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E-Book, Deutsch, 100 Seiten

Frenkel Pillen, Heiler, Globuli

Das Geschäft mit der Alternativmedizin

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

ISBN: 978-3-7776-2850-9
Verlag: S. Hirzel
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Zum Boom alternativer Heilmethoden

Für Homöopathie, Diäten und Wundermittel aller Art wächst der Markt. Obwohl Heilpraktiker in Deutschland kaum einer Kontrolle unterliegen, finden sie immer mehr Anhänger. Rund um die Alternativmedizin ist eine Industrie entstanden, die das Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie, der Medizin und den Medien bedient. Viele Produkte sind ebenso harmlos wie wirkungslos – doch manche sind gefährlich oder sogar tödlich. Beate Frenkel fragt nach: Woher kommt dieser Boom? Welche Rolle spielen Verschwörungstheorien und der Einfluss des Internets? Warum halten Politik und Bundesärztekammer so wenig dagegen? Eindringliche Beispiele werden mit Aussagen von Ärzten, Patienten und Alternativmedizinern belegt.
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Gegen jede Vernunft:
Der Streit ums Impfen
und die Folgen
»Braucht mein Kind wirklich den Masernschutz?« – Erfahrungen aus der Kinderarztpraxis
Ausgangssperren, Reisewarnungen, überfüllte Intensivstationen – das Coronavirus SARS-CoV-2 hat innerhalb weniger Wochen die Bevölkerung und Wirtschaft in einen existenziellen Ausnahmezustand katapultiert. Alle Hoffnung liegt nun darin, einen Impfstoff zu entwickeln, der vor dem Virus schützt. Angesichts dieser weltweiten Katastrophe scheint kaum vorstellbar, dass es Menschen gibt, die den Impfschutz kategorisch ablehnen. Impfskeptiker, Impfgegner, Impfverweigerer – die Grenzen sind fließend zwischen denen, die Nutzen und Risiken von Impfungen hinterfragen, und denen, die sich Argumenten und Fakten verweigern. Erst waren es nur wenige, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, aber inzwischen ist daraus eine Szene erwachsen, die sich lautstark Gehör verschafft. Und sie sorgt für Verunsicherung. Gerade bei Eltern, die sich besonders genau informieren wollen, um bei ihrem Nachwuchs alles richtig zu machen. Das erlebt auch der Berliner Kinderarzt Jakob Maske in seiner Praxis. Er ist der Arzt, dem die Kinder vertrauen. Wenn es wehtut, wenn sie Angst haben – bei Jakob Maske werden sie schnell ruhig. Maske ist seit 20 Jahren Kinderarzt, und seine Praxis in Berlin-Schöneberg ist voll. Aber seit ein paar Jahren hat sich etwas verändert, zunächst schleichend. Maskes Praxis liegt nahe einem typischen Neuberliner Kiez, ein erst vor Kurzem erschlossenes Wohngebiet am Gleisdreieck. Schick, teuer, zentral. Die Klientel, die hergezogen ist, ist jung, netz-affin und stellt hohe Ansprüche – auch für die eigenen Kinder soll es nur das Beste sein. Kritisches Hinterfragen gehört zum guten Ton, alles Etablierte muss erst auf den Prüfstand, natürlich auch die etablierte Medizin. Wenn der Arzt ein Medikament verschreibt, heißt das noch lange nicht, dass es eingenommen wird. Wenn er dringend zu einer Impfung rät, ist es vielleicht trotzdem falsch. Die »Generation Google« informiert sich lieber woanders. »Die Eltern kommen deutlich kritischer zu uns, anders als vor zehn Jahren«, sagt Maske. »Das kostet uns viel mehr Zeit, ordentlich zu beraten.« Er spricht für den Verband der Berliner Kinder- und Jugendärzte. Das Problem sei die Flut an Falschinformationen im Internet. Die Eltern kommen verunsichert in seine Praxis, und es braucht viele Erklärungen. Die Erfahrung des Kinderarztes: »Wir bemerken, dass die Eltern sehr schlecht informiert sind, falsch informiert, und wir haben dadurch einen sehr viel höheren Beratungsaufwand.