Frank / edition | Tage des Königs | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 149 Seiten

Frank / edition Tage des Königs

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8482-0507-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)

E-Book, Deutsch, 149 Seiten

ISBN: 978-3-8482-0507-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Friedrich II., bekannter als "Friedrich der Große" oder "Der Alte Fritz", ist eine legendäre Figur der deutschen Geschichte. Er war ab 1740 König von Preußen und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, einer Form der Monarchie, die stark von den Gedanken der Aufklärung beeinflusst war. Anders als in seinem berühmtesten Werk, dem biografischen Roman "Cervantes", versucht der deutsche Schriftsteller Bruno Frank hier in einzelnen, voneinander unabhängigen Erzählungen Einblicke in das Seelenleben des bedeutenden Staatsmannes zu geben. Auch "Tage des Königs" zeichnet sich durch Franks sprachliche Perfektion und historische Kenntnisse aus. Wie bei allen Werken der ofd edition wurde die ursprüngliche Druckfassung nicht automatisiert kopiert, sondern sorgfältig neu editiert und der aktuellen Rechtschreibung angepasst - die bessere Lesbarkeit und Gestaltung verhelfen so zu einem ungetrübten Lesegenuss. Eine Einführung enthält die wichtigsten Fakten aus dem Leben des Alten Fritz.

Der in Stuttgart geborene Schriftsteller Bruno Frank (1887 - 1945) verfasste zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Bühnenstücke, die das kulturelle Leben in der Weimarer Republik beeinflussten. Bruno Frank starb am 20. Juni 1945 im Exil in Beverly Hills, Kalifornien.

