E-Book, Deutsch, 168 Seiten
Futscher Wer einsam ist in der großen Stadt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7076-0613-3
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erzählungen
E-Book, Deutsch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-7076-0613-3
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christian Futscher, geboren 1960 in Feldkirch, Studium der Germanistik, lebt seit 1986 in Wien, u. a. als Pächter eines Stadtheurigen. 1998 erfolglose Teilnahme beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, dafür 2006 Publikumspreis bei der 'Nacht der schlechten Texte' in Villach. Gewinner des Dresdner Lyrikpreises 2008. 2010 Staatsstipendium für Literatur und 2014 österr.-ungarisches Austauschstipendium. 2015 Autorenstipendium der Stadt Wien. 2010 bis 2017 Verfassen von Schulhausromanen mit Schulklassen. 2015 Aufenthaltsstipendium in Schloss Wartholz und 2016 in Winterthur.
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Gelobtes Land Tellerrand
Ich sag Ihnen was:
Wenn wir unter uns bleiben, kann uns nix passieren, aber wenn die anderen, wenn die alle, dann gnade uns Gott.
Das sind keine Flüchtlinge, das sind Deserteure, die drücken sich vor Verantwortung, die haben keinen Anstand, so schaut’s aus.
Das ist ein Wahnsinn, wohin soll das führen, die kommen hierher, haben keine Ahnung, dann vergewaltigen sie unsere Frauen, aber wir sollen für sie zahlen.
Gestern hat einer gesagt, er sieht das nicht ein, das hab ich auch schon gesagt, das ist so was von eindeutig, ich könnte Ihnen Sachen erzählen, aber wer hört schon auf mich.
Wenn ich was zu sagen hätte, ich würde die alle zurück, es kann mir doch keiner erzählen, dass die nicht, die wollen doch nur, das verstehe ich nicht.
Man sollte ausreisen und wieder einreisen, dann würde es einem gut gehen, dann ist für alles gesorgt, aber wir sind eben zu blöd dazu, naiv und leichtgläubig.
Die Kinder sind doch gar nicht echt, die tun nur so, das sind alles keine richtigen Kinder, die ertrinken auch nicht, alles miese Propaganda von denen, die verarschen uns nach Strich und Faden.
Die wollen nur ein Stück vom Kuchen, die wollen nur die Rosinen herauspicken, das kennt man doch, mit denen muss man, die sollte man, aber ich hab ja nichts zu sagen.
Wenn wir damals auch, also wir wären doch nicht mit so Booten, das ist doch lächerlich, warum fliegen die nicht, das zeigt doch, das sind alles Minderbemittelte, die brauchen wir nicht.
In einem Lieferwagen ersticken, das muss nicht sein, warum lassen die sich da hineinpferchen, können die sich nicht denken, das ist doch idiotisch.
Nein, die Kinder sind nicht echt, und das tote Kind am Strand war eine Lüge, damit wir weich werden, aber wir sind ja nicht blöd, mit der modernen Technik kann man heute alles Mögliche zeigen, was nicht stimmt, die blasen alles auf, damit wir dumm dastehen, wir werden belogen von oben bis unten, die wissen doch selber nicht mehr, was hinten und vorne ist, aber wir sollen es ausbaden, nein, irgendwann ist Schluss, da hört sich alles auf, jetzt muss endlich was geschehen.
Wenn wir jetzt nicht handeln, tragen wir morgen alle ein Kopftuch, die Frauen sieht man nicht mehr, die Männer haben keine Köpfe, überall kann was explodieren, die Mode ist schwarz, es gibt keine Schnitzel mehr und die Kühe sind heilig, wenn wir nicht aufpassen, wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen.
Die sind ja auch gegen den Wein, gegen den Alkohol, sogar gegen das Bier, wo soll denn das hinführen, das Rauchen ist auch schon überall verboten, das ist doch alles Scheiße.
Wenn die das Sagen haben, ist Schluss mit lustig, die wollen ja auch die Musik nicht, hab ich gehört, das ist doch pervers, Gräben zuschütten ist auch ein Schwachsinn, aufreißen und vergrößern muss man die, dass keiner drüber kommt.
