E-Book, Deutsch, 158 Seiten
Reihe: Systemische Pädagogik
Furman Ich schaffs!
10. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8497-8235-1
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten
E-Book, Deutsch, 158 Seiten
Reihe: Systemische Pädagogik
ISBN: 978-3-8497-8235-1
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Schultasche steht mitten im Flur, das Kinderzimmer ist seit Tagen nicht aufgeräumt, und am Morgen hing wieder die Schlafanzughose zum Trocknen über der Heizung. – Manche Probleme mit Kindern scheinen sich auf Dauer einzunisten und allen Versuchen, sie aus der Welt zu schaffen, standzuhalten. Eltern, Erzieher und Therapeuten, die damit konfrontiert sind, brauchen vor allem eines: neue Ideen, die sich im Alltag auch praktisch umsetzen lassen.
„Ich schaffs!“ ist nicht nur eine Sammlung von kreativen Ideen und Techniken, die sich im Umgang mit kindlichen Problemen als nützlich erwiesen haben. Dahinter steckt ein klares und gut nachvollziehbares Programm von aufeinander folgenden Schritten, das Kindern vom Vorschulalter bis in die Pubertät hilft, Schwierigkeiten konstruktiv zu überwinden – seien es Verhaltensprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen, Ängste oder einfach schlechte Angewohnheiten.
„Ich schaffs!“ basiert auf der lösungsorientierten Sichtweise, dass Kinder neue Fähigkeiten erlernen müssen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Ben Furman zeigt, wie sich einzelne Probleme in passende Fähigkeiten verwandeln lassen, wie diese geübt werden können und wie man ein Kind motiviert, sein Ziel zu erreichen.
Zielgruppe
Eltern
Erzieher
Therapeuten
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Schritt 1: Probleme in Fähigkeiten verwandeln
Finden Sie zunächst selbst heraus, welche Fähigkeit das Kind erlernen muss, um das Problem zu überwinden. In jedem unerwünschten Verhalten steckt eine Fähigkeit, die es zu erlernen gilt. »Ich schaffs« basiert auf der Idee, dass sich Probleme, mit denen ein Kind zu tun hat, am besten dadurch lösen lassen, dass man das Kind motiviert, eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen. Diese Idee basiert auf der Beobachtung, dass, wenn ein Kind vor einem Problem steht, es oft daran liegt, dass ihm eine gewisse Fähigkeit fehlt, und dass sich das Problem auflöst, wenn das Kind diese Fähigkeit erlernt hat. Zunächst mag Ihnen dies als Haarspalterei vorkommen. Aber wenn wir nun über Fähigkeiten anstatt über Probleme sprechen, ist das nicht einfach nett gemeint, sondern wir sind davon überzeugt, dass es den Erwachsenen wie auch den Kindern so viel leichter fallen wird, konstruktiv über eine Schwierigkeit zu sprechen. Stellen wir uns vor, Sie wären die Mutter eines lebhaften Jungen. Seine Lehrerin spricht Sie an und sagt: »Ihr Sohn verhält sich den anderen Kindern in der Klasse gegenüber aggressiv.« Wie reagieren Sie darauf? Danken Sie der Lehrerin dafür, dass sie Sie darauf aufmerksam gemacht hat, und sprechen dann ruhig mit ihr darüber? Das bezweifle ich, denn da müssten Sie schon eine außergewöhnliche Mutter (oder Vater) sein. Als normale Mutter würden Sie sich angegriffen fühlen und entsprechend reagieren. Sie würden sich verteidigen, indem Sie jemand anderem die Schuld zuschieben. Zum Beispiel könnten Sie antworten: »Zuhause macht er das nie!« oder »Das liegt nur daran, dass er von seinen Klassenkameraden gemobbt wird!