Gardein | Das Leben Schielt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 318 Seiten

Gardein Das Leben Schielt

Die Geschichte von Marianne & Alexander
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7568-6814-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Geschichte von Marianne & Alexander

E-Book, Deutsch, 318 Seiten

ISBN: 978-3-7568-6814-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



DAS LEBEN SCHIELT Marianne fuhr mit der Bahn von einem Nordseeurlaub zurück nach München. Im Zug entdeckte sie ihn. Alexander war und blieb ihre große Liebe. In den über dreißig Jahren, in denen sie sich gekannt hatten, waren sie immer wieder zusammen, selbst während ihrer Ehe, dann wieder nicht. Ihre erste Trennung passierte an der Adria. Es sollte ein Lebewohl auf Zeit sein. Marianne hatte für sich entschieden, ihr Studium in München zu beenden. Sie wollte ihr ganzes Leben nicht so ziellos verbringen. Alexander wollte nie mehr zurück. Er hatte sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Fast wäre sie daran zerbrochen. Ihre Eltern planten, dass sie den Arzt Hanno heiratete, der einmal ihre Privatklinik als Arzt und Direktor führen sollte. Marianne hatte Hanno geehelicht, weil sie nicht Medizin studieren wollte. Unerwartet traf sie Alexander wieder und begleitete ihn. Auch in den späteren Jahren reiste sie mit ihm an die Riviera, auch in die Provence und schließlich an die Loire. Dann riss der Kontakt wieder ab. Allein diese Tatsache brachte sie noch nicht dazu, ihn im Zug anzusprechen. Aber ihre Erinne-rungen an ihre gemeinsame Zeit wurden während der Fahrt immer konkreter. In den späteren Jahren lernte sie seine Tochter Jula kennen, die ihr von seinem schweren Unfall erzählte. Das war der Grund, weshalb er sich nicht mehr meldete. Entweder sie fasste den Mut, Alexander anzusprechen oder es war endgültig vorbei. Am Bahnhof angekommen trat sie ihm gegenüber, denn sie musste ihm schließlich die Wahrheit sagen. Aus der Zeit an der Adria gab es ein Geheimnis, dass sie Alexander nie offenbart hatte.

Uwe Gardein lebt in der Nähe von München. Er ist Autor von Büchern, Drehbüchern und Theaterstücken 1989 erhielt er das Förderstipendium für Literatur der Landeshauptstadt München