Wehret den Anfängen, es muss Schluss sein mit dem ganzen Scheißdreck, was zu viel ist, ist zu viel, ich scheiß auf Willkommen, Allah Kadabra und den ganzen faulen Zauber, der Kalif von Kapstadt soll sich brausen gehen, aber echt.
Die sollen sich schleichen, die Stinkerten, Depperten, Wahnsinnigen, wer braucht die Trotteln, die Scheißkerle, die traumatisierten, mit ihrer beschissenen Religion, die uns ihren Scheißmanitu reindrücken wollen mit ihren Scheißmessern und Sehschlitzen, schleichts euch, depperte Schaspartie, raus aus dem Land, aber dalli, wir sind keine Empfängnisstation.
Jetzt rede ich, weil ich will nicht, dass meine Tochter vergewaltigt wird, dass mein Sohn ein Terrorist wird, dass meine Frau was weiß ich, ach was, jetzt ist Schluss mit vornehmer Zurückhaltung, ab morgen werden alle Fluchtwege zugeschissen, wenn’s nicht anders geht
Ich hab genug Scheiße in mir, um alle Fluchtwege zuzuscheißen, ich scheiß mich nichts mehr, ich scheiß euch alle zusammen, und ich scheiß alle Fluchtwege zu, dann ist eine Ruh, endlich, scheiß Politiker, scheiß Gutmenschen, scheiß Arschlöcher, verschissene.
Weil’s doch wahr ist, nein, ich lass mir den Mund nicht verbieten, ich rede wie ich will, die Wahrheit muss nun mal raus, das ist doch alles getürkt, das stimmt doch alles nicht, die wollen nur ein besseres Leben, die sollen ihre Heimat wiederaufbauen, die sollen bei sich zu Hause anpacken, anstatt bei uns die Hand aufhalten, die hält ja keiner aus, nix Grüß Gott, sondern Schleich di.
Die Schlepper sind nicht dumm, die verdienen sich eine goldene Nase, jeder muss schauen, wie er zurechtkommt, und wenn die so blöd sind, dass sie zahlen, aber uns zeigen sie die lange Nase, und wie die stinken müssen nach so einer langen Reise.
Man kann doch nicht alle integrieren, das ist doch ein Irrsinn, die stören nur den Unterricht, die haben in der Schule gar keinen Platz, dort geht es eh schon drunter und drüber, und Deutsch können sie auch nicht, die wollen uns unterwandern, damit wir alle zu ihrem komischen Gott beten, das ist doch lachhaft, lächerlich, ein schlechter Witz, die sind total verrückt, das weiß man doch, Köpfe abschneiden, Menschen verbrennen, die gehören alle weg.
Wir sind Christen, also ich nicht, ich bin ausgetreten aus dem Arschverein, aber bei uns gibt es doch die katholische Tradition, und obwohl mir die scheißegal ist, die soll bleiben, weil das ist unsere eigene Scheißtradition, ich will keine fremde Scheißtradition, nicht eine Moschee oder dieses Gsangl vom Turm, da würde ich auszucken, die Glocken gehören zu uns, das Bimbam, nicht dieser kranke Singsang, dagegen ist auch das Kikeriki im Dorf heilig Tag oder wie man sagt.
Wenn ich könnte, würde ich aufräumen, die verschmutzen doch das Stadtbild, das sieht doch ein Blinder, die gehören nicht hierher, es gibt welche, die sagen, es wird bunter, aber ich sag, es wird dunkler, sogar schwarz, was die Hautfarbe anbelangt.
Die wollen nichts hackeln, die hauen uns nur das Hackl ins Kreuz, die wollen Drogen verkaufen, unsere unschuldigen Kinder verführen, die kann man nicht integrieren, weil die wollen das nicht, die sind viel zu stolz dazu, ein Österreicher zu werden, und zu deppert.
