Fühmann Das Nibelungenlied
1. Auflage 1999
ISBN: 978-3-356-01751-9
Verlag: Hinstorff
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-356-01751-9
Verlag: Hinstorff
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Er trat vor Kriemhild, doch er wagte nicht mehr, sie anzublicken. Die Königin aber sagte, wie es die Sitte gebot: "Seid mir willkommen, Herr Siegfried, guter, edler Ritter!" Da wurde Siegfried über und über rot, und er verneigte sich tief vor der Schönen ...
Ritter und Jungfrauen, Liebe und Tod, Ehre und Intrigen, Freund- und Feindschaften, Feste und Kämpfe - das Nibelungenlied, um 1200 entstanden, gehört zu den Stoffen der Weltliteratur, die bis heute fortwirken.
So veröffentlichte auch Franz Fühmann 1971 seine Fassung des Heldenepos, erzählt von Siegfried, dem Drachentöter und Königssohn aus den Niederlanden, der sich aufmacht, Kriemhild zu freien, ein Mädchen, das war so auserlesen, daß man rings in den Landen kein schöneres an Wohlgestalt finden konnte, aber auch kein schöneres an Tugend und Edelsinn. Und er berichtet von Brünhild, die von Burgunds König Gunther durch eine List besiegt und zur Frau genommen wird, sowie über Hagen von Tronje, der Siegfried tötet und damit eine Kette unglückseliger Ereignisse heraufbeschwört.
... natürlich will ich das Original nicht ersetzen, ich will zu ihm hinführen, bekannte Fühmann. Folglich zeigt er, fern deutschtümelnder Interpretationen vergangener Zeiten, die Figuren in all' ihrer Widersprüchlichkeit, verweist auf Machtstrukturen und diesen zugrundeliegenden Verhaltensweisen, die schließlich in die vorhersehbare Katastrophe münden. Bis zum letzten Schwerthieb eine spannende Lektüre.
Weitere Infos & Material
Wie Siegfried mit den Sachsen stritt
Nu nâhten vremdiu mærein Gúnthéres lant,
von boten die in verrewurden dar gesant
von únkúnden reckendie in truogen haz.
dô si die rede vernâmen,leit was in wærlîche daz. Eines Tages nun sandten die Könige der damals verbündeten Sachsen und Dänen, die Brüder Liudeger und Liudegast, König Gunther die schlimme Botschaft, er habe zwölf Wochen Zeit, sich zu wappnen, dann bräche das Bruderpaar voll Zorn und Haß ins burgundische Land, es zu verheeren und zu unterwerfen, und wenn König Gunther dem wehren wolle, möge er sich eilends zu Verhandlungen ins Sachsenland auf den Weg machen, wozu man übrigens dringend rate, denn die Macht der vereinigten Heere sei unermeßlich. Die Boten überbrachten diese Nachricht voll Sorge, daß sie darob geschlagen oder gar gefangengesetzt würden; sie hatten sich anfangs sogar nicht in die Burg getraut und ihre Kunde unters Volk gestreut, damit sie von da aus an den Hof dringe. Allein König Gunther wußte, was sich ziemte, und tat den Herolden kein Leid und bewirtete sie nach allen Maßen der Höfischkeit. Er brachte sie auch in den besten Quartieren der Stadt unter, denn was die Antwort anbetraf, hatte er sich Bedenkzeit ausgebeten. König Gunther machte sich nichts darüber vor, daß es schlimm um ihn stand, und er bat Hagen und Gernot zur Beratung. Die hatten bereits seltsame Gerüchte vernommen und kamen eilends mit ihren vertrautesten Herren. Gernot sagte tapfer: »Wenn es nun einmal sein muß, dann wollen wir uns schlagen wie brave Ritter und die Herausforderung annehmen! Verhandeln wäre ehrlos, und ein Feldzug sollte uns nicht schrecken; es stirbt ja keiner, dem der Tod nicht bestimmt ist!