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1. MARIANNE
Der schmale Lederriemen ihrer Uhr war gerissen und Marianne legte sie in ihre Handtasche. Die Uhrzeit war ihr gleichgültig. Sie hockte in einem Strandkorb und beobachtete das Meer. Es war rastlos wie jeden Tag und auch der Himmel schien sich nicht verändern zu wollen. Ihr Exmann Hanno machte seit vielen Jahren Urlaub auf Sardinien und da sie seine sportliche Betätigung immer gelangweilt hatte, hatten sie die Ferien nie gemeinsam verbracht. Obwohl sie lange nicht mehr zusammen waren, schickte er ihr stets Bilder von seinem Segelboot. Als Publizistin führte sie auch nach der Hochzeit ihren Namen Marianne Brueckner weiter. Sie hatte sich in Strandnähe ein einsames Haus gemietet, weil sie die Urlauber nicht gut vertrug. Dorthin lief sie, stolperte durch den Sand, wusch sich im Bad die Füße und stellte den Bürostuhl an den Tisch. Marianne hatte sich Arbeit mitgebracht und erhob sich, um an ihren kleinen Arbeitstisch zurückzukehren. Marianne hatte ein klassisches Schreibset für die Reise in ihren alten Überseekoffer gelegt, der allein auf die Reise geschickt worden war, damit sie mit leichtem Gepäck im Zug sitzen konnte. Sie schrieb mit einer Feder, die sie in regelmäßigen Abständen in ein Tintenfässchen tauchen musste. Um keine Tropfenspuren zu hinterlassen, führte sie mit der linken Hand behutsam die Löschwiege über das Papier. Sie notierte sich auf dem weißen Blatt einige Sätze Blochs aus DAS PRINZIP HOFFNUNG über den Tod und legte sich danach auf seine Récamiere, die direkt unter einem zweiflügligen Fenster stand. Auf dem Weg am Vormittag zum Strand fand sie einen Zettel in der Handtasche. Der steckte in einer kleinen Seitentasche. Dort ruhte eine schöne Taschenuhr. Die hatte sie wegen der Schönheit kaufen müssen. Die alte Notiz aus dem Buch von Ernst Bloch hatte sie während der Zugfahrt angefertigt. Wenn sie an den Philosophen dachte, dann sah sie stets dieses Foto vor sich, auf dem ein alter Mann mit einer starken Brille und einer kurzen Pfeife zu sehen war. Bloch hatte ihr klargemacht, dass das Prinzip Jesus Europa nie erreicht hatte. Was von den Menschen mit diesem Namen versehen, worden war, das war etwas völlig anderes geworden. Jesus ist genau gegen die Herrenmacht das Zeichen. Sie schrieb diesen Satz von Bloch gedanklich unvollendet auf die Rückseite des alten Zettels. Über die Fortsetzung dieses Satzes wollte sie nicht nachdenken. Die Seitenzahl 1489 fügt sie hinzu. Marianne nahm einen stets bereit liegenden Schreibblock zur Hand und griff nach einem Bleistift. Gegen die Herrenmacht leben, schrieb der Philosoph. Frei sein bedeutete, nach seinem eigenen Willen zu leben. War das zu erreichen? Sie dachte an die Formulierung ‚Mein letzter Wille‘. Auch das war nicht erreichbar. Woher will der Schreiber eines Testamentes seinen wirklichen letzten Willen kennen? So blieb in allem Leben nur das Prinzip Hoffnung. Bloch war ein melancholischer Optimist, dachte Marianne. Sie wechselte wieder zu ihrem Federhalter und schrieb nur einen Satz. Ihr gesamtes Erbe ging an ihre Kulturstiftung. Mit Hanno hatte sie sich nach einigem Streit verständigt. Marianne ließ die Tinte trocknen und widmete sich wieder ihrem Essay über Ernst Bloch. Am kommenden Tag hatte sie Geburtstag und wie jedes Jahr blieb sie für sich. Besonders an diesem runden Geburtstag wollte sie niemanden sehen. Dann wurde es Zeit, ihren täglichen Spaziergang durch den Ort anzutreten. Marianne zog sich um, schlüpfte in ein Paar leichte Schuhe und lief hinaus, um einige Kleinigkeiten einzukaufen. In den letzten Tagen war sie häufig an der Buchhandlung vorbeigelaufen, war aber vor dem Schaufenster nicht stehen geblieben. Nun tat sie es. Über einem schmalen Gedichtband war ein Zettel, vom Autor signiert, angeklebt worden. Der Gedichtband trug den Titel ULYSSES IN IKARIA. Aber das war nur der Einstieg für ihr Interesse, denn der Name des Autors hielt sie fest. Diogenes Obscurus. Marianne war sofort davon überzeugt, dass sich hinter dem abweisenden Pseudonym der entschwundene Alexander verbarg. Er hatte bei seinen Publikationen stets besondere Künstlernamen benutzt. Sie kaufte das Buch und blieb erst in der Nähe des Leuchtturms stehen und betrachtete die heranrollenden Wellen. Wenn es Alexander war, dann musste sie an ein Chanson von Charles Trenet denken. La mer, a bercé mon coeur pour la vie. Alexander besaß ihr Herz für das ganze Leben, aber er war ein Mann, der nicht häufig neben ihr aufgewacht war. Mehr als dreißig Jahre wartete sie schon darauf und wenn sie ihn einmal mehr traf, verschwand er gleich wieder. Ihr Exmann Hanno kannte die Affäre nur zum Teil. Marianne diskutierte