Frank / edition | Cervantes | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 356 Seiten

Frank / edition Cervantes

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8334-9813-8
Verlag: BoD E-Short
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)

E-Book, Deutsch, 356 Seiten

ISBN: 978-3-8334-9813-8
Verlag: BoD E-Short
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In dem biografischen Roman "Cervantes", seinem bedeutendsten Werk, beschreibt Bruno Frank die wichtigsten Stationen im Leben von Spaniens Nationaldichter Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616), des Verfassers von "Don Quijote". Die Erzählung zeichnet sich durch einen großartigen Stil, eine inhaltliche Tiefe und eine sprachliche Meisterschaft aus, die ihresgleichen suchen Wie bei allen Werken der ofd edition wurde die ursprüngliche Druckfassung nicht automatisiert kopiert, sondern sorgfältig neu editiert und der aktuellen Rechtschreibung angepasst - die bessere Lesbarkeit und Gestaltung verhelfen so zu einem ungetrübten Lesegenuss. Eine Einführung erläutert den historischen Hintergrund und Interpretationsansätze. "Bruno Frank hat eine der schönsten literarischen Biografien überhaupt geschrieben. Nur weiß das leider kaum jemand." Die Zeit

Der in Stuttgart geborene Schriftsteller Bruno Frank (1887 - 1945) verfasste zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Bühnenstücke, die das kulturelle Leben in der Weimarer Republik beeinflussten. Bruno Frank starb am 20. Juni 1945 im Exil in Beverly Hills, Kalifornien.