« Hagen aber sprach: »Das sind ungute Worte, König Gernot. Liudeger und Liudegast sind mächtige Feinde, und sie haben lange auf diesen Tag hingearbeitet. Sie sind gerüstet, und unser Heerbann ist zerstreut. In zwölf Wochen können wir ihn niemals sammeln. Wir sollten darum Siegfried zu Rate ziehen.« Das tat König Gunther. Siegfried war sehr erstaunt, als er hörte, worum es sich handelte. »Weshalb habt Ihr nicht sofort nach mir gesandt, König Gunther?« fragte er aufgebracht, »vertraut Ihr mir nicht mehr?« – »Ich habe mein Leid von deinem Frohgemut fernhalten wollen«, erwiderte König Gunther. Da wurde Siegfried bleich und dann gleich wieder rot vor Erregung, und er sagte zu König Gunther: »Was wäre das für ein Ritter, der sich scheute, nach der Freude nun auch das Leid mit dem Bruder zu teilen! Wahrhaftig, Ihr denkt nicht gut von mir, König Gunther!« Dennoch war Siegfried sofort zur Hilfe bereit. »Mögen auch ihrer dreißigtausend anrücken«, so sprach er, »ich nehme es mit ihnen auf, wenn Ihr mir nur tausend Mann mitgeben könntet, König Gunther, und auch um die würde ich nicht bitten, hätte ich mehr als nur elf meiner Kameraden bei mir! Tausend Mann könnt Ihr auch in kurzer Frist versammeln, und wenn sich noch Hagen von Tronje und Ortwin von Metz zur Verfügung stellten, nach Möglichkeit auch noch die Herren Dankwart und Sindold und Volker von Alzay als Fahnenträger, so könnt Ihr um Burgund ohne Sorge sein! Des Feindes Fuß soll seine Fluren nie betreten!« Es geschah so, wie Siegfried geraten, und das Burgunderheer setzte sich in Marsch. An seiner Spitze stand König Gernot; Quartiermeister war Hagen von Tronje; Fahnenträger Volker von Alzay; Führer der Nachhut Ortwin von Metz, und Feldherr und damit auch Führer der Vorhut und erster Kundschafter war Siegfried von den Niederlanden. König Gunther blieb in Worms zurück. Das Heer zog über Hessen hinauf nach Sachsen, das war derselbe Weg, den später der edle Herrscher der Christenheit, der große Karl, gezogen ist. Beim Abschied flossen viele Tränen, und kummervolle Sorge herrschte in Worms, was die kleine Truppe gegen die verbündeten Heere des Nordens wohl ausrichten könnte. Am meisten von allen bangte Kriemhild. Nach wenigen Tagen hatte die Kriegsschar die Grenze erreicht. Hier wurde der Troß zurückgeschickt, denn von nun an hatte, wie es der Brauch war, das Feindesland das Heer zu ernähren, und was Mann und Roß nicht verzehrten, wurde, wie es ebenfalls Brauch war, zerstampft und verbrannt, damit die feindlichen Könige die Not des Kriegs geziemend verspürten. So zogen denn die Helden eine Spur aus Asche und Blut hinter sich her; Dörfer und Fluren gingen in Flammen auf, die Saaten wurden versehrt, die Burgen geschleift, die Mühlen zertrümmert, die Wehre zerhauen, und es war ein solches Wüsten und Brennen, daß man in Worms noch lange davon zu erzählen hatte. Indes mußte man jede Stunde gewärtig sein, auf den Gegner zu stoßen, und so ritt Siegfried zur Kundschaft aus. Er ritt allein ins feindliche Land, und wer ihm in den Weg trat, sank schnell aus dem Leben. Er war noch nicht lange unterwegs, da sah er auf einer weitgewellten Heide das Heer der Dänen und der Sachsen. Es waren ihrer vierzigtausend, vielleicht auch noch mehr. Da jauchzte des jungen Helden Herz. Zum ersten Mal stand er vor dem Feind! Nun war auch vom Heer der Gegner ein Kundschafter unterwegs, und das war kein anderer als König Liudegast von Dänemark. Sein Schild war aus purem Gold. Bald stießen die Späher aufeinander. Beim Anblick des andern hieb jeder seinem Roß die Sporen in die Weichen; jeder