E-Book, Deutsch, Band 3409, 212 Seiten
Reihe: Grusel Thriller
Gardemann Grusel-Thriller 09: Die Rache der Seltsamen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-962-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 3409, 212 Seiten
Reihe: Grusel Thriller
ISBN: 978-3-95719-962-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Spur eines besonders machtvollen Seltsamen, die Felix Pechstein in dem Dorf Smolsky aufgenommen hat, führt ihn zurück nach Moskau, wo er in mysteriöse Intrigen verstrickt wird. Die Seltsamen nehmen Rache
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Teil 1 - Hotel Zarenkrone
Feodora Tarassowa hatte die Augen weit aufgerissen. Über die Regenbogenhaut ihrer Augäpfel huschte ein Schimmer, der ihrem jugendlichen Gesicht ein begeistertes Aussehen verlieh. Den Arm auf die in die Fronttür eingearbeitete Lehne gestützt, ließ die schlanke Brünette den Blick über die Hochhäuser, die Passanten und den hektischen Verkehr schweifen, der draußen an der Luxuslimousine vorüberglitt. Es regnete heftig. Die Menschen eilten mit hochgezogenen Schultern über die Gehwege und Straßen, duckten sich unter ihre Regenschirme. Die Nässe hatte die Häuserfassaden grau und unansehnlich gemacht. Sturzbäche prasselten von den Markisen über den Schaufenstern und aus den schadhaften Regenrinnen herab. Das Seitenfenster der Limousine stand oben einen Spaltbreit offen. Der hereindringende, von Regentropfen durchwirkte Fahrtwind spielte mit Feodoras langem welligen Haar und wehte über ihr Gesicht, das eine unverkennbare slawische Ausprägung aufwies und vom Sprühwasser feucht schimmerte. Als zwischen zwei Häuserzeilen kurz die Zwiebeltürme des Kreml und der Basilius-Kathedrale zu sehen waren, entschlüpfte ihr ein entzückter Aufschrei. „Der Anblick von Moskau scheint dich zu erregen, meine Liebe“, bemerkte der Mann, der neben Feodora auf der lederbezogenen Rückbank saß. Er war nicht viel größer als seine Begleiterin und trug einen altmodischen Frack, der sich straff um seinen birnenförmigen drallen Leib spannte. Auf seiner Nase saß ein Kneifer, durch dessen Gläser er die üppige Schönheit an seiner Seite selbstgefällig betrachtete. Der an den Enden hochgezwirbelte Schnauzbart perfektionierte den Eindruck, dass dieser Mann mental ein Jahrhundert in der Vergangenheit lebte. Ohne den Blick von der Straßenszene abzuwenden, sagte Feodora: „Ich bin zwar schon über hundert Jahre alt, Doktor, trotzdem war ich noch nie in meinem Leben in Moskau. Diese Stadt ist so faszinierend!“ Jemand, der Feodoras Geschichte nicht kannte, hätte ihre unbeschwert hingeworfene Behauptung sicherlich stutzig gemacht. Diese exotisch anmutende, erotische Person konnte nie und nimmer hundert Jahre alt sein. Das war ein Ding der Unmöglichkeit! Ihr Begleiter jedoch nahm ihre Äußerung ohne jede Verwunderung hin. Er wiegte lediglich den Kopf hin und her, wobei sich die Fettwülste an Nacken und Kinn wie eigenständige Lebewesen regten. „Während deiner Streifzüge durchs Internet hast du diese Stadt aber doch schon oft besichtigt, meine Teuerste.“ Feodora zuckte mit den Achseln. „Das ist nicht dasselbe. Die Filme und Bilder im Internet können das eigene Erleben nicht ersetzen.