E-Book, Deutsch, Band 319, 256 Seiten
Reihe: Historical
Francis Verliebt in den Günstling der Krone
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7337-6403-6
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 319, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6403-6
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
England, 1526. Nie hat Rebecca den fantasievollen, betörend attraktiven Nachbarsjungen Phillip Hurst vergessen, den es mit aller Macht zur Bühne zog. Von Ferne verfolgte die junge Witwe seine Schauspielkarriere und träumte nachts von seinen Küssen. Als er plötzlich nach Jahren leibhaftig vor ihr steht, unwiderstehlicher denn je, weist sie ihn dennoch ab - sie weiß, wie die Damen bei Hofe sich um ihn drängen, und will sich nicht das Herz brechen lassen. Doch dann zwingt eine gefährliche Familienintrige sie, ein Stück mit Phillips Truppe zu reisen, und während sie sich von Tag zu Tag mehr zu ihm hingezogen fühlt, spürt sie, dass er es ehrlich mit ihr meint. Aber sind seine Gefühle tief genug, um für Rebecca auf das unstete, aufregende Künstlerleben zu verzichten?
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1. KAPITEL
Oxfordshire, September 1526
Rebecca lehnte sich an einen Baumstamm und biss in einen Apfel, ohne dabei den Blick von den Schauspielern auf der Wiese abzuwenden. Sie stand ein wenig abseits von den anderen Zuschauern, die jetzt laut auflachten, weil der Mann, der ein altes Weib darstellte, eine derbe Bemerkung gemacht hatte.
Das lustige Theaterstück weckte Erinnerungen an ihre Kindheit, insbesondere an einen bestimmten Tag, den sie auf der Schiffswerft in Deptford an der Themse verbracht hatte. Damals hatte man ihren Vater als Zimmermann auf der Hurst-Werft angestellt, wo ein Schiff gebaut wurde, das Henry VIII in Auftrag gegeben hatte, um seine Kriegsflotte zu vergrößern.
Seit sie acht Jahre alt war, hatte ihr Vater sie jedem Sommer mitgenommen nach Deptford. Rebecca hielt sich gern dort auf, was zweifellos auch mit Phillip Hurst, genannt Pip, zu tun hatte.
In jenem Sommer, sie zählte inzwischen vierzehn Jahre, war sie am liebsten im Hintergrund geblieben, um Pip unauffällig bei der Arbeit beobachten zu können. Eine Mischung aus Vergnügen und Schuldgefühlen hatte sie damals erfüllt, an die sie sich jetzt plötzlich genau erinnerte. Pip war der jüngste der Hurst-Brüder. Kraftvoll hatte er unter der Anleitung seines Vaters einen Hammer geschwungen. Die Anspannung seiner Arm- und Rückenmuskeln war deutlich zu sehen gewesen, und Schweiß hatte sein blondes Haar dunkler gefärbt.
Trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit war sie fasziniert gewesen. Er sah nicht nur unverschämt gut aus, sondern verfügte noch über andere Vorzüge. Wenn er es darauf anlegte, war er wortgewandt genug, um sich gewisse Vorteile zu verschaffen. Seine wohlklingende Stimme hatte ihr Herz schneller schlagen lassen. So hingerissen war sie von Pip gewesen, dass sie ihn wochenlang kaum aus den Augen gelassen hatte.
Das war nun zehn Jahre her. Wie jung und wie leicht zu beeindrucken war sie damals gewesen! Ach, jene Zeit liegt lange zurück, dachte Rebecca traurig.
Warum gestattete sie ihren Gedanken überhaupt, so abzuschweifen? Gerade hatte sie tatsächlich eine Bemerkung verpasst, die die Zuschauer sehr erheitert hatte. Sie wollte sich auf das Stück konzentrieren, denn schließlich war sie nur in Witney geblieben, um sich an der Aufführung zu erfreuen. Viel zu selten hielt das Leben eine so gute Unterhaltung bereit. Es wäre dumm gewesen, darauf zu verzichten.
