wandel und Ein neues Denken in Südtirol einzusetzen.1 Doch hier sprach Alex nur in eigenem Namen. Er tat dies als David gegen Goliath und forderte damit die politischkulturellen Institutionen heraus, den Anliegen junger Südtiroler echtes Gehör zu schenken. Er beanspruchte sein Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit, den eigenen Dissens gegenüber Autoritäten zu äußern, die jungen Leuten und ihrem Drang nach Erneuerung keine Beachtung schenkten und Kultur zuallererst als Rüstzeug zum Schutz der eigenen Identität begriffen. Dabei stand er für den Auftritt einer neuen Subjektivität, die in der Lage war, individuelle Verantwortung, Freiheit und den Willen zur Teilhabe zum Ausdruck zu bringen. Und welchen Wert Alexander einem solchen Zeugnis beimaß, lässt sich an seinem Leben ablesen, das er ganz in den Dienst einer Botschaft, einer Wahrheit, einer Überzeugung stellte. Ein Engagement, das sich durchaus mit einem Heilsauftrag vergleichen lässt:

Ja, ich habe mich als „Avantgarde“ gefühlt und habe danach gehandelt. Auf vielfältige Weise dachte ich (und denke es vage vielleicht noch heute), die Leiden dieser Welt auf mich nehmen, „retten“, „aufklären“ zu müssen. Ich versuche gerade, dieses unglückselige Bewusstsein zu überwinden in der Hoffnung, dass es mir selber dann besser geht, weniger Schaden anzurichten und die Eigenständigkeit der anderen eher zu fördern. Ich will nicht abstreiten, dass ich es oft als angenehm und befriedigend empfunden habe, scharfes Bewusstsein und Klarheit zu verspüren, wo andere mir taub und blind vorkamen. Aber je mehr ich als „Avantgarde“ gehandelt habe, desto weniger gingen die Auswirkungen meines Tuns in die Tiefe. Heute ziehe ich dem avantgardistischen Handeln eher die individuelle Bezeugung vor, die Verweigerung aus Gewissensgründen, wenn ich meine, etwas machen zu müssen, was andere nicht sehen, in der Hoffnung, dass dies bei anderen Menschen eigenständige Wirkungen auslöst.2

Wenn man eine Erklärung sucht, wie Langer schon in seiner Jugend das eigene Menschsein sah, lässt sie sich am ehesten in der Redewendung vom „Handwerk des Menschseins“ finden. In seinen Jugendschriften taucht dieser Ausdruck zwar nicht auf, aber dort, wo Alex vom Menschsein3 spricht, bezieht er sich nicht auf ein abstraktes Konzept, sondern auf ein Menschsein im Sinne einer Praxis, stets die eigene Menschlichkeit einzubringen, zu tun, was richtig und gut ist, das Leben engagiert, aufrichtig und verantwortungsbewusst anzugehen – lauter Aspekte jener starken humanistischen Spannung, die das Handeln, auch das politische, von Alexander prägte.

Das Leben war für ihn kein instinktives Handwerk, es erforderte tägliche Übung, Anstrengung und Hingabe. Ein Beleg dafür findet sich in einem Brief von 1966, als Langer noch die Zeitschrift »Offenes Wort« betreute, die er zusammen mit Mitschülern der Marianischen Kongregation am Franziskanergymnasium in Bozen gegründet hatte. Dabei handelte es sich um eine Art Rundschreiben, das in einem Freundeskreis von Südtirolern italienischer und deutscher Sprache verteilt wurde, die für Themen rund um die Erneuerung der Kirche ein offenes Ohr hatten. Die Titelzeile lautete Schriftlesungsplan für einen Monat aus dem neuen Testament, es folgten drei dichtbeschriebene Blätter spiritueller Exerzitien in einer wohlüberlegten Auswahl von Bibelzitaten, die täglich zu lesen waren; gewissermaßen eine Aufforderung zur inneren Disziplin, gleichzeitig aber eine Möglichkeit, Gedanken und Überlegungen mit anderen zu teilen.

