Friedrich | Holly. Das Haus in der Sophienstraße | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 160 Seiten

Reihe: Holly-Reihe

Friedrich Holly. Das Haus in der Sophienstraße

Band 6
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-20526-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Band 6

E-Book, Deutsch, Band 6, 160 Seiten

Reihe: Holly-Reihe

ISBN: 978-3-641-20526-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Holly: Jede Frau hat ein Geheimnis.

Showdown bei Holly: Wer lenkt künftig die Geschicke von Deutschlands glamourösestem Frauenmagazin? Und wer geht als großer Verlierer hervor? Kann Annika Stassen mit ihrer Vergangenheit Frieden schließen, oder treibt sie nur der Gedanke an Rache an, der einem der einflussreichsten Männer der Republik zum Verhängnis werden könnte? Was bedeuten Elisabeth Salditts Pläne für das mächtige Netzwerk der Spyders? Und welche Konsequenzen haben all die wohlgehüteten Geheimnisse für die Liebe und das Leben der Holly-Redakteure?

Friedrich Holly. Das Haus in der Sophienstraße jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Dienstag, 7. Juli

1

9:30 Uhr.

Christa von Hutten sitzt in ihrem offenen Alfa Romeo Spider und versucht an nichts zu denken. Sie hat ein weißes Hemd ihres Mannes Paul an und am Handgelenk seine alte IWC Pilotenuhr mit dem dunkelbraunen Lederband. Es ist heiß, schon jetzt, um halb zehn am Vormittag, und über Berlin spannt sich ein tiefblauer Himmel. Sie ist auf dem Weg in die Holly-Redaktion, wo sie den typischen Chefredakteurs-Tag vor sich hat, glaubt sie jedenfalls: Alles zeitlich eng getaktet, Meetings, Telefonate, Personaltermine … Um zehn wie immer die Seitenabnahme der Themen, die schon fertig sind für das nächste Heft, danach die große Planungskonferenz mit den Ressortleitern für die Ausgaben im Herbst einschließlich der Adventszeit.

Bei Frauenzeitschriften denkt man weit voraus, weil die großen Fotostrecken mit viel Aufwand produziert werden und weil die Anzeigenkunden früh wissen wollen, in welchem Thema sie ihre Werbung platzieren. Im Hochsommer gehts in der Holly-Redaktion schon mal um Weihnachtsplätzchen und im Winter um Bikinis. Christa hat das immer schon gemocht. »Ich arbeite nicht in der Gegenwart«, sagt sie gern, »sondern in der Zukunft. Ich gestalte eine Zeit, die noch gar nicht da ist.«

Neben ihr hält ein Fahrradfahrer vor der roten Ampel. Es ist ein Mann um die sechzig in Shorts und einem bunt gestreiften T-Shirt. Er hat abstehende Ohren und einen etwas ängstlichen Blick, und er hält den Lenker mit beiden Händen fest, während er auf Grün wartet. Christa von Hutten sieht in seinem Gesicht plötzlich das Kind, das der Mann einmal gewesen ist, und sie ist sicher, dass das Kind den Lenker seines Fahrrads damals auf dieselbe Art umklammert hielt. Den kleinen Buben sieht sie, der keiner der Starken war, keiner der Mutigen, aber süß war er, und Träume hatte er. Jetzt liegen sie hinter ihm, eingepackt in die Jahre, denen er davongeradelt ist. Der Mann hat Altersflecken an den Händen und eine Narbe an der Wange. Die Ampel springt auf Grün. Der Alfa röhrt, der Mann wird schnell klein im Rückspiegel.

Christa von Hutten ertappt sich in letzter Zeit immer wieder bei diesem Blick in Gesichter. Sie sucht das Kind, das da noch drinsteckt, und sie entdeckt es sehr oft. Es ist ein trauriges Spiel, und sie weiß genau, warum sie es fast zwanghaft spielt. Paul geht es schlecht, sein Gesicht ist nur noch eine Zeichnung aus wenigen Linien. Und gerade darin sieht sie den Mann, in den sie sich verliebt hat vor so langer Zeit, und gerade darin erkennt sie den Jungen aus den Fotoalben. Der Abschied steht bevor, sie wissen nur nicht, wann. Bauchspeicheldrüsenkrebs hat einen eigenen Kalender. Aber sie haben ihr Leben immer nach der Maxime gelebt: kein unnötiges Theater bitte. Realitäts-Check und dann den Werkzeugkasten holen oder eine Flasche Champagner aufmachen.