« oder sogar »Ich bin nie aggressiv, dieses Verhalten muss er also von seinem Vater haben!«. Wie würden Sie aber reagieren, wenn die Lehrerin das gleiche Thema auf eine andere Art und Weise ansprechen würde? Stellen Sie sich vor, sie würde kein Wort über das problematische Verhalten Ihres Sohnes verlieren, sondern mit Ihnen über die Fähigkeiten sprechen, von denen Sie denkt, dass Ihr Sohn sie noch erlernen muss. Ungefähr so: Ich habe mit meinen Kollegen über Karl gesprochen, und wir haben darüber nachgedacht, was wohl im Moment für ihn am wichtigsten wäre zu lernen, damit er in der Schule erfolgreich ist. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es für ihn wichtig wäre, etwas mehr Selbstkontrolle zu entwickeln und ruhig zu bleiben, selbst wenn andere nicht nett zu ihm sind. Was meinen Sie dazu? Das ist ziemlich entwaffnend, oder nicht? Wie würden Sie jetzt reagieren? Sie würden vielleicht sogar in Betracht ziehen, etwas zu sagen wie: »Das habe ich auch schon gedacht!« oder »Er muss wirklich noch mehr Selbstkontrolle entwickeln, und, um ehrlich zu sein, die Fähigkeit könnte ich manchmal auch selbst ganz gut gebrauchen«. Über zu erlernende Fähigkeiten statt über zu bewältigende Probleme zu sprechen ist eine weitaus kooperativere und konstruktivere Herangehensweise an die Schwierigkeiten, vor denen Kinder stehen. »Verfähigen« – die Fähigkeit hinter dem Problem herausfinden Wenn wir anfangen, Probleme als zu erlernende Fähigkeiten anzusehen, werden wir bald in der Lage sein zu erkennen, welche Fähigkeit ein Kind erlernen muss (oder in welcher es besser werden muss), um ein bestimmtes Problem zu lösen. Nehmen wir an, ein Kind ist ungeduldig und möchte, dass alles auf einmal passiert. Wahrscheinlich würden wir dann sagen, dass das Kind die Fähigkeit entwickeln muss zu warten. Wir haben dann die passende Fähigkeit gefunden, wenn wir vorhersagen können, dass sich das Problem auflösen wird, wenn diese Fähigkeit erworben wurde. Nichtsdestotrotz ist es nicht immer leicht, Probleme als zu erlernende Fähigkeiten zu betrachten. Probleme in Fähigkeiten zu verwandeln, das »Verfähigen«, ist eine Fähigkeit für sich, eine Fähigkeit, die wir alle erlernen und weiterentwickeln können. Viele, die sich die »Ich schaffs«-Methode angeeignet haben, fanden diesen Schritt am schwierigsten. Beim »Verfähigen« eines Problems kann es uns weiterhelfen, wenn wir uns folgende Frage stellen: Was muss das Kind lernen, damit das Problem verschwindet? Stellen wir uns nun vor, Sie hätten ein Kind, das die in der Gesellschaft verpönte Angewohnheit hat, in der Nase zu bohren. Sie könnten obige Frage so beantworten, dass das Kind lernen muss, seine Nase mit einem Taschentuch zu putzen (statt mit seinem Finger). Wenn wir über die Fähigkeit nachdenken, die das Problem beseitigen kann, sollten wir stets eine Regel der lösungsfokussierten Psychologie beachten, die besagt, dass eine Fähigkeit immer so formuliert sein soll, dass sie aussagt, was gelernt werden soll, und nicht, was man aufhören soll zu tun. Die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Regel: •Wenn ein Kind nachts ins Bett macht, ist die Fähigkeit, die das Kind zu erlernen hat, nicht »Aufhören ins Bett zu machen«, sondern aufzuwachen und nachts auf die Toilette zu gehen oder bis zum nächsten Morgen abwarten zu können. •Wenn ein Kind mit dem Essen spielt, ist die Fähigkeit, die es erlernen muss, nicht, damit aufzuhören, mit dem Essen zu spielen, sondern ordentlich zu essen. •Wenn ein Kind beim Anziehen trödelt, besteht die Fähigkeit nicht darin, mit dem Trödeln aufzuhören, sondern seine Kleider in angemessenem Tempo anzuziehen. Wenn das Kind viele Schwierigkeiten hat