darüber nicht. Es gab das normale Leben und dann eben das Besondere. Marianne hatte das normale Leben verlassen und war wieder in das Zentrum von München gezogen. Hanno blieb in der Landvilla. Nun war sie an die Nordsee gereist, während eine Umzugsfirma ihre neue Wohnung einrichtete. Es gab keine gültige Trennung von Hanno, nur eine klare Distanzierung. Marianne blieb unterhalb des Leuchtturms stehen und beobachtete einen alten Mann, der schwankend dahinschritt, über den Weg schlurfte und sich dabei ein Schweißband über den Kopf auf die Stirn zog. Marianne lief hinüber zum Meer und setzte sich in den Sand. Die Brise kühlte ihr heißes Gesicht, während Welle um Welle den Strand erreichte. Marianne hatte morgen Geburtstag und betrachtete das Geschenk in ihren Händen. Der Gedichtband war schmal, aber von ihm und sie dachte, dass Alexander ihr das gewissermaßen als Präsent überreicht hatte. Davon fühlte sie sich ein wenig beklommen. Sie öffnete die Seite mit der Signatur und sah, dass die Unterschrift vor wenigen Tagen gefertigt worden war. Das Datum stimmte fast mit ihrer Ankunft auf der Insel überein. Alexander war am Vortag hier gewesen, an dem sie mit dem Zug in Bremen eingetroffen war. War das ein Zeichen? Immerhin hatte sie ihn seit Jahre nicht mehr gesehen. Nun schrieb sie die Zahl sechs vor ihr Alter und es begann die Zeit, in der das Leben endlich wurde. Statt sich elegant zu kleiden, um sich aus Anlass ihres Geburtstages ein schmackhaftes Menü zu gönnen, suchte Marianne die Buchhandlung auf und erfuhr, dass Alexander in Bremen Bücher signiert hatte. Sie rief dort an und erfuhr, dass er noch in der Stadt war. Sofort kontaktierte sie ihren Vermieter und buchte eine Überfahrt zum Festland. Den Überseekoffer ließ sie zurück. Um den wollte sich ihr Vermieter kümmern und sie schrieb ihm ihre neue Adresse auf. Als sie sich auf den Weg zum Schiff machte, war Marianne der Überzeugung, dass es ihr zu stand Alexander zu treffen, nachdem er sich Jahre nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Es hatte keinen Streit gegeben, er war gegangen und sie fuhr zurück. Am Bahnhof von Wilhelmshaven kaufte sie sich einige Lebensmittel und wartete am Bahnsteig auf den Zug. Sie wird erst in der Nacht zu Hause ankommen und schrieb dazu eine kurze Mitteilung an ihre Freundin Bea, die in der neuen Wohnung die Anlieferung der Spedition überwachte. Ihr nächstes Gespräch mit der Buchhandlung in Bremen blieb eine Enttäuschung, denn Alexander hatte die Stadt verlassen. Wohin seine Reise ging, war unbekannt. Es war möglich, dass Diogenes Obscurus gar nicht Alexander war. Den Verlag brauchte sie bestimmt nicht kontaktieren, denn der würde keine Auskunft geben. Eine Frau hatte in ihrem Leben nicht viele Optionen, sich auf den passenden Partner einzulassen. Einer, der gestern noch passte, ist übermorgen eine einzige Enttäuschung. Die Frage, ob es möglich ist, zwei Männer gleichzeitig zu lieben, hatte sich Marianne nie gestellt. Liebe war ein Begriff, Emotionen waren etwas anderes. Ihre Emotionen zu Hanno blieben stumm und unvergleichlich mit jenen zu Alexander. Ihn kannte sie seit über dreißig Jahren und er hatte ihr nie etwas versprochen. Hanno kam in ihr Leben und er blieb. Er war an der gleichen Universität wie sie und wusste von Alexander. Marianne suchte im Internet nach Diogenes Obscurus und entdeckte, dass er in vier Wochen eine Lesung in Wien hatte. Das würde sie sich nicht entgehen lassen, zumal sie beabsichtigte, für einen Radiosender einen Essay über Klimt zu schreiben. Sie würde in Wien ins Belvedere gehen und Marianne war sicher, dass sie Alexander dort antreffen würde. Nachdem sie ihren Platz im Intercity gefunden hatte, nahm sie eine Jeans, die dunkelblaue Bluse und zog sich in der Zugtoilette um. Dann aß sie am Platz eine Banane und hörte Boccherini. Ihre Sitznachbarn nahm sie nicht zur Kenntnis, weil sie keinen Kontakt suchte. Sie schloss die Augen und spürte, wie die Musik sie innerlich entspannte. Währenddessen wollte sie in dem Gedichtband lesen, tat es aber nicht, weil dafür der perfekte Moment noch nicht gekommen war. Marianne brauchte die Stille in ihrer Umgebung, die es im Zug nicht gab. Nachdem einige Fahrtzeit vergangen war, öffnete sie das Tablet, um ihre Notizen zu Ernst Bloch anzuschauen. Sie las, der Aberglaube, dass die Welt von sich gut wird. Genau das konnte man auch über die Menschen feststellen. Niemand wird ohne sein Zutun ein guter Mensch. Angesicht des Unheils, mit dem die Menschen die Erde ausgebeutet hatten, zweifelte sie grundsätzlich am Willen der Menschen, etwas zu ändern. Als der Zug in den Bahnhof von...



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