Das Handwerk des Menschseins war für Langer keine einsame Suche, sondern ein Anreiz, Brücken zu anderen zu schlagen, sich in der gesellschaftlichen Veränderung zu engagieren und mit Mitgefühl zu leben. Wir wissen nicht, ob Alexander sich je mit den Werken und dem Denken von Albert Camus befasst hat, zumindest teilte er dessen Auffassung, dass Mensch zu sein ein schwieriges Handwerk ist, das Verantwortung, Engagement und Auflehnung gegen Ungerechtigkeiten erfordert. Beide betrachteten menschliches Handeln als etwas, das nicht von starren Ideologien gelenkt werden sollte, sondern von einer Ethik, die sich der jeweiligen Lage und den Bedürfnissen anderer anzupassen weiß.

Zwischen den Zeilen von Langers Äußerungen als Jugendlichem stößt man auf weitere Kerngedanken, die helfen, seine Persönlichkeit zu verstehen. In seinen Überlegungen zum Niedergang „des Paternalismus, des Autoritätsglaubens, des passiven Hinnehmens der Erfahrungen und Vorschriften anderer, des ‚Erleidens‘ der Obrigkeit und der Delegierung von Macht und Verantwortung an andere und ohne Kontrolle“4 bekräftigte Alex, es komme darauf an, den sich vollziehenden Wandel zu begreifen und Protagonisten zu sein. Dabei könne man sich den Idealismus zunutze machen, den oft gerade junge Menschen aufbrächten. Dazu sei es erforderlich, die Zeichen der Zeit zu erkennen: „Nur wer die ‚Zeichen der Zeit‘ zu lesen und zu deuten versteht, kann sich, seine Mitmenschen und unsere Welt heute verstehen, begreifen und auf sie in zeitgemäßer Weise einwirken.“5

Genau. Wenn es in der Entwicklung von Langers Denken und seines In-der-Geschichte-Seins ein charakteristisches Merkmal gibt, so ist dies sein unermüdliches Bemühen um ein Verständnis der Gegenwart und ihrer Entwicklungslinien. Die ihm von vielen zuerkannte prophetische Vision auf die großen Themen des ausgehenden 20. Jahrhunderts – von der Umwelt bis hin zum Zusammenleben unterschiedlicher Menschengruppen – ist lediglich das Ergebnis dieser seiner Haltung. Von den ethnischen Auseinandersetzungen in seinem Südtirol bis zu den Kämpfen der 68er-Bewegungen, vom Umweltschutz bis zum Krieg im damaligen Jugoslawien, also innerhalb der kleineren wie größeren Zäsuren der jüngsten Geschichte hat ihn sein In-der-Gegenwart-Sein quasi dagegen immunisiert, sich von den -ismen und ihrer Neigung, die Wirklichkeit in die strengen Schemata der Ideologien zu pressen, umgarnen zu lassen. Der kritische Blick auf die Erfahrungen der außerparlamentarischen Linken, in der er sich als einer der führenden Köpfe engagierte, sowie die Abdrift in die Gewalt der Siebzigerjahre veranlassten Alexander zu der Feststellung, das Scheitern der revolutionären...


Fofi, Goffredo
Goffredo Fofi, geboren 1937, Essayist, Journalist, Film-, Literatur- und Theaterkritiker, ist einer der maßgeblichen Intellektuellen Italiens und eine laute Stimme des zivilen Ungehorsams. Als redaktioneller Berater schreibt er auch im hohen Alter für verschiedene Zeitungen und setzt seine unermüdliche Tätigkeit als politischer Beobachter und Kulturförderer fort.

Goffredo Fofi, geboren 1937, Essayist, Journalist, Film-, Literatur- und Theaterkritiker, ist einer der maßgeblichen Intellektuellen Italiens und eine laute Stimme des zivilen Ungehorsams. Als redaktioneller Berater schreibt er auch im hohen Alter für verschiedene Zeitungen und setzt seine unermüdliche Tätigkeit als politischer Beobachter und Kulturförderer fort.



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