Paul hat nur Maßhemden, und er hat nur weiße Hemden. Er war dafür bekannt, dass er nach einem Einsatz als Kriegsfotograf immer im weißen Hemd erschienen ist, in Absteigen in Bagdad, in zerschossenen Hotels in Beirut, in Zelten der Mudjahedin in Afghanistan. Sie hat die Ärmel von Pauls Hemd hochgekrempelt, und sie legt den Ellbogen auf die Fahrertür des Alfa, als sie in die Tiefgarage einbiegt, vorbei am Pförtner, der wirklich mit Nachnamen Gutenmorgen heißt und freundlich nickt. Nur eine Stunde später wird er ein fragendes Gesicht machen, weil die Chefredakteurin wieder an ihm vorbeifährt. Aber davon wissen beide jetzt noch nichts.

2

9:30 Uhr.

Bess Schmidt betritt den klimatisierten Frühstücksraum des Hotel De Rome und sagt der Dame an dem kleinen Pult, dass sie nichts essen möchte, nur gekommen ist, um jemanden abzuholen. Sie bleibt stehen und lässt ihren Blick schweifen. Die Tische, die Menschen, das Buffet … Säfte werden herumgetragen, Eierspeisen, Milchkännchen. Eine aufgefaltete Zeitung sitzt vor einem Teller mit Baked Beans, ein schlecht gelaunter Teenager starrt an seinen Eltern vorbei.

Sie kann Elisabeth Salditt nirgends sehen. Einen Moment spürt sie deutlich, wie nervös sie ist. Das verstärkt sich noch, als sie merkt, dass sich die Blickrichtung schon umgekehrt hat. Jetzt ist es nicht mehr sie, die beobachtet. Jetzt wird sie beobachtet. Wie sie da mitten im Raum steht, groß, mit den offenen weißblonden Haaren, die ihr auf die Schultern fallen. Sie trägt ein gemustertes Pucci-Kleid in Blautönen, das sie seit beinahe zwanzig Jahren besitzt und das gerade nicht in Mode ist. Aber das hat sie schon immer gemocht, das Verwirrspiel mit Trends und Designermarken. Sie weiß, dass das zu ihrem legendären Ruf als Modechefin von Holly gehört: ihr guter, sicherer Geschmack und die kreative Art damit umzugehen.

»Und ich dachte schon, Sie lassen mich im letzten Augenblick im Stich«, sagt plötzlich jemand hinter ihr, und Bess spürt eine Hand auf ihrer Schulter. Elisabeth Salditt trägt einen dunkelgrauen Seidenanzug mit einem feinen Nadelstreifen, sehr schick, sehr seriös. Silberne Ohrringe, eine silberne Spange im Haar, naturfarbener Lippenstift. »Kommen Sie, Bess«, sagt sie. »Mein Fahrer wartet draußen mit dem Wagen. Es ist zu heiß zum Laufen, auch wenn es nur ein paar Meter sind.«

Bess folgt der Verlegerin durch die Halle nach draußen. »Ein herrlicher Tag, nicht wahr?«, ist alles, was Elisabeth Salditt sagt. Ihre Anspannung ist deutlich zu merken. Sie gehen die Stufen hinunter vom Eingang zu dem schwarzen neuen Mercedes. Salditts Fahrer hält die Fond-Tür auf und sagt: »Guten Morgen, Frau Salditt. Guten Morgen, Frau Schmidt.«

Im Inneren des Wagens riecht es nach neuem Leder. »Ich schlage vor«, sagt Elisabeth Salditt, als sie sich in Bewegung setzen, »dass Sie nachher gar nichts sagen, solange ich im Raum bin. Ich überlasse Ihnen dann das Wort, wenn ich weg bin. Das Ganze wird nur fünf Minuten dauern.«

Als der Wagen von der Friedrichstraße abbiegt und sich dem Eingang des Hauses nähert, in dessen obersten Stockwerken die Holly-Redaktion untergebracht ist, spürt Bess Schmidt, dass ihr ein wenig schwindlig wird. Und sie hat das Gefühl, ihr Herz schlägt so laut, dass man es bis auf die Straße hinaus hören kann.