Und dann war das Stück auch schon zu Ende. Die Schauspieler verbeugten sich. Der Mann, der das alte Weib gespielt hatte, schaute zu ihr hin und zwinkerte ihr dreist zu. Sie errötete und wandte den Blick ab.
Bald würde das Fest mit neuen Attraktionen weitergehen. Verschiedene Leckerbissen warteten darauf, verspeist zu werden. Aber Rebecca konnte und wollte nicht länger in Witney bleiben. Sie musste vor Einbruch der Dunkelheit Minster Draymore erreichen. Zum Glück lag das Dorf nicht allzu weit entfernt.
Rebecca hatte gerade die Kirche Saint Mary’s hinter sich gelassen, als sie hörte, wie jemand ein wenig atemlos ihren Namen rief. Beinahe im gleichen Moment griff jemand nach ihrer Schulter und hielt sie fest. Erschrocken fuhr sie herum – und starrte in ein Paar saphirblaue, mit Kajal umrandete Augen.
„Becky Mortimer! Bei allen Heiligen, du bist es tatsächlich!“
Es war eindeutig die Stimme eines Mannes. Und obwohl Rebecca das vage Gefühl hatte, ihn zu kennen, verspürte sie so große Angst, dass sie kein Wort über die Lippen brachte.
„Was ist los, Becky? Erkennst du mich nicht?“ Er zog die Perücke vom Kopf, und feuchtes blondes Haar kam zum Vorschein.
Ihre Angst verflog, und fasziniert beobachtete Rebecca, wie er die Perücke unter den Umhang schob, den er sich über den Arm geworfen hatte. „Erinnerst du dich jetzt an mich?“, fragte er sanft.
„Pip … Pip Hurst“, krächzte sie.
„Ja.“ Er nickte. „Als ich dich fortgehen sah, spürte ich, dass ich unbedingt mit dir reden wollte.“
Schlagartig war die alte Vertrautheit wieder da. Aber auch eine gewisse Vorsicht. „Es wundert mich, dass du mich nach all den Jahren überhaupt erkannt hast. Ich denke, ich habe mich ziemlich verändert“, stellte Rebecca fest.
„Das hast du tatsächlich.“ Pip musterte ihr Gesicht, ihren schlanken Hals, den fein geschwungenen Nacken und schließlich ihre Brüste, die sich deutlich unter dem Mieder abzeichneten. „Du bist zu einer richtigen Frau geworden.“
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und erklärte spröde: „Alles andere wäre sehr seltsam, Pip. Schließlich bin ich inzwischen genau wie du vierundzwanzig Jahre alt. Du hast dich äußerlich ebenfalls verändert. Die Gewohnheit, mich in Verlegenheit zu bringen, hast du allerdings nicht abgelegt.“
Er lachte, wurde aber rasch wieder ernst. „Du wirkst überhaupt nicht verlegen. Und ich habe niemals vergessen, dass du das hübscheste Mädchen warst, dem ich je begegnet bin.“
„Du willst mir schmeicheln, genau wie damals.“
„Ich sage nur die Wahrheit.“
Seine Worte klangen so ehrlich, dass ihr Herz einen Sprung machte. Noch einmal rief sie sich jene lang vergangene Zeit in Erinnerung. Eine besondere Episode fiel ihr ein. Und plötzlich war es, als sei all das erst gestern geschehen.
„Ich weiß noch, wie du einmal vor den Werftarbeitern in der Mittagspause deine persönliche Version der Geschichte von Robin Hood zum Besten gegeben hast“, sagte Rebecca. „Du hast verschiedene Rollen übernommen und mit verstellter Stimme gesprochen. Alle haben sich köstlich amüsiert.“
„Schön, dass du ein wenig Spaß an meiner Erzählung hattest. Denn du warst ein viel zu ernstes Kind“, erwiderte Phillip.