»Aber unser Kind hat nicht nur eine Schwierigkeit, es hat massenhaft Schwierigkeiten!«, ist das, was uns viele Eltern sagen, die darüber nachdenken, wie sie ihren Kindern beim Bewältigen der Schwierigkeiten mit »Ich schaffs« helfen können. Auch sie werden erkennen, dass es einfacher ist, Kindern bei ihren Schwierigkeiten zu helfen, wenn die Annahme, dass Kinder viele Probleme haben, durch die Vorstellung ersetzt wird, dass sie einfach noch mehrere Fähigkeiten erlernen oder verbessern müssen. Wenn wir alle Probleme in entsprechende Fähigkeiten verwandeln konnten, wird aus der ursprünglichen Liste der »Probleme« eine mit Fähigkeiten, die erlernbar sind. Es gibt nur wenige Kinder, die mehrere Fähigkeiten gleichzeitig erlernen können. Daher müssen Sie als Nächstes, am besten gemeinsam mit dem Kind, entscheiden, welche der Fähigkeiten es zuerst erlernen möchte. In solch einem Fall ist es ratsam, nicht gleich mit der am schwierigsten zu erlernenden Fähigkeit auf der Liste anzufangen, sondern stattdessen mit einer einfacheren – selbst wenn es nur die ist, nach dem Essen »Danke« zu sagen. So erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass es dem Kind gelingt, diese Fähigkeit zu erwerben, was wiederum sein Selbstvertrauen stärkt und es darauf vorbereitet, die nächste Fähigkeit zu erlernen, selbst wenn diese beträchtlich schwieriger ist. Ich sprach über den achtjährigen Mike mit seinem Lehrer und seiner Mutter. Mike war zu dem Zeitpunkt nicht dabei. Seine Mutter und sein Lehrer erzählten mir, dass Mike viele Schwierigkeiten hat. Neben anderen Dingen trödelte er morgens herum, so dass er oft zu spät zur Schule kam. Er schien nicht die Energie aufzubringen, seine Hausaufgaben zu machen, außer wenn ein Erwachsener die ganze Zeit dabei war, um ihm zu helfen. Bei jedem kleinen Rückschlag bekam er einen Wutanfall. Wir brauchten nicht lange, um eine Liste der Fähigkeiten zu erstellen, die Mike erlernen sollte. Mikes Mutter schaute sich die Liste an und frage: »O. k., welche dieser Fähigkeiten soll Mike nun zuerst lernen?« Ich war mir unsicher, und so fragte ich sowohl die Mutter als auch den Lehrer nach ihrer Meinung. Nach einiger Überlegung kamen sie zu der Schlussfolgerung, dass es wohl das Wichtigste für Mike wäre zu lernen, morgens pünktlich zur Schule zu kommen. Dies war eine gute Fähigkeit für den Anfang. Sie war für Mike nicht zu schwer zu erlernen, und ein Lernerfolg würde ihm wahrscheinlich den Weg bereiten dafür, auch die anderen Fähigkeiten zu erlernen. Komplexe Probleme aufteilen
Ein »großes« oder komplexes Problem in eine einzige Fähigkeit zu verwandeln, kann schwierig sein. Geläufige Beispiele für komplexe Probleme sind mangelnde Konzentration, geringes Selbstwertgefühl und fehlendes Einfühlungsvermögen. Wir können das »Verfähigen« solch großer Probleme einfacher machen, wenn wir sie zunächst in kleinere Einheiten aufteilen und diese dann eine nach der anderen in die entsprechenden Fähigkeiten verwandeln. Ich gab gerade einen Workshop über die Auflösung...