3

9:30 Uhr.

Simone Pfeffer sitzt auf Platz 18 A des Fluges 1650 von Turkish Airlines und befindet sich auf dem Weg von Katmandu nach Istanbul. Die Stewardess hat eine rote Fleecedecke gebracht, darin hat sie sich eingerollt. Sie fühlt sich müde. Der Flug ist heute Morgen mit drei Stunden Verspätung in Nepal gestartet. Damit steht schon mal fest, dass sie ihren geplanten Anschlussflug von Istanbul nach Berlin verpassen wird. Aber das ist ihr ziemlich egal. Sie sitzt am Fenster und schaut auf eine vom Sonnenlicht geflutete Wolkendecke. Ihre rechte Schulter vibriert, was daran liegt, dass ein Kopf an dieser Schulter lehnt. Ein Kopf mit ziemlich vielen schwarzen Wuschelhaaren, ein Kopf, der schnarcht. Auch Georg Bender ist heute Morgen um drei Uhr Ortszeit aufgestanden. Es ist schon das zweite Mal auf diesem Flug, dass Simone Pfeffer jetzt die Tränen über die Wangen laufen. Es sind ganz leise Tränen, Tränen, die einfach nur fließen, die nichts aufwühlen in ihr, nichts zum Ausdruck bringen wollen. Sie entsorgen nur die Ablagerungen all dessen, was in den letzten Tagen und Wochen in ihrem Leben passiert ist. Sie denkt an Fotos, die sie in einem Wissenschafts-Magazin gesehen hat: Mikroskop-Aufnahmen von Tränen, die zeigen, dass Tränen sehr unterschiedliche Strukturen haben. Tränen der Freude sehen anders aus als Tränen der Wut oder Tränen der Verzweiflung. Ihre Tränen, denkt Simone, sind jedenfalls ein Gebräu aus Erschöpfung, Reue, Traurigkeit und Erleichterung.

Der Kopf neben ihr bewegt sich und brummt etwas.

»Wie bitte?«, fragt sie. »Ich habe dich nicht verstanden.«

»Ich will eine Bratwurst«, brummt Georg Bender. »Eine Kalbsbratwurst mit mittelscharfem Senf und einem Stück Brot. Ich esse zwanzig Jahre lang kein Dal Bhat mehr.«

Dal Bhat heißt das Nationalgericht Nepals. Es ist ein Gemüsecurry, das in jedem Haus anders zubereitet wird. Simone hat in den letzten Wochen praktisch nichts anderes gegessen, und Georg auch nicht, seit er in Katmandu plötzlich vor ihr gestanden hat, in der Nacht, auf der Straße.

Simone sieht jetzt den Schatten des Flugzeugs auf der Wolkendecke. Wie ein schwarzer Vogel über weißem Schnee. Er zeigt sich nur kurz, dann stimmt der Winkel zur Sonne nicht mehr, und der schwarze Vogel ist verschwunden. Georg Bender schläft wieder. Simone denkt an den SMS-Wechsel, der vor ein paar Tagen stattgefunden hat.

»Wo bist du? Wie gehts dir?«, fragt Bess.

»Ich bin für ein paar Tage in einem buddhistischen Kloster und lebe hier zwischen jungen und nicht mehr ganz so jungen Mönchen in Rot und Orange, die gern beten und noch viel lieber auf dem Tempelvorplatz Fußball spielen. Affen gibt es auch. Man wird dazu angeraten, die Fenster immer geschlossen zu halten, weil sie sonst ins Zimmer kommen und einem das Flugticket klauen, um nach Berlin zu fliegen. Liebe Grüße, Simone«.

Das Netz war dann wieder für ein paar Stunden ausgefallen, dort oben im Kloster. Aber schließlich kam Bess Schmidts knappe Antwort doch noch an:

»Komm zurück, Simone. Es wird jetzt ernst bei Holly. Deine Chance! Komm.«

4

10:15 Uhr.

Es ist das letzte Thema, das heute bei der Seitenabnahme vorgelegt wird. Die Kollegin aus dem Kochressort, Franziska Kindler, ist stolz darauf, man erkennt es an ihrem glühenden Gesicht. Sechs...


Friedrich, Anna
Anna Friedrich ist ein Pseudonym. Gäbe es sie wirklich, würde sie in Hamburg leben.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.