zersplitterte Klinge und Lanzenschaft am Schild des Gegners, der Flug der Renner war aber so ungestüm, daß die beiden dennoch aneinander vorübersausten, als rauschte Wind gegen Wind. Sie rissen ihre Pferde herum, und nun schmetterten die Schwerter aufeinander, und unter ihren Streichen sprühten Flammen. König Liudegast wehrte sich tapfer und brachte Siegfried in harte Bedrängnis, schließlich aber sank er, von drei schweren Wunden zerklüftet, aus dem Sattel und mußte sich und sein Land dem Überwinder ergeben. Siegfried wollte den König eben als Gefangenen zum Oberbefehlshaber bringen, da stoben dreißig dänische Ritter heran und fielen über den Helden her. Es waren ihrer dreißig, und Siegfried war allein, und gerade das war nach seinem Sinn. Neunundzwanzig erschlug er, und den dreißigsten ließ er nur am Leben, daß er die Nachricht von Liudegasts Gefangennahme seinem Heerführer überbringe, und der war König Liudeger. Der blutverkrustete Helm des dänischen Ritters war Beweis genug für dessen Tapferkeit, dennoch tobte König Liudeger vor Zorn, als er hörte, daß ein einziger Kämpfer Burgunds dreißig Dänen besiegt und ihren König in Gefangenschaft abgeführt hatte. Er wußte nicht, daß Siegfried im Feld stand, und glaubte, dieser Held sei König Gernot gewesen. »Gewiß, Gernot ist tapfer und kühn«, rief Liudeger, »aber er wiegt niemals dreißig Mann auf! Das geht nicht mit rechten Dingen zu!« Er schwor, Gernot zum Kampf zu stellen und ihn zu überwinden, dann befahl er aufzusitzen und zum Zeichen des Angriffs die Fahnentücher an die Stöcke zu binden. Zu gleicher Zeit erhob auch bei den Burgundern Herr Volker von Alzay die Fahne. Da rannten die Heere widereinander, und ein Schlachten hob an, daß der Himmel erdröhnte und kein Halm auf der Heide mehr grün und heil blieb. Rotes Blut floß aus den Helmen und Brünnen und strömte in Bächen über die Sättel, und die Erde wurde morastig davon. König Liudeger suchte Gernot. Er sah, daß ein burgundischer Ritter mit seinem Schwert eine Gasse durch die Reihen seiner Gegner hieb, und er versuchte, sich zu ihm durchzuschlagen. Er brauchte viele Stunden, bis ihm das gelang, und in dieser Zeit sanken Hunderte tapferer Krieger ins Gras, denn die Burgunder wie die Sachsen und Dänen fochten mit größter Erbitterung. Schließlich hatte König Liudeger den Ritter, den er für König Gernot hielt, erreicht, und da erkannte er Siegfrieds Wappen: eine goldene Krone auf blauem Grund. Nun befahl er sofort, den Kampf abzubrechen. »Wer sich solch einem Gegner ergibt, ergibt sich in Ehren!« sprach er. Und er fügte hinzu: »Den hat der Teufel selber nach Sachsen geschickt!« Boten ritten den Siegern voraus. In Worms aber hatte man mit einer schnellen Niederlage gerechnet, und darum durchsauste Entsetzen die Stadt, als schon nach wenigen Wochen ein gepanzerter Reiter auf ihre Mauern zuraste. Als sich aber die Kunde von dem glänzenden Sieg verbreitet hatte, war auf den Straßen wie in der Burg des Jubels kein Ende mehr. Kriemhild ließ den Boten, nachdem er im Saal König Gunther Bericht erstattet hatte und sich gerade zur Ruhe begeben wollte, heimlich abfangen und in ihr Gemach vor dem Bergfried führen. Sie wollte ihm dort eigentlich nur eine einzige Frage stellen, die Frage, die ihre Brust zerbrannte: Lebt Siegfried? Allein die Zucht verbot, dies ohne Umschweife zu fragen und solcherart sein Herz zu entblößen, und selbst die vertrautesten Kammerfrauen achteten streng auf Sittsamkeit. Also fragte Kriemhild den Boten...