“ Ein bitterer Zug umspielte ihre Lippen. „Die Bürger von Smolsky haben sich ständig eingeredet, es würde genügen, die Welt auf einem Bildschirm zu betrachten, aber jeder von uns wusste, wie armselig das im Grunde war.“ „Es stand euch jederzeit frei, euer Dorf zu verlassen und woanders hinzugehen“, bemerkte der Doktor. Die Brünette stieß ein kurzes freudloses Lachen aus. „Was soll das, Schukow? Sie wissen genau, warum wir uns all die Jahrzehnte hinweg nicht aus Smolsky hinausgetraut haben.“ Der Doktor schüttelte seinen feisten, mit einem spärlichen Haarkranz gekrönten Schädel. Der wolkenverhangene Himmel spiegelte sich in seinen Kneifergläsern und ließ sie wie zwei silbrig schimmernde Münzen erscheinen, wie man sie in der Antike auf die Augen der Toten gelegt hatte. „Ein Jahrhundert lang in einem rückständigen Dorf zu leben ... Ihr Menschen nehmt eine Menge auf euch, wenn man euch dafür ewiges Leben in Aussicht stellt.“ Feodora drehte dem Mann das Gesicht zu. Eine steile Unmutsfalte bildete sich auf ihrer Stirn. „Sie haben gut reden, Doktor, denn Sie sind ein Seltsames Geschöpf und können viele Hundert Jahre alt werden. Ihr natürliches Ableben liegt in dermaßen weiter Ferne, dass es sich für Sie gar nicht lohnt, sich vor dem Tod zu ängstigen. Wir Menschen aber leben von Geburt an mit dem beständigen Wissen und der andauernden Furcht vor unserer Endlichkeit.“ Dr. Schukow legte eine Hand auf Feodoras Knie. „Auch dir steht ein unbegrenzt langes Leben bevor.“ Er ließ die Hand an Feodoras Oberschenkel hinaufgleiten, woraufhin sich die Frau in ihrem Sitz leicht versteifte. „Das aus dem Blut eines Seltsamen gewonnene Elixier, das du viele Jahrzehnte lang in eurem Dorf regelmäßig eingenommen hast, hat dir Eigenschaften beschert, wie sie sonst nur meinesgleichen zu eigen sind. Du kannst fortan so alt wie ein Geschöpf werden – wenn dich keiner vorher umbringt.“ Feodora packte die Hand des Doktors am Handgelenk und schob sie bestimmend von sich. „Eine Lebensverlängerung menschlicher Versuchsobjekte, genau das war es doch, was Sie und General Assimow mit dem Jahrzehnte währenden Experiment an den Dorfbewohnern erreichen wollten!“ Schukow platzierte seine Hand mit Nachdruck erneut auf dem Knie seiner Begleiterin. „Richtig. Leider hat dieses aufwendige Unterfangen nur bei zwei Dorfbewohnern den gewünschten Effekt hervorgerufen. Beiden wurden übernatürliche Gaben verliehen, verbunden mit einem langen Leben.“ Die ihr Knie fordernd umschließende Hand ignorierend wandte sich Feodora wieder dem Fenster zu und schaute hinaus. „Alle, mit denen ich endlose Jahre in Smolsky zusammengelebt habe, sind jetzt tot!“, sagte sie rau. „Mit Ausnahme von dir und Sophie Saizewa“, ergänzte Schukow. „Es ist ein Jammer, dass die Umstände mich zwangen, Sophie in Smolsky zurückzulassen.“ Feodoras Kopf ruckte herum. In ihren Augen blitzte es. „Den Tod von General Assimow scheinen Sie hingegen kaum zu bedauern, Doktor. Er war Ihr Freund und Mitstreiter – und ein Seltsames Geschöpf wie Sie!“ Schukow tätschelte Feodoras Knie begütigend. „Der gute Assimow ist für sein Ende selbst verantwortlich.“ Die Miene des Geschöpfes verfinsterte sich. „Aber du kannst versichert sein, dass sein Tod nicht ungesühnt bleiben wird! Felix Pechstein wird von mir zur Rechenschaft gezogen werden!“ Feodora ballte die Fäuste. „Dieser Irre hat sämtliche Bewohner von Smolsky auf dem Gewissen! Er ist ein Massenmörder!