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Die Narbe

Kapitel 1
Da er um drei Uhr aufgestanden war und mittags, gegen seine Gewohnheit, nur kurz bei Tische gesessen hatte, war jetzt um die zweite Stunde seine Tagesarbeit schon fast getan. Nur der Empfang des österreichischen Gesandten stand noch aus, der Herr sollte um fünf Uhr kommen. Es handelte sich da um eine Angelegenheit der Form, denn der Krieg um die bayerische Erbfolge war nicht mehr zu vermeiden.
Er begann ihn mit Unlust. Sein Greisenalter, so hatte er gedacht, sollte frei von blutigen Abenteuern bleiben. Ihm fehlte die Waffenfreude früherer Jahre, ihm fehlte der ungebrochene Machtwille, er war viel zu erfahren und viel zu skeptisch, um bei der Einseitigkeit des Denkens verharren zu können, die allein Lust an kriegerischen Taten hervorbringt. Es handelte sich einfach um eine ärgerliche Notwendigkeit.
Besorgnis hatte er keine. Er kannte sein Heer und kannte, durch Spione, die er höchst skrupellos arbeiten ließ, auch den militärischen Zustand der Österreicher. Er würde schon erreichen, was er wollte. So wie die Richtung seines Lebens nun einmal verlaufen war, durfte er eine Präponderanz Österreichs nicht dulden. Doch er war im Voraus jeden Erfolges satt; was konnte ihm noch Großes zuwachsen am Ende seiner Tage. Er war müde. Prüfte er sich genauer, so überwog in ihm ein Gefühl des Bedauerns, dass nun wieder ein Sommer dort draußen in Mähren oder Böhmen, in Schmutz und Lärm, verbracht werden sollte statt hier auf seinem „Weinberg“, in seiner friedlichen Wohnung. Wie viele Sommer blieben ihm denn für Sanssouci, erschöpft und leidend wie er war mit seinen sechsundsechzig Jahren? Um doch noch etwas zu haben vom Frühling, war er zeitiger als sonst vom Potsdamer Stadtschloss heraufgezogen, und die Sonne schien es freundlich mit ihm zu meinen, denn diese ersten Apriltage waren schön.
Er hatte sich einen bequemen, tiefen Sessel mit schräger Lehne hinaus auf die Terrasse tragen lassen und saß nun vor dem mittleren Eingang seiner Villa, angetan mit dem blauen Rock seines ersten Garderegiments zu Fuß, fast ohne Abzeichen, auf dem Kopfe den Hut, den er neuerdings überhaupt nicht mehr ablegte, außer bei Tisch. Die Beine hatte er auf ein niedriges Taburett gelegt, um sie vor der Bodenkälte zu schützen, und auf seinen Knien lag der Zobelmantel mit den silbernen Tressen, den er einmal von der russischen Elisabeth als Geschenk bekommen hatte, das einzige kostbare Stück seiner Garderobe, heute auch schon abgetragen und schadhaft. Ganz nahe bei ihm, der Liebling im Sessel selbst, zwei andere auf der besonnten Erde, lagen die Windspiele und blinzelten mit komischem Misstrauen in die klare, aber noch kühle Luft. Die Lieblingshündin schnupperte an seiner linken Schosstasche, denn dort pflegte er kleine Täfelchen Schokolade aufzubewahren, mit denen sie oftmals gefüttert wurde.
Jetzt dachte er nicht daran. Er las. Er las in einem schön gedruckten Buche, das in hellrotes Maroquin gebunden war. Es war eine französische Übersetzung des Lukrez, aber nur der erste Teil, denn die Hand des Königs war von der Gicht zuzeiten so schwach, dass sie dicke Bücher nicht halten konnte und die Bände zerlegt werden mussten.
Er las, zum wievielten Mal in seinem Leben, den dritten Gesang des Lukrez, der ihm von aller Dichtung aller Völker wohl am liebsten war, jenen Gesang, der von der Vernichtung im Tode handelt, vom Aufhören des Bewusstseins und damit aller Übel, von der stillen Seligkeit des Nichts. Hier floss seit jeher schon die Quelle seines Trostes; der kranke römische Privatmann, der vor achtzehn Jahrhunderten in seiner kleinen Wohnung am Aventin diesen majestätischen Lobgesang auf das Verlöschen niedergeschrieben hatte, stand für den König an der Stelle aller Priester und Heilslehrer, die von der Würde der Seele und ihrem Fortleben zu rühmen wissen. Nein, nicht ewig hatte man zu dauern und zu kämpfen!
Der König las, das Buch ganz nahe unters Auge gehoben, denn er war äußerst kurzsichtig, und seine Lippen bildeten stimmlos den matten Gang der französischen Verse mit. Wie anders musste das lauten im kraftvollen Stampfen der lateinischen Daktylen! Wohl hatte er einmal versucht, den wahren Text zu lesen, hatte aber missmutig alsbald verzichtet. Nein, sein Latein genügte nicht, es war jämmerlich und ob er gleich von Jahr zu Jahr sich vornahm, es zu vervollkommnen – er wusste heimlich voraus, dass ihm keine Zeit dafür bleiben würde. War nicht diese Stunde jetzt wieder für lange hinaus die letzte, die er seinen geliebten Büchern und die er seiner grünen Einsamkeit widmen konnte! Ach, noch grünte sie kaum.
Er unterbrach die Lektüre und klappte sein Lorgnon auf, um ins Weite sehen zu können. Er blickte die lange Zeile entlang, die erst von den Treppen und dann, über der Fontäne fort, die zu seinem Kummer niemals sprang, von der breiten Lindenallee gebildet wurde; ein erster frischer Schimmer von Leben lag über allem. Die Allee endete drüben an dem hübschen Hause, wo der Freund wohnte, der Alte, viel älter noch als er. So wohnten sie einander gegenüber, Blick in Blick, und wären sie so alt nicht gewesen, so hätten sie sich wirklich in die Augen sehen können. Aber sie hatten solche Augen nicht mehr.
Er ließ das Lorgnon sinken und träumte vor sich hin. Es herrschte eine tiefe, entzückende Stille.
Mit einem Mal sprangen die Windspiele auf und fingen an zu bellen. Sie waren hier oben an lautlosen Frieden gewöhnt und meldeten es zornig, wenn irgendwo in dem weiten Garten eine fremde Gegenwart sich kundtat.
Der König äugte umher und erkannte, dass drüben beim Hause des Freundes eine Bewegung begann. Er blinzelte und strengte den Blick an durchs Glas: eine Sänfte näherte sich, getragen von sehr farbig gekleideten Dienern. George Keith, Earl Marishal of Scotland, kam.