« Dem Arzt zu vertrauen, spielt da fast keine Rolle mehr. Die neue Instanz ist das Netz. Und das kann wirklich gefährlich werden. Vor allem, wenn es ums Impfen geht. Dreizehn Impfungen in den ersten zwei Lebensjahren empfiehlt die Ständige Impfkommission Stiko, aber den Kinderarzt kostet es manchmal schon Mühe, Eltern zu überzeugen, dass die Impfungen gegen Tetanus, Polio oder Keuchhusten überhaupt sinnvoll sind. Und dass sie Leben retten. Und so sieht sich Jakob Maske immer wieder Müttern und Vätern gegenüber, die lieber weniger als mehr Stempel im Impfpass ihres Sprösslings hätten. Egal, was der Arzt meint. Vor allem die 3-fach-Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln lehnen mehr Eltern ab. Darüber kursieren besonders viele Horrorgeschichten im Internet. Der Impfstoff sei sehr gut getestet, Reaktionen des Immunsystems seien beabsichtigt, erklärt der Kinderarzt immer wieder besorgten Eltern: »Das kann Fieber sein, das bis 40 Grad hochgeht, Unruhe, Schnupfen, alle Anzeichen eines Infekts, die man so kennt. Also harmlos.« Der Kinderarzt muss immer wieder klarmachen: Die Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, sie sind eine schwerwiegende Erkrankung: »Sie führen häufig in der Folge der Erkrankung zum Tode.« Und: Das Risiko, sich anzustecken, ist hoch. Zum Vergleich: Für SARS-CoV-2 schätzen verschiedene Forschungsteams, dass jeder Infizierte das Virus im Durchschnitt an zwei bis drei andere Menschen weitergibt. An den Masern stecken sich an einem Patienten im Schnitt zwölf bis 18 Menschen an. Impfungen sind dazu da, um vor gefährlichen Krankheiten zu schützen – das, was lange selbstverständlich schien, ist plötzlich außer Kraft gesetzt. Überall in Deutschland machen Kinderärzte diese Erfahrung. Sie versuchen aufzuklären, Ängste zu nehmen. Und davon gibt es reichlich: In den Internetforen kursieren Gerüchte über giftige Chemikalien wie Aluminium und Quecksilber, mit denen Kinder wissentlich vergiftet würden. Das Robert Koch-Institut, in Deutschland für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten zuständig, antwortet auf seiner Homepage auf Einwände wie diese. Es stimmt, steht dort, in einigen Impfstoffen sind Formaldehyd, Aluminium, Phenol oder Quecksilber enthalten – allerdings in äußerst geringen Konzentrationen, weit unterhalb toxikologischer Grenzwerte (Robert Koch-Institut, 2016). Doch das Gerücht von den giftigen Impfstoffen ist noch immer in der Welt. Genauso wie die Behauptung, das Ausmaß der Impfschäden werde wissentlich unterdrückt. Das verunsichert. Fakt ist: Kein Arzneimittel ist zu 100 Prozent sicher, auch bei Impfungen können Nebenwirkungen auftreten, sehr selten sogar schwere. Das sei jedem verantwortungsbewussten Arzt bewusst, sagt Jakob Maske: »Impfschäden sind eine extreme Seltenheit, die ich persönlich in meinen 20 Jahren als Kinderarzt noch nicht erlebt habe. Der Nutzen der Impfung ist doch sehr deutlich höher, so deutlich, dass man unbedenklich impfen kann.« Die Erfahrungen des Kinderarztes decken sich mit den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts, das in Deutschland für die Sicherheit neuer und bestehender Impfstoffe zuständig ist. Dort werden alle Verdachtsfälle von möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen gesammelt und untersucht: Es sind Meldungen von Ärzten, Herstellern und inzwischen auch von Bürgern, die sich direkt bei dem Institut melden können. Der Behördenleiter Klaus Cichutek sagt: »Wir machen alle Meldungen, die wir bekommen, transparent. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind sehr selten.