Alle, die jetzt aufschreien: Weg mit den Grenzen, denen sollte man das Maul stopfen, wir werden ausgegrenzt, das ist überhaupt eine Ungerechtigkeit, weil wir die nicht alle über die Grenze lassen wollen, weil wir unsere Heimat lieben, die Gemütlichkeit und das alles, das geht einfach nicht, dass jeder Dahergelaufene, da werde ich echt ungemütlich, die Grenze muss dicht sein, wozu gibt es einen Grenzschutz, und der muss aufgestockt werden.
Ich bin für mehr Kontrolle, alles muss verschärft werden, weil die tanzen uns auf der Nase herum, und wir schauen durch die Finger, aber das sind nicht umsonst Ausländer, die gehören ins Ausland und dort sollen sie bleiben, wo kämen wir da hin, wenn alle Inländer ins Ausland gehen, das ist doch ein ungesundes Durcheinander.
Wer steigt schon in ein Flüchtlingsboot, wenn er nicht schwimmen kann, noch dazu mit Kindern, das sagt doch alles, die sind unverantwortlich, die wollen nur ein besseres Leben, die wollen wie die Made im Speck, und auf der faulen Haut liegen, dass das Meer gefährlich ist, weiß doch jeder Idiot.
Ich will nicht, dass meine Kinder so aufwachsen, ich hab zwar keine Kinder, aber man leidet eben mit, man ist ja kein Unmensch, der nur an sich denkt, nein, die Kinder sollen nicht so aufwachsen, dass sie womöglich in der Minderheit sind und nicht mehr Deutsch hören, sondern nur Ausländisch, die Sprache von denen klingt doch wie gerülpst, gefurzt, so abgehackt, also schön ist was anderes, wie kommen wir dazu, dass wir uns das anhören müssen.
Flüchtlingslager auf schönen Inseln sind auch eine Zumutung, die verbreiten dort schlechte Stimmung, verdrecken alles, versauen ganze Urlaubsparadiese, und wer will dann dort Urlaub machen, kein Schwein, eh klar, aber das ist den Herren Flüchtlingen wurscht, wenn ganze Inseln verarmen, wo die Bewohner vorher schon arm waren, da scheißen sie drauf, die sauberen Herren und Damen Flüchtlinge, und denken nur an sich.
Ich will kein schlechtes Gewissen haben wegen denen, das wäre ja noch schöner, ich will mich nicht schlecht fühlen, wenn ich zu Hause mein Bier trinke und meine Serien sehe, die Flüchtlinge stören nur, das muss ihnen doch klar sein, die sind einfach rücksichtslos und respektieren keine Grenzen, das ist es, aber wir werden ausgegrenzt, weil wir für den sicheren Grenzschutz sind, das ist doch absurd und lächerlich, wenn es sein muss, sind wir auch für den Schießbefehl, weil wir sind keine Weicheier, die für den Kuschelkurs sind, das können wir uns nicht mehr leisten, das ganze Humanitätsgedudel, das schwule.
Das ganze Plastik im Meer, das ist doch auch von denen, das ist doch auf dem Mist von denen gewachsen, und wer nicht schwimmen kann, soll an Land bleiben oder den Bus oder den Zug nehmen, das kann doch nicht so schwer sein, Handys haben sie ja auch alle, können sie doch ein Taxi rufen, ein Sammeltaxi.
Die sogenannte Willkommenskultur, wenn ich das schon höre, da steigen mir die Grausbirnen auf, wer braucht die und wozu, da lass ich lieber einen Schas und zu dem sag ich dann: Herzlich willkommen, weil der verflüchtigt sich wenigstens gleich, aber diese Massen von Flüchtlingen nicht, die bleiben und stinken, die wollen von uns durchgefüttert werden, dabei ist das Bier auch schon wieder teurer geworden.
Mit Kultur kannst mich jagen, diese Wichtigtuer, Obergscheiten, Wichser, Hot Volley, Schickeriaschnösel, Studentenpack, die braucht niemand, die sollen in ihrem Biobezirk an ihrer Bioluft ersticken, wenn sie ihre Bionüsschen knabbern und an ihren Bioschleckern schlecken.
Ehrlich gesagt,...