Kapitel 2
Das war unerwartet, denn seit Monaten hatte der Betagte sein Haus nicht mehr verlassen, und immer hatte der König ihn aufgesucht. Uralt war er, fast mythisch alt, über neunzig gewiss, aber niemand wusste genau die Zahl seiner Jahre. Sicher war nur, und der König pflegte es gern zu erwähnen, dass Keith zu der Zeit, da Friedrich geboren wurde, schon unter Marlborough in Flandern gekämpft hatte, aber nicht als ein Lehrling im Waffenhandwerk, sondern bereits als Brigadegeneral.
Sein Leben, ein Leben der höchsten, der musterhaftesten Treue, hatte das Jahrhundert ausgefüllt. Er hatte, Alt-Schotte der er war, Erbmarschall seines Landes, für den Prätendenten Jakob gegen das Haus Hannover gefochten, fester und mutiger der Stuart-Sache ergeben als die Stuarts selbst. England hatte ihn geächtet, seiner Güter beraubt, ihn zum Tode verurteilt. Fast sein ganzes Dasein hatte er im Exil verbracht, in Venedig, in Rom, in Südfrankreich, lange in Spanien, immer großartigen Zwecken hingegeben, ein wenig getröstet über den Verlust der Heimat durch die Wohltat wärmerer Sonnen.
Wie bitter vermisste er die hierzulande, musste Friedrich denken, während er den bunten kleinen Zug im bleichen Aprillicht die fast kahle Allee herauf langsam sich nähern sah. Es war königlicher Eigennutz gewesen, ihn hier zu haben. Der Lordmarschall hatte ihm gedient, er war, in kritischer Epoche, sein Gesandter in Paris, er war auch sein Gouverneur in Neufchâtel gewesen, aber am wertvollsten, am unentbehrlichsten war er ihm doch nun in den vierzig Jahren geworden, seit er, ganz nur sein Freund, hier nahe bei ihm lebte. Er war vornehm, er war redlich, und er hatte Geist; diese Verbindung war dem König auf seiner langen Bahn sonst nicht vorgekommen, und er tat alles, um den ehrwürdigen Menschen an sich zu binden.
Dort das niedrige bequeme Haus, von dem er sich jetzt herübertragen ließ, war ihm von Friedrich selber gebaut worden. Er hatte, er allein, die Freiheit, die Terrassen nach Sanssouci heraufzukommen, wann immer er mochte. Er hatte nicht nötig, sich erst zu den Mahlzeiten anzusagen; war ein großer Kreis geladen – er war der vornehmste, der geehrteste Gast, waren bloß drei oder vier Intime zugegen – niemand konnte intimer sein und gelegener kommen. Eines von den Gastzimmern linker Hand, westlich vom Kuppelsaal, stand stets bereit für den Alten, damit er ruhen könne nach dem Mahl, das immer eines von seinen Lieblingsgerichten enthielt, und bei dem ihm der König selbst vorlegte.
Tun's schon die Beine gar nicht mehr, alter Lord, dachte Friedrich, musst Du Dich den kleinen Weg tragen lassen von Deinen Heiden? Er hielt unverwandt das Lorgnon vors Auge und glaubte nun auch schon, im Gehäuse die starken Züge des Freundes zu unterscheiden. Das war wohl Täuschung der Zärtlichkeit. Was er aber mit Sicherheit erkannte, das war seine Kleidung: der schwarzsamtene Hausrock, nach Art der Husarenjacke verschnürt und an Hals und Ärmeln mit braunem Pelzwerk besetzt, und auf dem Kopf die weiche, hängende Mütze, die in ihrer Form sehr einer phrygischen glich. Er sah auch deutlich, wer den Alten trug. Es waren der Mohr und der Tibetaner. In ihren bunten Gewändern schritten sie vorsichtig einher.
Denn eigentümlich zusammengesetzt war der Haushalt, dem dort drüben der schottische Edelmann vorstand. „Meine kleine Tartarenhorde“ pflegte er seine Dienerschaft zu nennen, und in der Tat war von denen, die um ihn lebten, keiner in einer christlichen Kirche getauft. Es waren Leute aus aller Herren Länder; zum Teil von ihm selbst von seinen Fahrten heimgebracht, zum Teil Kriegsgefangene, die sein Bruder Jakob, der Heerführer, ihm einst geschenkt...



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