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Audienz

Es gab in Madrid keine Kutschen. Der Kardinal-Legat musste zur Audienz reiten. Man hatte ein weißes Maultier für ihn aufgetrieben, darauf saß er seitlich, nach Art der Frauen, das leuchtende Gewand lang hinabwallend. Es regnete fein und eisig auf seinen flachen Purpurhut. Der alte Fabio Fumagalli, Kanonikus von Sankt Peter, führte sein Reittier am Zügel. Hinterdrein und zur Seite stapften die Leute seines Gefolges im Schmutz, drei Kleriker minderen Ranges und mehrere Bediente, alle unheiteren Gesichts niederschauend auf ihre Strümpfe, die kotig wurden bis über die Waden. Die geistlichen Herren hielten mit beiden Händen ihre Röcke hoch wie Bauernweiber und gedachten der schön gepflasterten römischen Promenaden.
Es war eine seltsame Hauptstadt, nach der sie da entsandt worden waren. Einen Marktflecken, nichts anderes, hatte sich dieser König zur Residenz ausgesucht. Wenn 15000 Christenmenschen hier beieinander hausten, war es viel. Die Häuser waren fast alle aus Lehm, einstöckig, so niedrig, dass der Kardinal auf seinem Maultier mühelos hätte die Dächer berühren können. Dies war die Hauptstadt der halben Welt. Von diesem Schmutznest aus wurde Spanien regiert, Burgund, Lothringen, Brabant, Flandern, und die fabelhaften Goldreiche überm Weltmeer. Von hier aus empfingen in Neapel, Sizilien und Mailand spanische Vizekönige ihre Weisungen. Gegen den Herrscher, der hier sich gefiel, hielten sich mühsam noch aufrecht der König von Frankreich, die Republik Venedig und der Staat des Heiligen Vaters. In Tracht und Sitte war Spanisch Weltmode; von hier ging sie aus.
Die spärlichen Passanten im Novemberregen beugten das Knie vor dem Reiter im Fürstenkleid. Die zu ihm aufschauten, blickten betroffen. Da ritt ein Knabe. Ein schmales, blasses, kränkliches Gesicht schimmerte unter dem Purpurrand.
Der Kardinal Giulio Aquaviva war 22 Jahre alt. Der Papst hatte ihn hergeschickt, um sein Beileid zum Tode des Thronfolgers Don Carlos zu überbringen, eine sehr besondere Mission, denn niemand zweifelte daran, dass hier der Vater dem Sohn zum Sterben verholfen hatte.
Beinahe einen Monat war die Delegation unterwegs gewesen von Rom nach Madrid. Das Meer war stürmisch, allenthalben kreuzten die Raubschiffe der Barbaresken. Die geistlichen Herren gingen halbtot an Land. Ein Aufenthalt ohne Bequemlichkeit erwartete sie. Der Kardinal-Legat saß die Nächte durch aufrecht in seinem nassen harten Bett in der Madrider Nuntiatur und hustete.
Während der langen, entsetzlichen Seefahrt hatte sein Kommen noch einen weiteren finsteren Sinn bekommen. Auch zum Tode der Königin konnte er nun gleich mitkondolieren. Die schöne, sanfte Elisabeth von Frankreich war nur 25 Jahre alt geworden. Nach den Marien von Portugal und von England war sie die dritte Tote in Philipps Ehebett. Was seine Hand berührte, das welkte und ging.
Vorwand genug nun also für die Reise. Denn ihr geheimer und eigentlicher Zweck war ein anderer. Zwischen dem Allerkatholischsten König, Schild des Glaubens, Richtschwert der Ketzer, und dem Vatikan herrschte Zwist. Der Sohn Karls des Fünften lag im Staub vor Gott und der reinen Lehre, keineswegs vor dem Papst. „Für Spanien gibt es keinen Papst“, hatte der Präsident seines Rates in öffentlicher Sitzung gesagt... Der 22jährige kranke Herr war Träger sehr ernster Botschaften.
Denn der ständige Nuntius hatte gar nichts erreicht. Audienzen wurden ihm selten gewährt, stets von neuem verwies man ihn auf den schriftlichen Weg. König Philipp liebte den schriftlichen Weg. Leise und zäh hauste er unter Papieren. So sparsam er sprach, so gern, so methodisch schrieb er. Das Gebet und die Akten, dies war sein Leben.
Von seinem Kondolenzgesandten erhoffte der Papst, was sein Beamter nicht durchsetzte. Unter tragischen Umständen würde der Jüngling vor diesem König erscheinen, vielleicht fand er den Weg zu seinem Gefühl, zu seiner belasteten Seele. Man liebte Aquaviva in Rom. Pius selbst, unter seiner dreifachen Krone ein unerbittlicher alter Dominikaner, liebte ihn. Vielleicht würde auch Philipp ihn lieben.
Der ständige Nuntius war voller Hohn. Zunächst einmal quartierte er den kranken Herrn schlecht ein in seinem Hause, kein Mensch kümmerte sich um sein Wohlergehen, seine Begleitung bekam nichts zu essen.
Schließlich schlug der Kanonikus Fumagalli Skandal. Er war ein weißbärtiger Bauer aus der Romagna, von mächtigem Körperbau, zum Soldaten mehr als zum Priester erschaffen, und dem Hause Aquaviva seit jungen Jahren dienend befreundet. Auch er liebte den hochgeweihten, zarten und frommen Jüngling. Mit dem Hausherrn hatte er eine kurze, völlig respektlose Unterhaltung. Danach wurde alles besser.