« Er sei froh, wenn sich besorgte Eltern an sein Institut wenden. Das könne nur helfen, Impfstoffe noch sicherer zu machen. Nur eines kann er nicht so recht verstehen – dass es immer noch einen kleinen Teil von Eltern gibt, die ihren Kindern jedweden Impfschutz vorenthalten (Gemeingefährlich, 2019). Es gibt die Datenbank, in der das Paul-Ehrlich-Institut alle gemeldeten Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und Impfnebenwirkungen seit dem Jahr 2000 aufführt. Sie ist auf der Homepage einzusehen, für jeden, der sich genauer für die Fakten interessiert. Nur, wer macht das schon? Das Misstrauen, einmal gesät, ist das eine. Doch immer öfter folgt die Verweigerung. Das Fatale: Eltern, die ihren Nachwuchs nicht impfen, gefährden nicht nur die eigenen, sondern auch andere Kinder. Besonders bei Masern. Von der Krankheit bedroht sind vor allem Säuglinge, die zu jung für die Impfung sind, sowie Menschen, die wegen einer chronischen Erkrankung nicht geimpft werden können. Die Babys sind die Hauptbetroffenen, sagt Kinderarzt Jakob Maske. »Erstens haben die häufiger Komplikationen, die dann auch letztendlich zum Tode führen, als Erwachsene, und sie haben eben noch den Nachteil, dass sie gar nicht geimpft sein können« (Streit ums Impfen, 2018). Das Robert Koch-Institut warnt in seinem Masern-Ratgeber vor diesen Komplikationen: Bei einer von 1000 Masernerkrankungen kommt es zu der gefürchteten postinfektiösen Enzephalitis, einer akuten Entzündung des Gehirns mit Schädigung von Nervenzellen. Zehn bis 20 Prozent der Patienten sterben daran, weitere 20 bis 30 Prozent leiden unter bleibenden Schäden des Zentralen Nervensystems (Robert Koch-Institut, 2016). Doch diese reale Gefahr scheint weit weg für manche junge Eltern im Wartezimmer beim Kinderarzt mit ihrem gesunden Baby auf dem Arm. Das liegt nicht nur an der andauernden öffentlichen Debatte über das Impfen, beobachtet Jakob Maske in seiner Kinderarztpraxis: »Wir sehen, dass viele Eltern zweifeln, ob Impfungen überhaupt gut sind. Das liegt auch daran, dass Eltern diese Erkrankungen kaum selbst noch miterlebt haben und nicht wissen, wie so eine Erkrankung wirklich aussieht. Das führt eben dazu, dass die Skepsis größer wird.« Es fehlt schlicht an der Vorstellungskraft, wie die Folgen einer schweren Infektion aussehen können: Was es bedeutet, an Kinderlähmung zu erkranken zum Beispiel. Oder dass eine Blutvergiftung tödlich enden kann, wenn sie zu spät behandelt wird. Die Erfolgsgeschichte der Polio- oder Tetanus-Impfung hat dazu geführt, dass die Angst vor den Krankheiten selbst aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden ist. Die Psychologin Cornelia Betsch hält das für einen entscheidenden Grund, warum manche Menschen das Impfen nicht mehr so wichtig nehmen: »Dadurch, dass wir die Krankheiten nicht mehr sehen, unterschätzen wir sie. Zum Beispiel wissen die wenigsten noch, dass Diphtherie mal Würgeengel der Kinder genannt wurde. Ganz furchtbar. Wir kennen das überhaupt nicht mehr. Ein möglicher Grund, weswegen sie sich überhaupt nicht bedroht fühlen. D. h., es ist immer noch wichtig, über die Erkrankungen aufzuklären, obwohl wir sie nicht mehr sehen« (Streit ums Impfen, 2018). Cornelia Betsch ist Professorin für Gesundheitsökonomie an der Universität Erfurt und erforscht das Impfverhalten der Deutschen. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung stehen Impfungen unentschlossen gegenüber oder sind unsicher. Wie kann man diese Menschen am besten erreichen?...


Frenkel, Beate
Beate Frenkel, geb. 1964, arbeitete u. a. für Report Mainz (ARD) und als Auslandskorrespondentin in London. Heute ist sie Redakteurin bei Frontal 21.


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