“ „Nun ja, so würde ich das nicht nennen. Genau genommen war die natürliche Lebensspanne der Dorfbewohner, für dessen Ableben er sorgte, längst abgelaufen.“ Feodora wischte sich gereizt das Regenwasser aus dem Gesicht. „Hegen Sie etwa Sympathie für diesen Killer?“ „Die Seltsamen brauchen ebenbürtige Gegenspieler“, entgegnete Schukow gelassen. „Nur so erlangen wir die Stärke, die wir benötigen, um eines Tages nicht nur Russland, sondern die ganze Welt zu beherrschen.“ Ein skeptischer Ausdruck machte sich auf Feodoras Gesicht breit. „Die Seltsamen Geschöpfe beherrschen Russland?“ Schukow sah die Frau über den Rand seines Kneifers hinweg an. „Klingt das in deinen Ohren etwa unglaubwürdig?“ „Im Internet werden die Seltsamen bisher jedenfalls nicht erwähnt.“ „Wir agieren im Verborgenen. Und so soll es auch bleiben!“ Feodora schien das Interesse an dem Gespräch verloren zu haben. Sie blickte aus dem Fenster und beobachtete das hektische Treiben auf einem großen Platz, an dem die Limousine soeben vorüberfuhr. „Als General Assimow die Dorfbewohner mit der neuen Technologie ausstattete, vermittelte er uns das Gefühl, wir könnten in unserem abgeschiedenen Dorf mithilfe der Computer unmittelbar am Weltgeschehen teilnehmen“, sagte sie nach einer Weile gedankenverloren. „Bis dahin waren wir in Smolsky jahrzehntelang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Nur selten erreichten uns Briefe oder Tageszeitungen mit Nachrichten. Wir erfuhren von Begebenheiten meistens erst, wenn die Welt diese schon wieder vergessen hatte.“ Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Es erscheint mir wie ein Wunder, dass ich jetzt endlich aktiv am Leben teilhaben kann – wirklich und wahrhaftig, und nicht nur am Bildschirm.“ „Es ist ein Wunder“, bekräftigte Schukow. „Und dieses Wunder wird noch lange anhalten, wenn du es schlau anstellst, meine Schöne.“ Seine Hand zuckte zu Feodoras Kopf hoch. Er krallte seine fleischigen Finger in ihre Haarpracht und zerrte daran. Die Brünette gab einen gequälten Laut von sich. Nur widerwillig ließ sie es geschehen, dass der unheimliche Doktor sie an den Haaren zu sich herüberzog. Mit der anderen Hand umfasste er ihre Schulter und drückte sie nieder, sodass sie schließlich mit durchgebogenem Rücken auf seinen Oberschenkeln lag. „Was haben Sie mit mir vor?“, fragte Feodora verzagt. „Meinst du jetzt oder später?“, entgegnete er gehässig und zerrte ihren Blusenzipfel aus ihrem Hosenbund hervor. „Was meine näheren Zukunftspläne betrifft, so werde ich dich in Moskau vorläufig bei jemandem unterbringen. Und was die nächsten Minuten angeht, da fällt mir schon etwas ein.“ Die Brünette, die wusste, was jetzt kommen würde, ließ den Kopf zurücksinken und schloss die Augen. Alles hatte seinen Preis, das ewige Leben gab es nicht umsonst. „Eine vorläufige Unterbringung?“, fragte sie, während der Doktor die Bluse höher schob, bis Feodoras Bauch und die unteren Rippenbögen entblößt waren. „Das hört sich an, als hätten Sie Dringenderes zu tun, als mit mir herumzuexperimentieren. Wollten Sie nicht Laborversuche mit mir anstellen, um herauszufinden, wie genau das Elixier meinen Körper verändert hat? Zumindest haben Sie mir das angedroht, bevor Sie mich in Smolsky von Ihrem Diener...