„Ich glaubte, ich hätte einen Grund, mir Sorgen zu machen“, erklärte sie. „Erinnerst du dich, dass der König zu Besuch auf der Werft erwartet wurde? Henry hatte alle Geschichten über Robin Hood verbieten lassen. Denn er und die Adligen fürchteten, die einfachen Leute würden sich womöglich ein Beispiel an Robin und seinen Mannen nehmen und die Reichen berauben, um den Armen zu helfen.“
„Niemand kann verhindern, dass eine gute Geschichte wieder und wieder erzählt wird, selbst der König nicht“, stellte Phillip fest. „Aber ich weiß noch, dass dir das Ende meiner Erzählung nicht gefiel.“
Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. „Du hast mich aufgefordert, ehrlich zu sein, wenn ich etwas zu kritisieren hätte.“
„Allerdings. Denn ich war dumm genug zu glauben, du würdest mir gegenüber Nachsicht zeigen.“ Seine Miene drückte Bedauern aus, und sein Blick ruhte so intensiv auf ihrem Gesicht, als hoffe er, ihre Gedanken lesen zu können.
Sie hatte nicht vergessen, dass sie in jenem Sommer das Gefühl gehabt hatte, er könnte mit einem Blick tief in ihre Seele eindringen. Wenn er sie damals so anschaute, war sie nicht mehr in der Lage gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Meine Kritik war nicht unfair“, stellte sie steif fest.
Er kreuzte die Arme vor der Brust. „Zuerst hast du gestammelt, dass du an meinem Talent als Geschichtenerzähler nichts auszusetzen hast. Und dann hast du hinzugesetzt: ‚Aber das Ende der Geschichte war unglaubwürdig‘.“
„Du hast mich genauso angesehen wie jetzt und mir heftig widersprochen.“
„Woraufhin du empört gerufen hast: ‚Aber im wirklichen Leben geschieht so etwas nicht‘.“
Phillip hatte ihre Stimme so gut imitiert, dass Rebecca noch mehr errötete. „Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Wie hätte ich ahnen können, dass du dich darüber so aufregen würdest!“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Du hast mir vorgeworfen, ich wolle, dass die Geschichte tragisch ausgeht. Dann hast du ein Ende erfunden, bei dem Robin im Kerker stirbt und Maid Marian vom Sheriff of Nottingham Gewalt angetan wird.“
„Es tut mir leid, wenn ich dich damals aus der Fassung gebracht habe, Becky.“
Ihre Freude über diese unerwartete Entschuldigung war von kurzer Dauer. Denn Phillip machte sie gleich wieder zunichte, indem er sagte: „Gib zu, Becky, dass du erst zufrieden gewesen wärst, wenn Robin zumindest auf einen Kreuzzug gegangen und gefallen wäre. Maid Marian hätte dann den Schleier genommen und den Rest ihres Lebens hinter Klostermauern verbracht. Dir fehlte einfach das Vertrauen in uns Männer. Nicht einmal unserem Helden Robin Hood hast du zugetraut, dass er verantwortungsvoll für seine Liebste sorgen und sie glücklich machen würde.“
Rebecca wusste, dass er sie nur necken wollte, aber aus irgendeinem Grund konnte sie auf seinen leichten Ton nicht eingehen. „Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es im wahren Leben nur sehr wenige echte Helden gibt. Allerdings muss ich dein gutes Gedächtnis loben, Pip.“
„Wer Theater spielt, braucht schon deshalb ein gutes Gedächtnis, weil er sich seinen Text merken muss“, gab er zurück.
„Hm … Du kannst dich glücklich schätzen, weil du deinen Traum verwirklichen und Schauspieler werden konntest. Ich weiß noch, wie sehr du die Arbeit auf der Werft verabscheut hast.“
Noch immer schaute er sie an. „Und ich weiß noch, wie sehr du die Männer auf der Werft angehimmelt hast. Besonders meinen Bruder Nicholas. Du bist vor Bewunderung errötet, wenn er dir auch nur zunickte.“
„Ganz bestimmt nicht!“, widersprach sie. „Er ist mir nur deshalb aufgefallen, weil er beabsichtigte, die Werft zu verlassen, um auf Forschungsreise zu gehen – was er ja auch getan hat.“ Rebecca fand, dass es an der Zeit sei, die Unterhaltung zu beenden. Also verabschiedete sie sich von Phillip und ging weiter.
„Sag die Wahrheit!“, rief...