Aber mit befriedigtem Hohn beobachtete der Nuntius weiterhin, wie der Aufenthalt des ungebetenen Logiergastes sich müßig hinzog. Drei Wochen war er nun schon da. Auf die ehrerbietige Anfrage, wann die Traueraudienz genehm sei, war erst viele Tage überhaupt keine Antwort gekommen, endlich ein Bescheid aus der Staatskanzlei, das Beileid möge schriftlich abgestattet werden. Schriftlich, das Allerweltswort, aber dem Kirchenfürsten gegenüber, der einen Monat unter Fährnissen gereist war, eine kaum tragbare Insolenz. Dennoch war nichts übrig geblieben als nochmals zu bitten. Unmöglich konnte er nach Rom zurückfahren und Petri Nachfolger bekennen: Man hat Deinen Botschafter gar nicht ins Haus gelassen. Als endlich der Zutritt gewährt wurde, war von vornherein das Gleichgewicht peinlich verschoben. Und das war der Zweck gewesen.
Das Königsschloss war erreicht. Aber der geistliche Zug konnte den Eingang nicht finden. Ein Gerüst zog sich um den burgmäßigen, verwinkelten Alcazar. Im Regen hämmerten Arbeiter. Immer wurde an Philipps Häusern gebaut.
Sie zogen um den ganzen zackigen Komplex. Vor einer Hinterpforte stieg der Legat von seinem Tier. Pikenträger in riesigen Hüten, gelben Wämsern und rot-gelben Pluderhosen hielten Wache. Sie verstanden kein Wort. Es waren Deutsche. Schließlich, auf das Rufen der Diener, kam ein Mann in Priesterkleidung die steile Stiege herab und gab auf Lateinisch Bescheid. Von hier aus war kein Zugang zu den königlichen Gemächern. Aufgesessen also noch einmal und im Halbkreis zurück zur Vorderfront mit den Gerüsten.
Die Begleitung verblieb in einem Wachtlokal zu ebener Erde. Es war kalt hier und feucht, durch die winzigen, vom Balkenwerk verstellten Fenster kam jetzt um Mittag kaum Licht. „Das sind Vergnügungsreisen!“, sagte Fumagalli, der den nassen roten Hut des Legaten auf den Knien hielt, „die Eminenz wird uns sterben an diesem Ausflug!“
Der Kardinal ging langsam, unter Seitenstechen, die dunklen Treppen hinauf. Es roch schlecht in diesem mittelalterlichen Burgpalast. Ein Hofherr schritt seitlich voran, immer höher. Ich glaube, der König von Spanien sitzt auf dem Dach und erwartet mich da, dachte Aquaviva, denn er war fröhlichen Gemüts unter seinem Purpur, ein gütiger heiterer Knabe bei all seiner frommen Klugheit.
Nun ging es im obersten Stockwerk seitlich ab, durch einen offenen Zinnengang erst, in den der Nordsturm hereinblies, und von dem aus man das ganze lehmschmutzige Städtchen recht armselig liegen sah und jenseits das nackte, traurige Hochland von Kastilien. Dann kamen Säle, niedrig und lang, mit ein paar Truhen spärlich möbliert. Überall Herren vom geistlichen Stand, in der Sutane oder im Ordenskleid, in Gruppen sich beredend, untätig harrend. Ein viereckiges Zimmer dann, voll mit Bewaffneten. Ihr Offizier erwies klirrend Salut. Im nächsten Raum, einem völlig leeren Gang, verließ ihn der Hofherr zur Meldung.
Unmittelbar zu Aquavivas Häupten schlug eine Glocke stark und nachhalllos die Mittagsstunde. Die Tür ging auf. Der Kämmerer ließ ihn passieren.
Das Zimmer war hell. Aus hohen Fenstern strömte von links und von rechts stumpfes, kalkiges Licht auf dem Schreibtisch zusammen, hinter dem König Philipp arbeitete. Er legte sein Gerät zur Seite und blickte aus großen, gewölbten, unnennbar ruhigen Augen dem Eintretenden entgegen. Der verneigte sich, und wartete dann in höfischer Haltung auf eine Anrede. Doch die kam nicht. So hatte er Muße, den meistberedeten Herrn der getauften Welt zu betrachten.
Der Anblick erstaunte ihn, und er gab sich auch Rechenschaft über den Grund. Philipp saß ohne Hut, wie er auf keinem seiner vielen Portraits erschien, und wie man also nicht gewohnt war, ihn sich zu denken. So sah der Kardinal, wie blond er war: hellblond das seidig frisierte Haupthaar, nur wenig dunkler der Bart, der einen großen, geistreich gezogenen Mund umrahmte. Sehr zart und hübsch gebildet die Nase, porzellanen durchsichtig die weiße Haut, Eleganz und Gepflegtheit der vorherrschende Eindruck. Nur die vorgebaute und schwere Stirn brachte einen unbestimmt drohenden Zug in das anmutige Ganze.
Schwarzer Samt war sein Anzug. Selbst die Halskrause war in diesen Tagen der Trauer verschwunden, der Orden des Vlieses hing an einer Kette aus dunklen Edelsteinen über der Brust und schimmerte schwach.
„Soll ich selber denn anfangen?“, dachte Aquaviva und stellte mit Missbehagen fest, dass ihm Gesicht und Hände vor verlegener Hitze brannten. Ein wenig ratlos schickte er den Blick durch das Königszimmer. Da war nicht viel zu sehen. Gobelins bedeckten die Wände. Wenige schwere und simple Möbel. Seitlich neben Philipp stand ein Tischchen mit einem kleinen Kruzifix und zwei Reliquienkästchen aus Silber.
„Einen jungen Priester schickt mir die...



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